Koalitionsbruch im NR: SPÖ stimmt gegen die ÖVP

ÖVP-Spitze: Sebastian Kurz und Wolfgang Brandstetter
Das höhere Uni-Budget wurde im Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, Grünen, FPÖ und NEOS beschlossen. Empörung in der ÖVP.

Die Koalition ist nun auch auf Beschluss-Ebene geplatzt. Im Nationalrat stimmte die SPÖ gemeinsam mit FPÖ, Grünen und NEOS für eine deutliche Anhebung des Uni-Budgets, die damit mehrheitlich angenommen wurde.

Konkret ist geplant, den Universitäten für die Jahre 2019 bis 2021 ein Plus von 1,35 Mrd. Euro zu gewähren. Ursprünglich war in der Koalition vorgesehen, diese Mehreinnahmen mit einer Studienplatzfinanzierung zu verbinden, die de facto striktere Zugangsregeln zur Folge gehabt hätte.

Die Debatte vor der Abstimmung war von Empörung bei der ÖVP und Freude bei den Grünen über den Meinungsschwenk der SPÖ geprägt. Die FPÖ sah die ÖVP trotz oder wegen ihres Taktierens überdribbelt. Die SPÖ betonte die Wichtigkeit, endlich die Uni-Finanzierung sicherzustellen.

Mahrer spricht von "Theaterpolitik"

Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) sprach von "alter Politik". Klar sei, dass eine reine Finanzzusage nicht zu einer Qualitätsverbesserung an den österreichischen Universitäten beitragen werde: "Geld ohne Strategie löst keine Probleme." Die SPÖ wolle sich aus der konkreten Verantwortung stehlen. Statt Verantwortungspolitik werde Theaterpolitik gemacht.

VP-Wissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle (ÖVP) befürchtet, dass nun wie schon 2008 über freie Mehrheiten kurz vor der Wahl "Geld herausgeschmissen wird, das wir nicht haben". Dies sei im höchsten Ausmaß verantwortungslos. Der SPÖ warf Töchterle vor, nicht über ihre ideologischen Schatten des scheinbar freien Hochschulzugangs springen zu wollen: "Erträgliche Betreuungsverhältnisse wollen sie nicht."

"Das ist ein schweres Foul des Kanzlers" sagte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) zur APA. Christian Kern (SPÖ) habe offenbar vor, "die Republik in das finanzielle Chaos zu stürzen". Die ÖVP sieht er nicht mehr an das Versprechen gebunden, die SPÖ nicht zu überstimmen.

ÖVP-Chef Sebastian Kurz habe zwar zusagt, die SPÖ nicht zu überstimmen - aber auch erklärt, dass das freie Spiel der Kräfte gilt, wenn die SPÖ die ÖVP überstimmt. Das sei jetzt der Fall gewesen. Dennoch geht Schelling davon aus, dass man gemeinsam noch den Pflegeregress abschaffen wird. Es sei vereinbart, dass er ein Finanzierungskonzept vorlege. Das werde er tun und wenn die SPÖ dieses mittrage, könne man den Regress abschaffen.

Offenbar habe Kern seine - auch im Plan A sichtbare - Vereinbarung, das Uni-Budget mit Studienplatzfinanzierung und Zugangsbeschränkungen zu beschließen, in der eigenen Partei nicht durchgebracht. In einem "populistischen Wahlkampfakt" habe die SPÖ den Universitäten zu einer "Finanzspritze" ohne Gegenleistung verholfen, die "ein Fass ohne Boden" sei, kritisierte Schelling das Vorgehen der SPÖ - umso mehr verwundert, als man sich bis zuletzt gemeinsam redlich bemüht habe, viele Themen noch auf den Weg zu bringen.

Schelling fühlt sich an das Jahr 2008 erinnert, wo unter Kanzler Werner Faymann (SPÖ) gegen die Stimmen der ÖVP in der Vorwahlzeit die Studiengebühren abgeschafft wurden. Die damaligen Beschlüsse würden das Budget bis heute nachhaltig mit vier Mrd. Euro belasten. Der Finanzminister hofft sehr, dass mit dem Uni-Budget-Beschluss nicht "der Startschuss für sinnloses Geldvernichten bis zur Wahl" gegeben worden sei.

Seitens der FPÖ betonte Bildungssprecher Wendelin Mölzer, dass sich die ÖVP mit ihrer Taktiererei selbst überdribbelt habe. Man wolle den freien Uni-Zugang erhalten, argumentierte Wissenschaftssprecher Andreas Karlsböck.

Jubel bei den Grünen

Jubelstimmung herrschte bei den Grünen. "Sehr geehrte Damen und Herren, Sie erleben einen denkwürdigen Moment, die Sozialdemokratie hat ihre Koalitionsdisziplin überwunden", freute sich Klubobmann Albert Steinhauser: "Die Zeit der Blockaden ist mit diesem Tagesordnungspunkt vorbei, das Spiel der ÖVP funktioniert nicht mehr." Nun könne man auch einen gesetzlichen Mindestlohn und die Abschaffung des Amtsgeheimnisses gegen die Volkspartei beschließen.

Grünen-Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer hatte zuvor das Einbringen des Antrags mit der Uneinigkeit von SPÖ und ÖVP begründet. "Bis jetzt konnten sich die Regierungsfraktionen nicht durchringen, diese Finanzierungszusage durchzubringen." Man bringe daher im Sinne der Unis den von der SPÖ-Fraktion formulierten Antrag ein.

SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl konzedierte, dass es sich um einen schwierigen Moment für Mahrer handle. Es gehe aber um die Sicherstellung der Universitätsfinanzierung. Bisher habe es nämlich keine verbindliche Zusagen gegeben, sondern nur PR.

Eigentlicher Verhandlungsgegenstand der Debatte war das neue gemeinsame Studienrecht an Unis und pädagogischen Hochschulen. Auch dieses wurde beschlossen, allerdings nun gegen die Stimmen der ÖVP.

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