Hans Niessl: Es geht nicht um Faymann

Landeshauptmann Hans Niessl und Bundesparteiobmann Werner Faymann
Burgenlands Landeshauptmann möchte lieber über Positionen der Sozialdemokratie diskutieren.

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"Es geht nicht darum, ob Werner Faymann den Tag übersteht, sondern um die Zukunft der Sozialdemokratie", sagt Hans Niessl im Ö1-"Morgenjournal". Burgenlands Landeshauptmann möchte beim heutigen Sitzungsmarathon der SPÖ über Positionen diskutieren und nicht über Personen. Seine Partei müsse sich mit den wichtigen Themen beschäftigen wie etwa steigende Arbeitslosigkeit. "Immer mehr Menschen fühlen sich als Absteiger, als Verlierer der Globalisierung", sagt Niessl.

Umso wichtiger sei es, dass die SPÖ geschlossen jene Positionen vertritt, die in der Bevölkerung mehrheitsfähig sind. Wenn das nicht der Fall sei und man jede Woche andere Meinungen zu bestimmten Themen hat, dann würde das in erster Linie der Sozialdemokratie schaden, erkärt der burgenländische SP-Landeschef.

Ablöse von Werner Faymann

Wie berichtet, treffen einander die Landesobleute um 12 Uhr, danach geht es zu einem Mittagessen mit Bundespräsident Heinz Fischer und Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) in die Hofburg. Für 16 Uhr ist schließlich der Bundesparteivorstand anberaumt, wo bereits über das Schicksal Faymanns entschieden werden könnte.

In den vergangenen Tagen gab es einen öffentlichen Schlagabtausch um die Parteispitze. Während die roten Regierungsmitglieder Faymann den Rücken stärkten, gab es vonseiten der Gewerkschaft Stimmen gegen den Bundeskanzler.

Hans Niessl: Es geht nicht um Faymann
ABD0020_20160509 - WIEN - ÖSTERREICH: Josef Muchitsch am Weg zu einer Sitzung des FSG-Präsidiums am Montag, 9. Mai 2016, in Wien. - FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER

So appellierte der steirische Gewerkschafter Josef Muchitsch (Bild) in einem offenen Brief an den Kanzler: "Es ist Zeit, dass Werner Faymann los lässt." Dafür hat er viel Zustimmung geerntet, sagte er vor ein paar Tagen zum KURIER: "Die Basis jubelt und die Spitze schweigt." Aber: "Faymann hat es sich verdient, dass es eine geordnete Übergabe gibt. Wenn die erst im Herbst ist, weil davor die inhaltliche Neuausrichtung und die Mitgliederbefragung stattfindet, kann ich damit leben."

Hans Niessl hingegen findet, dass sich die Situation der Partei nicht verbessert, wenn eine Person ausgewechselt wird - "siehe ÖVP". Man müsse klar sagen, wofür die Sozialdemokratie steht, wiederholt der Landeshauptmann, der auch weiterhin für den ursprünglichen Parteitag in November plädiert. Eine Vorverschiebung - wie von einigen SPÖ-Mitgliedern gewünscht - sei aufgrund der Zeit qualitativ nicht sinnvoll. "Man muss sich gut darauf vorbereiten", sagt er.

Koalition mit Freiheitlichen?

Auf die Frage, wie die SPÖ künftig mit den Freiheitlichen umgehen soll, antwortet Niessl: "Wenn wir generell die FPÖ ausschließen, dann nutzt das der ÖVP. In der ÖVP gibt es wesentliche Teile, die mit der FPÖ koalieren wollen." Mit Verweis auf die Aussage vom roten Altkanzler Franz Vranitzky sagt der Landeshauptmann, dass man die Doktrin "Keine Koalition mit den Blauen" überdenken müsse.

