Chicago: "Eine gute Idee reicht für eine Firma"

Die Skyline von Chicago, Amerikas drittgrößter Stadt
Was Export-Firmen vom New Deal der Regierung erwarten / Trump und Brexit stiften Unsicherheit.

Sechs von zehn Euro erwirtschaftet Österreich im Export, und beinahe zehn Prozent davon in den USA. Im Vorjahr haben die USA Italien als zweitwichtigstes Exportland (hinter Deutschland) abgelöst. 700 heimische Firmen tummeln sich in den Staaten, viele davon im Raum Chicago, wo die Verkehrsströme zusammenlaufen. "Von hier aus lässt sich das riesige Gebiet von der Ost- zur Westküste und von Kanada bis Mexiko logistisch am besten bewältigen", sagt Peter Sedlmayer, Leiter des Außenwirtschafts-Centers der Wirtschaftskammer in Chicago.

So hat denn auch die Kärntner Firma Pewag, eine hochspezialisierte Kettenfirma, hier ihr zentrales Auslieferungslager errichtet. Pewag blickt auf 500 Jahre Know-how-Entwicklung zurück, das Werk im Kärntner Brückl wurde urkundlich 1479 erstmals erwähnt, noch bevor Christoph Kolumbus Amerika entdeckte. Gerade eben wurde nach zehn Jahren Forschung im steirischen Zweigwerk in Kapfenberg wieder eine neue Schweißtechnik für Kettenglieder entwickelt. Die Ketten aus Österreich werden in die ganze Welt geliefert. Man braucht sie zum Lastenheben für Baukräne ebenso wie für das Verladen von Schiffs-Containern. Sie dienen für Förderbänder in der Industrie, als Schneeketten für Pkw ebenso wie der US-Army und dem Bundesheer, um durch Schnee- oder Sandwüsten zu fahren (Foto unten).

Für Bergbaufahrzeuge hat Pewag einen Schutzmantel entwickelt, um 1800 Euro teure Reifen vor vorzeitiger Abnützung und für die Arbeiter gefährlichen Reifenplatzern zu schützen. Dieses Produkt ist ein gutes Beispiel dafür, wie vernetzt die Wirtschaft inzwischen ist. "Wenn sich in China das Wachstum verlangsamt, exportiert Kanada weniger Erz, und wir verkaufen weniger Reifenschutz und Ketten im Bergbau", sagt Michael Uhrenbacher, Chef von Pewag USA.

2012 hat der Kärntner Familienbetrieb erstmals eine Produktionsstätte außerhalb Europas errichtet, und zwar in Pueblo in Colorado. Die ausschlaggebenden Gründe für die Standortwahl zeigen, was für den New Deal, den die Bundesregierung zur Ankurbelung der Wirtschaft versprochen hat, wesentlich ist: Das Service bei Firmengründung und die Ausbildungs-Qualität der Arbeitnehmer.

Pueblo ist ein ehemaliger Stahl-Standort, wo die Stahlkrise viele Arbeitslose hinterließ, wo aber das einschlägige Know-how der Arbeitskräfte noch vorhanden ist. Mit diesem Know-how, einem Bürokratie-Voll-Service sowie einer lokalen Förderung ließen sich die Österreicher überzeugen. "Ausschlaggebend war letztlich der Enthusiasmus der Gemeinde, mit dem wir dort empfangen wurden", sagt Uhrenbacher.

Wolfgang Niedrist, Chef von Fronius USA, berichtet ebenfalls von "unglaublich einfachen" Firmengründungen. "Braucht man in Österreich dafür noch einen Gewerbeschein?", fragt der Auslandsösterreicher, und man merkt, dass ihm nach 18 Jahren das rot-weiß-rote Brauchtum fremd wurde. "In den USA brauche ich nur eine gute Idee. Hier kann jeder jeden Tag eine Firma gründen."

Wenn nichts daraus wird, gilt das nicht als Makel. Sedlmayer: "Mitunter ist ein Konkurs sogar ein Plus nach dem Motto, dass jemand den gleichen Fehler nicht ein zweites Mal begehen wird."

Fronius ist eine oberösterreichische Firma mit zwei Produktschienen: Stromwechsler für Solaranlagen und Spezialschweißgeräte für die Automotiv-Industrie. Eine Stunde von Chicago, in Pontage/Indiana, betreibt Fronius eine 36.000 Quadratmeter große Auslieferungs- und Produktionshalle mit Solarkraftwerk auf dem Dach (Foto unten). "In den USA wird in erneuerbare Energie mehr investiert als in Europa", sagt Niedrist. Die US-Kunden von Fronius sind weniger private Hausbesitzer als Solarkraftwerksbetreiber. Niedrist: "Unsere Kunden sind Firmen, die auf den Dächern ganzer Ortschaften Solarkraftwerke errichten. Die Hausbesitzer bekommen dafür eine Miete und verbilligten Strom." Der Solar-Strom wird ins allgemeine Netz eingespeist und verkauft. "Das ist das Geschäftsmodell", sagt Niedrist.

Die Schweißgeräte setzen fast alle großen Autofirmen, aber auch Raketenbauer für die Raumfahrt ein. "Den Tesla würde es ohne Fronius nicht geben", sagt Niedrist.

Beim Firmen-Besuch fragt der KURIER die Manager nach ihren Ratschlägen für den New Deal der Bundesregierung. Sie lassen sich wie folgt zusammen fassen:

Die Unternehmensfreundlichkeit müsse steigen, was sich vor allem im Wegräumen bürokratischer Hürden und im Service der Verwaltung niederschlagen solle.

Die duale Ausbildung, die Lehre im Betrieb, sei weltweit ein Asset, das es nur im deutschsprachigen Raum gebe. "In den USA wird nicht einmal ein Elektriker ausgebildet", sagt Niedrist. "Die deutschen Firmen pulvern hier viel Energie hinein und kooperieren mit Colleges, um die duale Ausbildung zu forcieren", sagt Uhrenbacher.

Die Körperschaftssteuer ist offenkundig nicht so entscheidend, in den USA beträgt sie 36 Prozent, in Österreich 25 Prozent.

Kritisch sehen die Wirtschaftstreibenden den Zustand der Politik. "Den Brexit haben wir gerade noch gebraucht", zürnt Uhrenbacher. "Er verursacht ein immenses Vertrauensproblem. Keiner weiß, was im nächsten Monat passieren wird." Zur Unsicherheit in Europa geselle sich die Unsicherheit in den USA. Uhrenbacher: "Donald Trump ist völlig unberechenbar. Niemand weiß, was er im Fall seiner Wahl zum Präsidenten machen würde."

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