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Mehr Akademikerkinder durch Zugangsbeschränkung

Kinder aus Akademikerfamilien "profitierten" von den Zugangsbeschränkungen.
Nach der Einführung stieg der zahlenmäßige Anteil von Akademikerkindern an Österreichs Unis.

Die Kinder von Akademikern haben von der Einführung von Zugangsbeschränkungen an Unis "profitiert" - ihr Anteil an der Zahl der Studienanfänger hat sich in den betroffenen Fächern erhöht. Das zeigt eine am Dienstag bei einer Tagung der Arbeiterkammer (AK) präsentierte Studie. Für die Untersuchung wurde die Entwicklung in Medizin, Veterinärmedizin, Psychologie, Publizistik und Biologie analysiert.

Zugangsbeschränkungen wurden in Österreich (abseits von Kunstunis und Sport) in Folge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Jahr 2005 eingeführt. Die Studienautoren Claudia Friesinger, Anna Palienko und Jürgen Straner verglichen die soziale Zusammensetzung der Studienanfänger bzw. Studenten jeweils vor und nach der Implementierung.

Kein österreichisches Phänomen

In der Humanmedizin betrug der Anteil der Akademikerkinder in den Jahren zwischen 2000 und 2004 maximal 41 Prozent. Nach Einführung der Beschränkung (zunächst mittels First-come-First-serve-Prinzip, ab dem zweiten Jahr mittels Aufnahmetest, Anm.) stieg er auf 54,5 Prozent und verblieb seither über der 50-Prozent-Marke. Ein Teil dieser Entwicklung kann durch den Anstieg der ausländischen Studenten - vor allem aus Deutschland - erklärt werden, die generell einen höheren familiären Bildungshintergrund aufweisen. Da es allerdings eine Quotierung der Plätze gibt - 75 Prozent für Inländer, 20 Prozent für EU-Bürger und fünf Prozent aus Drittstaaten -, schlägt dieser Effekt nicht allzu hoch zu Buche.

Ein hoher Akademikerkinder-Anteil im Medizin-Studium ist übrigens kein österreichisches Phänomen: Laut Wissenschaftsministerium stammen in Deutschland sogar 68 Prozent der Medizin-Studenten aus einem Akademikerhaushalt, in der Schweiz sind es 57 Prozent.

Über die AHS

Ein ähnliches Bild wie in der Humanmedizin zeigt sich in der Veterinärmedizin, wo es seit 2005 Eignungstests samt Aufnahmegesprächen gibt, allerdings keine Quotenregelung. Dort lag der Anteil der Akademikerkinder an den Studienanfängern im Jahr vor der Beschränkung bei 34 Prozent und stieg bis ins darauffolgende Studienjahr auf 46 Prozent. Zieht man den Effekt der sozial besser gestellten "Bildungsausländer" ab, bleibt eine um einige Prozentpunkte bessere Repräsentation der Kinder von Hochschulabsolventen.

In beiden Fächern stieg der Anteil jener Studienanfänger, die über die AHS an die Universität kamen - in der Humanmedizin weniger stark, in der Veterinärmedizin stärker. Der Frauenanteil in beiden Fächern sank (wobei dieser allerdings in der Veterinärmedizin nach wie vor über 70 Prozent liegt).

Ähnliches Bild in der Psychologie

Auch in der Psychologie und der Publizistik stieg der Anteil der Akademikerkinder stark an - den Großteil dieses Effekts machten aber die ausländischen Studienanfänger aus, die im Schnitt aus sozial höheren Schichten kommen. Deutlich zeigt sich der Effekt in der Biologie, für die 2005 Zugangsbeschränkungen eingeführt, 2007 aber wieder ausgesetzt wurden. Im Jahr der Einführung der Beschränkung nahm der Anteil der Akademikerkinder unter den Studienanfängern um rund acht Prozentpunkte auf 43 Prozent zu, verblieb im Jahr darauf auf diesem Niveau und sank nach Aussetzung der Regelung wieder auf unter 40 Prozent.

Die 2013 eingeführten "neuen" Zugangsbeschränkungen in Architektur, Biologie, Pharmazie, Informatik und Wirtschaftswissenschaften wurden noch nicht berücksichtigt. Eine Evaluierung des Instituts für Höhere Studien (IHS) war hier aber zuletzt zum Schluss gekommen, dass sich die soziale Zusammensetzung der Studienanfänger nicht verändert hat.

