Streit mit SP verfolgt Mitterlehner bis Malta

Reinhold Mitterlehner und Christian Kern.
ÖVP-Chef lobbyiert für Kern-Brief, den er nicht einmal mit-textete.

Alle zwei Jahre treffen sich Europas Volksparteien zu einem Kongress. Diesmal findet er – Mittwoch und Donnerstag dieser Woche – in Malta, dem aktuellen EU-Vorsitzland, statt. Österreichs Volkspartei ist hochrangig vertreten: Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, Außenminister Sebastian Kurz und Generalsekretär Werner Amon reisen aus Wien an, in Malta stoßen die EU-Politiker Othmar Karas und Johannes Hahn dazu.

Mit im Gepäck hat der Vizekanzler diesmal jede Menge Zores aus der Koalitionsregierung in Wien. Kanzler Christian Kern hat bekanntlich am Dienstag einen Brief an EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker geschrieben. Inhalt: Österreich wolle aus dem EU-"Relocation"-Programm mit der Begrüdung aussteigen, das Land sei bereits unverhältnismäßig mit der Aufnahme von Flüchtlingen belastet.

Brief im Alleingang

Diesen Brief textete der Kanzler im Alleingang, ohne Mitterlehner, Außenminister oder EU-Botschafter einzubeziehen. Mitterlehner erhielt den Brief zeitgleich mit Medien. Dennoch bleibt der Vizekanzler gelassen und setzt sich in Malta im Gespräch mit Juncker für das Kern-Anliegen ein.

Viel halten die ÖVP-Spitzen allerdings nicht von der Kern-Aktion. Worum geht es? Österreich hat – noch unter Kanzler Werner Faymann – auf die Einführung einer Flüchtlingsaufteilung in Europa (= Relocation) gedrängt. Vereinbart war, dass Österreich zwischen September 2015 und März 2017 1948 Flüchtlinge nimmt, das wären 70 Prozent der zugeteilten Quote. Für weitere 30 Prozent wurde ein Aufschub gewährt.

Null Flüchtlinge

Österreich hat bis heute genau Null Flüchtlinge aus dieser Verpflichtung heraus aufgenommen, weder aus den 70 noch aus den 30 Prozent.

Gemeinsam mit Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei rangiert Österreich diesbezüglich auf den letzten vier Plätzen in der EU. Kanzler Kern hatte vor zwei Wochen in einem Interview in Die Welt noch gedroht, den Ostländern EU-Förderung zu streichen, wenn sie sich nicht an die Relocation-Vereinbarungen halten. Dem Vernehmen nach ist jetzt von ungarischer Seite die süffisante Frage an die österreichische Regierung gekommen, ob die Sanktionsdrohung des Kanzlers nun auch für das eigene Land gelte?

Eine weitere Komplikation tut sich mit Italien auf. Österreich schickt im sogenannten Dublin-Verfahren jährlich Tausende Flüchtlinge nach Italien zurück, weil diese in Italien erstmals EU-Boden betreten haben (so lautet die Dublin-Regel). Wenn sich nun aber Österreich weigert, seinen Relocation-Verpflichtungen nachzukommen, könnte sich Italien weigern, Dublin-Fälle zurück zu nehmen. Ausgangspunkt des Konflikts in der Regierung war ja, dass Innenminister Wolfgang Sobotka dem italischen Innenminister zugesagt hatte, Italien 50 Minderjährige abzunehmen. Dagegen hatte sich SPÖ-Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil quer gelegt.

Weil aber die ÖVP im Populismuswettlauf munter mitmacht, betreibt sie jetzt gemeinsam mit Kern den Ausstieg aus dem Relocation-Programm, obwohl sie das für rechtlich schwer möglich und politisch "peinlich" hält.

Thema auf dem EVP-Kongress war auch der Brexit anlässlich der Unterzeichnung des Austrittsgesuchs durch die britische Premierministerin Theresa May. Der Fraktionschef der EVP im EU-Parlament, Manfred Weber, bezeichnet den Brexit als "historischen Fehler". Als Parteienfamilie ist die EVP vom Brexit nichtbetroffen, denn die britischen Torys waren nicht EVP-Mitglied.

Reform nach Brexit

Die Volksparteien beraten in Malta, welchen Reformweg sie einschlagen sollen, um die EU wieder zu festigen. Mitterlehner ist überzeugt, dass der Weg der ÖVP – die EU in großen Fragen wie Migration, Grenzschutz und Sicherheit zu stärken, aber kleine Fragen an die Nationalstaaten zurück zu verlagern – mehrheitsfähig ist.

Die ÖVP-Resolution, wonach an der EU-Außengrenze Asylzentren einzurichten seien, von wo aus die Flüchtenden entweder aufgenommen oder heim gebracht werden, wurde beschlossen.

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