"Vor Terroristen nicht in die Knie gehen"

Ursula Plassnik: Österreichs Botschafterin in Paris schildert, wie Frankreich die Freiheit verteidigt.

Die international bekannte Spitzendiplomatin Ursula Plassnik (58) vertritt Österreich seit Ende 2011 in Frankreich. Von 2004 bis 2008 war sie Außenministerin der ÖVP, danach – bis zu ihrem Wechsel nach Paris – gehörte sie als Abgeordnete dem Nationalrat an.

KURIER: Frau Botschafterin, was bedeutet der Terroranschlag für die französische Innenpolitik? Und was für die Zivilgesellschaft?

Ursula Plassnik:Das Attentat auf Charlie Hebdo war nicht nur ein kaltblütiger zwölffacher Mord, sondern auch ein gezielter Angriff auf die Freiheit unserer Gesellschaften. Das haben die Franzosen nach einem kurzen Moment der Fassungslosigkeit auch sehr rasch so interpretiert. Die spontanen nächtlichen Manifestationen stiller Trauer in allen Städten waren ein eindrucksvolles Bekenntnis zu ihrem Lebensmodell.

Gehen Sie davon aus, dass die Auseinandersetzung über den radikalen Islam nach dem tödlichen Anschlag auf das Satire-Magazin intensiver geführt werden wird? Oder anders gefragt: Kommt es zum Glaubenskrieg?

Von einem Glaubenskrieg kann nicht die Rede sein. Noch weiß man nichts Genaues über die Hintergründe der Tat. Jedenfalls räumen die Franzosen Verbrechern und Mördern sicher nicht das Recht ein, die Meinungsfreiheit oder das gute Zusammenleben zwischen Menschen verschiedener Herkunft infrage zu stellen. Die Stimmung ist gedrückt, aber von Entschlossenheit geprägt. Keiner denkt daran, vor Terroristen in die Knie zu gehen.

Wird die EU Konsequenzen daraus ziehen? Sollten die EU-Mitgliedsländer Konsequenzen aus dem tödlichen Anschlag ziehen? Wenn ja, welche?

Ganz sicher. Wir alle stehen vor einem neuen Phänomen: Noch nie wurde eine ganze Zeitungsredaktion durch einen Terroranschlag buchstäblich ausgelöscht. Es geht um zwei Grundsäulen unserer Gesellschaften, die Meinungsfreiheit und die Rechtsstaatlichkeit. Ermordet wurden ganz gezielt Journalisten und Polizisten, also diejenigen, die diese Freiheit und ihren Schutz verkörpern. Ganz Europa ist also Charlie Hebdo.

Was bedeutet der Anschlag für Österreich und die österreichische Sicherheitslage?

Österreich ist – wie Frankreich – eine Gesellschaft der Freiheit und der Offenheit. Das ist Vorteil und Risiko zugleich. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Aber die Sicherheitskräfte unserer Länder sind in engstem Kontakt und werden nichts unterlassen, um den Terroristen das Handwerk zu legen.

Ist Frankreich wegen der vermutlich 500 Kämpfer in Syrien besonders gefährdet und Ziel von Terroristen?

Davon sind manche Experten bisher ausgegangen. Der Terroranschlag vom 7. Jänner auf die Redaktion von Charlie Hebdo galt jedoch offenbar sehr gezielt einer Satire-Zeitung, nicht der französischen Regierungspolitik.

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