In Österreich haben verhältnismäßig wenige Studenten Akademiker als Eltern. Das zeigt die neue "Eurostudent"-Studie. In Österreich stammen demnach 33 Prozent der Studierenden aus Akademikerfamilien - am geringsten ist dieser Anteil in Malta und Italien (je 28 Prozent), am höchsten in Georgien, Dänemark (je 74 Prozent), Armenien (73 Prozent) und Deutschland (70 Prozent).

In der Studie "Eurostudent 2015" wird die soziale Lage von Studenten aus 29 Ländern untersucht. Die österreichischen Daten stammen dabei aus der Studierenden-Sozialerhebung 2011 - sie umfassen nicht nur Studenten an Unis, sondern auch an Fachhochschulen (FH) und Pädagogischen Hochschulen (PH).

Einen verhältnismäßig geringen Prozentsatz an Studenten aus Akademikerfamilien weisen außerdem noch Rumänien (32 Prozent), Norwegen (37 Prozent) und die Slowakei (40 Prozent) auf.

Wahl der Hochschule

Am anderen Ende der Bildungsabschlüsse liegt Österreich in etwa im Mittelfeld: Fünf Prozent der Studenten hierzulande haben Eltern mit höchstens einem Pflichtschulabschluss. Am höchsten ist dieser Anteil in Malta (54 Prozent), Irland (23 Prozent), Italien und Norwegen (je 17 Prozent). In den meisten Ländern liegen die Werte zwischen null und fünf Prozent - Schlusslichter sind Georgien (0,3 Prozent) und die Ukraine (0,4 Prozent).

Insgesamt sind die Studentenpopulationen in Norwegen, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden relativ repräsentativ für die Wohnbevölkerung hinsichtlich des Bildungshintergrunds. Einschränkung: Außer in Norwegen sind Studenten aus Akademikerhaushalten überall überrepräsentiert.

Der Bildungshintergrund beeinflusst übrigens auch die Wahl der Hochschule. Personen aus Akademikerfamilien studieren eher an einer Universität, ihre Kollegen aus Familien mit niedrigerem Bildungshintergrund wählen dagegen verstärkt andere Hochschuleinrichtungen (in Österreich etwa Fachhochschulen oder Pädagogische Hochschulen).

Gründe für die unterschiedliche Repräsentation von Akademikerkindern in den einzelnen Staaten findet die Studie trotz Analysen nicht. Diese müssten auch nicht in der Hochschulpolitik liegen, sondern könnten ihre Wurzeln schon viel früher haben.

Mehr Akademikerkinder durch Zugangsbeschränkung
Anteil der Akademikerkinder an Hochschulen ausgewählter Länder Europas - Säulengrafik Grafik 0708-15-Studenten.ai, Format 88 x 55 mm

Die HochschülerInnenschaft (ÖH) sieht sich durch eine am Dienstag bei einer Arbeiterkammer-Tagung präsentierte Studie in ihrer Überzeugung bestätigt, dass Uni-Zugangsbeschränkungen zu weniger sozialer Durchmischung führen. Auf lange Sicht würden Kinder von Nicht-Akademikern vom Studieren abgehalten. Für die Universitätenkonferenz (uniko) bedarf es ob der Studie einer gründlichen Betrachtung.

Man habe bereits in den vergangenen Wochen davor gewarnt, "dass Zugangsbeschränkungen sich negativ auf die soziale Durchmischung auswirken werden", so der stellvertretende ÖH-Chef Florian Kraushofer (Fachschaftslisten) in einer Aussendung. Das Wissenschaftsministerium versuche momentan "durch äußerst kurzfristige Studien darüber hinwegzutäuschen". Die ÖH fordert daher einmal mehr "ein Ende der protektiven Elitenpolitik an den Hochschulen und ein Ende der Zugangsbeschränkungen".

Schmidinger: Bildungsschicht reproduziert sich selbst

Für die uniko bedarf es ob des Tenors der Studie "Zugangsbeschränkungen und Chancen(un)gleichheit im österreichischen Hochschulsystem" einer "differenzierten und gründlichen" Analyse. Die kürzlich vom Ministerium vorgelegten Evaluierungen der Zulassungsregelungen ließen zwar "den Schluss zu, dass sich im Medizinstudium die Bildungsschicht aus Ärztinnen und Ärzten großteils selbst reproduziert". Darüber hinaus seien aber "keine Hinweise auf strukturelle Auswirkungen auf die soziale Durchmischung erkennbar", so uniko-Präsident Heinrich Schmidinger.

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