U-Ausschuss: Strasser im schwarzen Loch

U-Ausschuss: Strasser im schwarzen Loch
Affäre Blaulichtfunk: Der Ex-Innenminister kann sich an das Milliarden-Projekt nicht mehr genau erinnern. Dafür wird die Rolle Mensdorffs immer klarer.

Ich habe keine Erinnerung daran, das ist alles viele Jahre und drei Tage her."

"Ich weiß nicht, wer die Anbieter für das Projekt waren."

"Ich weiß nicht, was sie mit Schmiergeld meinen."

Diese und ähnliche Antworten gab Ex-Innenminister Ernst Strasser am Mittwoch im Korruptions-Untersuchungsausschuss (das KURIER-Protokoll zum Nachlesen) im Parlament zur größten Auftragsvergabe in der Geschichte des Innenministeriums: den Aufbau eines digitalen Funknetzes für alle Blaulichtorganisationen – ein Milliarden-Projekt.

Dass Strasser sich kaum erinnern kann, liegt wohl auch daran, dass er seinen Kabinettsmitarbeitern "100-prozentig vertraut" hat. Seine einstigen Mitarbeiter verteidigt er auch heute noch: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Unregelmäßigkeiten (beim Blaulichtfunk, Anm.) gegeben hat." Sollte das dennoch der Fall gewesen sein, dann wäre das für ihn "eine tiefe Enttäuschung".

"100-prozentig" vertraut hat der ehemalige ÖVP-Minister vor allem seinem Kabinettschef Christoph Ulmer. Der Jurist aus Tirol ließ sich in Strassers Amtszeit karenzieren, bekam aber sogleich einen Werkvertrag für das Digital-Funkprojekt. Der Rechnungshof konnte, wie berichtet, nicht genau eruieren, welche Leistung Ulmer erbracht hat. Aus Spesenabrechnungen geht lediglich hervor, dass Ulmer im Vorfeld der Vergabe intensive Gespräche mit Motorola-Vertretern geführt hat. Motorola war Teil jenes Konsortiums (Tetron), das letztlich zum Zug gekommen ist. Ulmer soll Motorola auch den Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly vermittelt haben – das behauptet ein US-Anwalt, der seit 2009 für den Konzern dem Verdacht von Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe nachgeht. Ulmer weist das und alle anderen Korrup­tionsvorwürfe strikt zurück.

Schattenminister

Für den Grünen Peter Pilz ist Ulmer dennoch "Schattenminister, Schlüsselperson und der eigentliche Steuermann. Er war viel mehr als Meischberger im BUWOG-Skandal."

Pilz zitierte aus Dokumenten, die beweisen sollen, dass bei der Auftragsvergabe an Tetron der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly, Ehemann der ÖVP-Politikerin Maria Rauch-Kallat, sehr wohl maßgeblich beteiligt gewesen sein soll.

Zentral ist für den Grünen ein internes Schreiben von Motorola, in dem die Rolle Mensdorffs für den Konzern erläutert wurde. Die Firma Valurex (sie wird Mensdorff zugerechnet; dieser behauptet, sie habe einem Wahlonkel gehört) habe "sehr gut etablierte Top-Level-Kontakte in die österreichische Industrie und zu Entscheidungsträgern". Genannt werden unter anderem beste Kontakte, quasi Funkverbindungen, ins Büro des Finanzministers (Grasser), ins Büro des Innenministers (Strasser) und in die Büros der Landeshauptleute.

Das Schreiben, erklärt Pilz, sei eine interne Rechtfertigung von Motorola-Mitarbeitern aus Europa an den Vorstand von Motorola in den USA, warum der Weltkonzern Geld an Valurex bzw. Mensdorff zahlen soll.

Außerdem wird in dem Schriftstück hervorgehoben, dass Valurex dem Unternehmen "aktives Feedback über die V orgänge im Projekt gegeben" habe. Heißt das, Motorola wurde von Mensdorff mit internen Informationen versorgt? Faktum ist jedenfalls, dass der Graf mit Projekt-Insidern gut bekannt war. Mensdorff behauptet aber nach wie vor, mit dem Tetron-Projekt nicht befasst gewesen zu sein.

Spannung

Ob das stimmt, sollte sich am Donnerstag im U-Ausschuss herausstellen. Denn mit Spannung erwartet wird, was die zwei Motorola-Mitarbeiter sagen, die mit Ulmer und Mensdorff in Kontakt gestanden sein sollen. Sie werden als Zeugen befragt. Ebenfalls Rede und Antwort stehen muss Christoph Ulmers Ex-Frau. Die PR-Dame soll für Motorola tätig gewesen sein. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Wie aus Adonis Tetron wurde

Das Projekt für den digitalen Blaulichtfunk wurde 2001 gestartet – und ist bis heute nur teilweise umgesetzt. Wie kam es dazu?

2001 Im Herbst schrieb das Innenministerium (BMI, Ressortleiter Ernst Strasser) den digitalen Blaulichtfunk (Projektname "Adonis") aus. Ziel war, ein einheitliches Funksystem für Polizei und alle anderen Blaulichtorganisationen. Das Auftragsvolumen betrug 1,2 Milliarden Euro.

2002 Im April erhielt das Konsortium Mastertalk (Siemens, Wiener Stadtwerke, Raiffeisen, Verbund) den Zuschlag für "Adonis".

2003 Mitte 2003 wurde das Projekt nach Streitigkeiten zwischen Mastertalk und dem BMI von beiden Seiten aufgekündigt. Das BMI sprach von technischen Mängeln.

2004 Das Blaulichtfunk-Projekt wurde neu ausgeschrieben. Im Juni wurde der Auftrag an das Tetron-Konsortium von Motorola, Alcatel in Kooperation mit der Telekom vergeben.

seit 2006 Wien und Tirol stellten auf den neuen Polizeifunk um. Es folgte der Ausbau in Niederösterreich. Im September 2006 kam es im Adonis-Streit zu einem Vergleich mit Mastertalk, der die Republik Österreich 29,9 Millionen Euro gekostet hat. 2011 wird im Zuge der Telekom-Affäre eine Zahlung von 1,1 Millionen Euro an Mensdorff-Pouilly bekannt. Auch Motorola und Alcatel sollen dem Lobbyisten Geld zukommen haben lassen. Mensdorff bestreitet, mit dem Tetron-Projekt befasst gewesen zu sein und weist alle Korruptionsvorwürfe zurück.

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