Hans Niessl: Es geht nicht um Faymann
Peter Kaiser, Landeshauptmann von Kärnten

Bereits am Sonntag hatte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer einen Kompromiss im Umgang seiner Partei mit der FPÖ angedeutet. "Es könnte in die Richtung gehen: Einerseits entscheiden die verschiedenen Ebenen - Gemeinden, Länder - für sich, ob eine Zusammenarbeit sinnvoll ist." So sieht es auch Kärntens SPÖ-Chef Peter Kaiser (Bild). Die Frage, ob man auf Bundesebene eine Koalition mit der FPÖ kategorisch ausschließen solle, sei falsch. Der Kärntner Landeshauptmann kann sich vorstellen, Kriterien für Koalitionsverhandlungen mit den Blauen festzulegen.

Sozialistische Jugend fordert linken Gegenkandidaten

Prominente Vertreter der Sozialistischen Jugend haben indes eine Initiative gestartet, Faymann beim kommenden Parteitag mit einem linken Gegenkandidaten zu stürzen. Explizit wird in einer Resolution auch ein "Manager" als Alternative zum gegenwärtigen Vorsitzenden abgelehnt.

Mit Faymann und seinem Team gehen die SJ-Landesvorsitzenden von Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg sowie weitere Vertreter der Sozialistischen Jugend hart ins Gericht: "Zu sehr sind ihre Interessen offensichtlich mit dem Interesse der SteuerhinterzieherInnen, Banken und Reichen verknüpft. Ihr eigener Machterhalt in diesem korrupten System ist ihnen wichtiger als jeder politische Grundsatz." Inhaltlich fordert die Gruppe unter anderem eine Millionärssteuer sowie eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Koalitionen mit FPÖ und ÖVP werden ebenso explizit abgelehnt wie die "rassistischen" Asylgesetze, die zuletzt beschlossen wurden.

Pro-Faymann-Account

Auf Twitter und Facebook haben sich indes Werner Faymann-Befürworter organisiert. Nach eigenen Angaben handelt es sich um keinen Satire-Account. "Werner Faymann soll Bundeskanzler bleiben - das sehen sehr viele Menschen so! Weil Gerechtigkeit kein Nachteil sein darf!", heißt es in der Beschreibung.

https://twitter.com/Werner_bleib_BK/status/729357112988536833
Für Werner Faymann! (@Werner_bleib_BK

Den Anfang machen in aller Früh die roten Gewerkschafter.

Gegen Mittag finden sich die SPÖ-Ländrechefs bei Werner Faymann im Kanleramt ein, um 13 Uhr gehen sie über den Ballhausplatz zum Mittagessen zu Bundespräsident Heinz Fischer. Um 16 Uhr schließlich tritt der 70-köpfige Parteivorstand zusammen.

Bei allen drei Gelegenheiten geht es um eine etwaige Faymann-Ablöse und um das derzeit geltende Koalitionstabu mit der FPÖ.

Die rechte Hand von Kanzler Werner Faymann, Josef Ostermayer, ist sich sicher, was das Ergebnis des heutigen Sitzungs-Marathons sein wird: Faymann wird SPÖ-Chef und Kanzler bleiben, der Bundesparteitag wird nicht auf vor den Sommer vorgezogen. Zudem werde die Linie der SPÖ gegenüber der FPÖ insofern geändert, als das geltende Koalitions-Tabu für Gemeinden und Bundesländer aufgehoben wird, auf Bundesebene aber bleiben soll.

Außerdem soll Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl seinen Willen bekommen, indem die SPÖ-Mitglieder in einer Urabstimmung über die SPÖ-Haltung zur FPÖ befinden.

Von diesem Plan hält Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser gar nichts. "Eine Ja- oder Nein-Abstimmung zur FPÖ schürt die Polarisierung und könnte zu einer Parteispaltung führen", warnt Kaiser im Gespräch mit dem KURIER. Der Landeshauptmann schlägt eine pragmatische Lösung vor:

1. Inhalt Die SPÖ solle Kriterien definieren, die alle potenziellen Koalitionspartner erfüllen müssen, nicht nur die FPÖ. Beispiel: Wie ist die Haltung zu Europa? Wie in bestimmten Verfassungsfragen? Kaiser: "Das müssen klare Bedingungen sein."

