TV-Kritik: Sobotka bei Anne Will

TV-Kritik: Sobotka bei Anne Will
Den Wahlabend verbrachte Innenminister Wolfgang Sobotka bei einer Talkshow in Berlin.

Einmal musste die Wahl wiederholt werden, einmal verschoben. Beide Male aufgrund von Fehlern und Fehlleistungen, die im Verantwortungsbereich des obersten Wahlleiters der Republik lagen. Es waren noch nicht alle Urnen-Stimmen ausgezählt, am Abend der am härtesten umkämpften Wahl der jüngeren Geschichte, da setzte sich der oberste Wahlleiter also in ein Flugzeug und verließ das Land. Um an einer deutschen Talkshow teilzunehmen.

"So entspannt?"

Selbst Anne Will, die Moderatorin der gleichnamigen Show im ARD, wundert sich eingangs, warum Wolfgang Sobotka am Tag der Wahl bei ihr im beigen Studiosessel sitzt. „Wie konnten sie nach alldem, was vorgefallen ist, heute so entspannt zu uns nach Berlin kommen?“, fragte sie den Minister und war damit nicht alleine.

Sobotka antwortet so, wie er es schon in Österreich getan hat. „Bis 17 Uhr waren die Wahllokale offen und erst nachher bin ich gefahren. Da war noch alles in Ordnung. Morgen geht es weiter, da werden fast 700.000 Wahlkarten ausgezählt.“ Warum Anne Will so viel wichtiger ist als die Wahl, lässt er offen.

Aus welchen Motiven auch immer Sobotka nach Berlin reiste, hat es sich denn ausgezahlt?

"Kein Kandidat der ÖVP"

„Europa auf der Kippe - Welche Werte einen uns noch?“ lautete das Thema bei Anne Will. Zu Beginn gab sich Sobotka staatsmännisch gelassen. Nach seiner persönlichen Präferenz gefragt, Hofer oder Van der Bellen, referierte er aber lieber über das Wesen des Bundespräsidentenamts in Österreich. Auch auf Nachfrage quälte er sich um eine Antwort herum, bis er schließlich zu dem Schluss kam: „Es gab keinen Kandidaten der ÖVP, deshalb war es mir ein großes Anliegen, dass die Wahl gut über die Bühne geht.“

Sobotka hätte sagen können, dass er sich als Wahlleiter nicht öffentlich positionieren möchte und jeder hätte es verstanden. Genau damit kam ihm die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die ebenfalls eingeladen war, gleich darauf zu Hilfe,

Die Diskussion startete mit Österreich und Sobotka sah sich genötigt festzuhalten, dass nicht 48 Prozent der Österreich Nazis seien. „Ich glaube, Österreich ist eine ganz gereifte demokratische Landschaft“, sagte er.

Als die Gründe für die Unzufriedenheit führte er unter anderem an, dass sich Arbeit nicht mehr auszahle - in Österreich, aber auch in Europa. Es sei problematisch, sagte Sobotka, dass jemand, der nicht arbeitet, nur 300 Euro weniger verdient, als jemand, der arbeitet. „Das gilt auch für Österreicher." Er verwehrte sich auch dagegen, dass die Hälfte der Österreicher „unanständig“ seien. Seine Vorrednerin, die in Krems lehrende deutsche Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, hatte die FPÖ als unanständig bezeichnet.

Hausaufgaben nicht gemacht

Es ist Ursula von der Leyen, die nüchternen Erklärungen dafür zuliefert, warum die FPÖ schon auch Recht hat. „Wenn wir Europa nicht in die Lage versetzen, die Dinge umzusetzen, die man erwartet, dann muss man sich nicht wundern, dass die Sachen schiefgehen“, sagt Von der Leyen. „Den Euro haben wir eingeführt, wir haben davon profitiert, aber die Hausaufgaben nicht zu Ende gemacht. Oder Schengen, das hat uns riesige Vorteile gebracht, aber wir haben die Hausaufgaben nicht zu Ende gemacht. Dann konnte die Flüchtlingskrise so passieren.“ Die Außengrenzen seien in keiner Weise geschützt gewesen.

Die Frage, ob mehr oder weniger EU, spaltete dann das Plenum. Im Fall von Von der Leyen und Guérot hieß die Antwort "mehr" und "noch mehr". "Europa muss ganz neu gedacht werden", sagte Guérot. Der Welt-Journalist und ehemalige Österreich-Korrespondent Dirk Schümer hielt dagegen. "Sie wollen noch mehr Europa, die Überwindung des Nationalstaates. Das ist eine wundervolle Idee", sagte er. "Das ist wie zu sagen, das Auto ist mit 80 aus der Kurve geflogen, jetzt probieren wir es nochmal mit 130." Wo Sobotka in dieser Frage steht, ging nicht so klar hervor.

Alles nicht so wichtig

Sebastian Kurz hat den Trend begründet, als österreichischer Minister in deutschen Talk-Shows reüssieren zu wollen. Die Diskussion bei Anne Will zeigte aber, dass Sobotka bei europäischen Themen weit weniger zu sagen hat, als sein jüngerer Kollege. In der Runde vom Sonntag verstand es Ursula Von der Leyen teilweise sogar besser, die österreichische Position zu erklären als der Innenminister.

Die bezeichnendste Aussage über Österreich traf aber doch Sobotka selbst, und zwar nur durch seine Anwesenheit. Zwar hätte er ihn Wien wohl tatsächlich nichts zu tun gehabt. Trotzdem signalisierte er damit 3,3 Millionen deutschen Zuseheren, dass er das, was da in Österreich passierte, für nicht so wichtig hielt.

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