Telekom-Affäre: Schüssel geht, Misstrauen bleibt

Telekom-Affäre: Schüssel geht, Misstrauen bleibt
Nach 43 Jahren sagt Wolfgang Schüssel der Politik Adieu - er wolle die Aufklärung in der Telekom-Affäre erleichtern.

Wolfgang Schüssel ist sich im Abgang treu geblieben. Mit seiner Rückzugs-Ankündigung überraschte der Altkanzler ein letztes Mal Freund und Feind. Selbst Vertraute wussten nichts von seinen Absichten. Sein langjähriger Weggefährte Andreas Khol hatte bei einem Telefonat lediglich gemerkt, "dass Schüssel sehr nachdenklich ist".

Im Büro seiner einstigen Pressesprecherin Heidi Glück verkündete Schüssel am Montag, noch diese Woche sein Mandat als Nationalratsabgeordneter zurückzulegen - wegen der Telekom-Affäre, in die schon mehrere Minister aus seinen schwarz-blauen/orangen Regierungen verstrickt sind: "Ich will dazu beitragen, eine objektive, von jeder politischen Beeinflussung oder medialen Vorverurteilung unabhängige Aufklärung durch die Justiz zu erleichtern."

Als Schuldeingeständnis sei dies nicht zu werten: Er habe, soweit möglich, stets aufgepasst, dass alles sauber ist; und er habe ein reines Gewissen. Für das, was einzelne Minister hinter seinem Rücken oder nach ihrer Amtszeit getrieben haben mögen, könne er nicht die Verantwortung übernehmen.

Dass es sich um seinen wohl letzten öffentlichen Auftritt als Politiker handelt, merkte man Schüssel nicht an: Emotionslos und gewohnt schmallippig stand er eine halbe Stunde lang Rede und Antwort. Den vielen Fragen zu den Skandalen seiner Kanzler-Zeit wich er elegant aus - um dann in epischer Länge schwarz-blaue Erfolge zu bilanzieren.

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43 Jahre war Schüssel in der Politik (32 Jahre im Hohen Haus, 18 in der Regierung), daher rührt auch seine Politiker-Pension von rund 11.000 Euro im Monat. Ein Mandat außerhalb der Politik hat der 66-Jährige noch immer: Er ist Aufsichtsrat des deutschen Energiekonzern RWE.

Andreas Khol, Schüssels Klubchef unter Schwarz-Blau, hat "in den 12 Uhr-Nachrichten von seinem Rücktritt erfahren. Es hat mich getroffen; ich hätte mir auch andere Umstände gewünscht", sagte Khol dem KURIER. "Dass er geht, um eine vorbehaltlose Untersuchung zu erleichtern, ist ein edles Motiv." Abgesehen davon habe Schüssel wieder einmal "etwas getan, was keiner von ihm erwartet hat. Die österreichische Rücktrittskultur ist ja unterentwickelt.

Was für ÖVP-Chef Michael Spindelegger ein "konsequenter Schritt" ist, qualifiziert die FPÖ als "indirektes Schuldeingeständnis" des Ex-Kanzlers. Das BZÖ fragt sich, warum dieser so blitzartig die Polit-Karriere beendet. Längst überfällig war Schüssels Abgang hingegen für Eva Glawischnig. "Die politische Verantwortung für Schwarz-Blau kann er aber nicht zurücklegen", sagte die Grünen-Chefin dem KURIER.

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SPÖ-Klubchef Josef Cap spricht von einer "persönlichen Entscheidung, entstanden aus der Logik der Diskussion der vergangenen Wochen". Und er verweist auf Schüssels Kanzlerschaft unter Schwarz-Blau, "wo es eine lange Liste von Regierungsmitgliedern gibt, die jetzt Gegenstand von Ermittlungen der Justiz sind - in einem äußerst umfangreichen Ausmaß. So gesehen hat er auch dafür die Konsequenzen gezogen." Wobei SPÖ-Geschäftsführer Günther Kräuter davon ausgeht, Schüssel bald wiederzusehen - in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss: "Die endgültige Beurteilung der Integrität Schüssels wird maßgeblich von den Erkenntnissen der Untersuchung der politischen Verantwortung für Skandale von Eurofighter über BUWOG bis Telekom abhängen."

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