2. Vorgangsweise Auf der jeweiligen Ebene, auf der eine Koalitionsentscheidung mit der FPÖ ansteht, soll eine breitere Entscheidungsfindung stattfinden als ein üblicher Parteivorstandsbeschluss (etwa Mitgliederbefragung, Parteirat). Diese Vorgangsweise könnte dann für Gemeinden, Länder und sogar den Bund gelten. Insofern ist Kaisers Vorschlag weiter gehend als jener Faymanns, indem unter zu definierenden Bedingungen auch das Tabu auf Bundesebene fallen könnte.

Von einer allgemeinen Mitgliederbefragung, deren Ergebnis dann nur durch eine neue allgemeine Mitgliederbefragung änderbar wäre, hält Kaiser nichts: "Was ist, wenn sich die FPÖ in zwei Jahren ändert? Ein Votum aus dem September 2016 bindet spätere SPÖ-Politiker an Entscheidungen, die in ganz anderen Situationen zustande gekommen sind."

Wiens SPÖ-Geschäftsführer Georg Niedermühlbichler ist ebenfalls der Ansicht, dass das derzeit gültige allgemeine Koalitionstabu mit der FPÖ nicht bestehen bleiben kann, weil es ohnehin nicht eingehalten wird (Rot-Blau im Burgenland). Niedermühlbichler warnt aber davor, dass die SPÖ der FPÖ inhaltlich nachläuft. "Wenn die Linie der SPÖ gegenüber der FPÖ verschwommen ist, wählen die Leute die FPÖ, nicht die SPÖ. Sie gehen zum Schmied, nicht zum Schmiedl."

"Keine Prognose" bei Personaldebatte

Nicht nur in Hinblick auf die FPÖ, sondern auch bei der Personalfrage sind sich die SPÖ-Granden offenkundig weiterhin nicht einig.

Auf die Frage, ob der von Ostermayer genannte Kompromiss ("Faymann bleibt, Parteitag bleibt, Linie gegenüber der FPÖ wird aufgemacht") bereits fix sei, sagt Niedermühlbichler: "Mir ist davon nichts bekannt. Ich kann nicht einschätzen, was am Montag wirklich herauskommen wird."

Peter Kaiser sagt, er schließe nicht aus, dass der von Ostermayer genannte Kompromiss heute das Ergebnis sein wird. Andererseits sei "die Sache schon viel zu weit gediehen, als dass ich eine Prognose abgeben kann, wie das ausgeht".

Wenn sogar führende Funktionäre der SPÖ öffentlich zugeben, sie wüssten nicht, was heute passieren wird, ist Hochspannung garantiert.

Zu Mittag ist High Noon im Kanzleramt. Laut SPÖ-Wien findet dieses Treffen auf Initiative von Bürgermeister Michael Häupl statt. Die Idee soll sein: Die neun Landesvorsitzenden sollen Faymann in die Augen schauen und offen ins Gesicht sagen, welche Stimmung in ihren Parteien und an ihrer Basis herrscht. Wie der KURIER erfuhr, hat sich Burgenlands Hans Niessl entschuldigt, er habe im Land eigene, schon längst einberufene Sitzungen. Niessl will erst um 13 Uhr dazustoßen, wenn die SPÖ-Chefs über den Ballhausplatz zu Bundespräsident Heinz Fischer zum Mittagessen gehen.

Um 16 Uhr beginnt der Bundesparteivorstand. Er muss über den Termin für den nächsten Bundesparteitag befinden. Eine Vorverlegung gilt als gleichbedeutend mit einer Faymann-Ablöse, eine Beibehaltung des November-Termin gilt als Bestätigung Faymanns als Obmann und Kanzler

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