Strache: "Wir werden den Dialog suchen"

Heinz-Christian Strache
FPÖ-Chef Strache will die Geschichte des dritten Lagers aufarbeiten. Und mit jüdischen Vertretern reden.

KURIER: Herr Vizekanzler, "Schluss mit Antisemitismus" sagten Sie ausgerechnet am umstrittenen Ball der Burschenschaften...

Strache: Der Ball ist eine Veranstaltung der FPÖ und es gibt hier keinen Platz für Antisemiten. Wir tragen für die Opfer des Holocaust eine besondere Verantwortung.

Sie haben einmal bei Protesten gegen den Ball gesagt, das erinnere an die Verfolgung der Juden. War das passend?

In der verkürzten Form ist das nicht passend, im Vorfeld des Balles hat man erleben müssen, wie Besucher, auch Damen bespuckt und körperlich attackiert wurden

Das hat aber mit dem Holocaust nichts zu tun.

Nein, absolut nicht. Das ist ja genau der Punkt. Hier wurde was impliziert, was überhaupt nicht in irgendeiner Art und Weise vergleichend zum Ausdruck gebracht wurde.

Sie wollen eine Historikerkommission einsetzen, da kann ich helfen. Der Abgeordnete Wolfgang Zanger sah einmal "gute Seiten am Nationalsozialismus". Den könnten Sie gleich aus der FPÖ ausschließen.

Ich werde jetzt dafür Sorge tragen, dass sich das dritte Lager einer historischen Aufarbeitung der Vergangenheit widmet. Wir brauchen dafür eine Historikerkommission, die sich schonungslos mit den Fehlern der eigenen Vergangenheit auseinander setzt.

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Herr Bors, der FPÖ-Chef in Tulln ist, wurde beim Hitlergruß erwischt, der Hohenemser Bürgermeister, Dieter Egger, nannte den Chef des Jüdischen Museums als "Exil-Juden".

Da bitte ich schon um Redlichkeit, dass man auch in solchen Fällen objektiv und redlich an die Aufarbeitung herangeht. Dieter Egger hat ja wiederholt klargestellt, dass das in keiner Art und Weise antisemitisch gemeint war.

Die Vertreter der jüdischen Gemeinde haben beim Gedenken am Donnerstag nicht teilgenommen und werden auch weiter nicht mit FPÖ-Politikern reden.

Ich finde es natürlich bedauerlich, dass diese Entscheidung von der offiziellen Vertretung der IKG so getroffen wurde. Ich bin seit Jahren zu den Gedenkveranstaltungen des Parlaments zugegen, weil es mir mit der Verantwortung für die Gegenwart eine Herzensangelegenheit ist. Mein Wunsch ist, dass wir wirklich alle gemeinsam gegen jegliche Form des Antisemitismus auftreten.

Die israelische Botschafterin spricht nicht mit Ihnen.

Das ist selbstverständlich zu respektieren, auch wenn es natürlich sehr schade ist. Es muss ein weiteres Aufeinander-Zugehen geben. Wir haben mit Antisemitismus, Nationalsozialismus, Extremismus nichts zu schaffen. Wir werden den Dialog suchen.

Werden die Burschenschafter in den Ministerien überprüft?

Es handelt sich um Akademiker und rechtschaffene Staatsbürger, die in ihren beruflichen Strukturen Großartiges leisten und sich auch nichts zuschulden haben kommen lassen. Dort, wo sich jemand falsch verhalten hat – die rote Linie überspringt –, wurden innerhalb der Partei die nachhaltigen Konsequenzen gezogen.

Ist die Rote Linie nur das Strafrecht oder der Anstand?

Die Fragestellung an sich ist nicht korrekt. Es geht um eine klare inhaltliche Positionierung. Anstand hat hoffentlich jeder zu genüge, um zu erkennen, was richtig und falsch ist.

Herr Landbauer soll in die nö. Landesregierung einziehen?

Er hat sich nachweislich nichts zuschulden kommen lassen. Diese widerlichen antisemitischen Liedertexte sind vor 20 Jahren erstellt worden. Er kannte sie nicht.

Sie waren ja eng mit Norbert Burger, den man als Neo-Nazi bezeichnen kann. Was konnte einen jungen Menschen an ihm oder am Wehrsport faszinieren?

Grundsätzlich ist die Fragestellung nicht korrekt, aber das national-freiheitliche Lager ist aus dem historischen Bewusstsein entstanden, dass wir in einem deutschen Kultur- und Sprachraum leben und auch eine gemeinsame Geschichte haben. Nationalliberal zu denken, hat nichts mit dem Nationalsozialismus und schon gar nicht dem abzulehnenden Antisemitismus zu tun. Das alleine zu vermengen, ist ein Wahnsinn. Wird aber gerne so pauschalisiert. Für die Anspielung mit dem Wehrsport kann ich nur auf meine frühere klare Distanzierung verweisen.

Aber Burger hatte Sympathien für den Nationalsozialismus.Ich war mit seiner Tochter jahrelang liiert und hatte natürlich in dieser Verbindung auch familiären Kontakt und habe ihn als Menschen kennen gelernt. Und ich maße mir auch nicht an, ihn zu beurteilen. Damals wie heute.

Welche Bedeutung soll das deutsche Volkstum noch haben?

Wir sind als Freiheitliche Partei aufrichtige österreichische Patrioten, in dem Bewusstsein, dass wir natürlich eine gemeinsame Geschichte im deutschen Sprach- und Kulturraum haben. Die 1848er-Revolution, wo Studenten, Arbeiter und Bürger gemeinsam für Freiheit und Grundrechte gekämpft haben, die auch Eingang in die österreichische Verfassung gefunden haben. Das muss man aus der Historie heraus verstehen. Und daran ist nichts Verwerfliches.

Das Interview wurde am Freitagnachmittag geführt. Der KURIER bat am Samstag um eine Stellungnahme zur Rücktrittsaufforderung von Alexander Van der Bellen in der Causa Landbauer. Der FPÖ-Chef verweigerte, dazu ein Statement abzugeben.

Bundespräsident fordert Landbauers Rücktritt

"Jetzt erst recht" will die NÖ-FPÖ die Wahlen gewinnen. Weil Herr Landbauer weder mitgesungen hat noch mitbekommen haben will, dass Antisemiten und Neo-Nazi-Lieder zu seiner Burschenschaft gehörten. Werden wir ins Jahr 1986 zurück gebeamt? Damals wollte Kurt Waldheim nicht verstehen, dass es nicht um persönliche Schuld ging, sondern um das Verantwortungsbewusstsein einer Generation. Waldheims "Jetzt erst recht" war erfolgreich. Landbauer beweist, dass er aus der Vergangenheit nichts gelernt hat.

Wir schreiben 2018, und wieder taucht Antisemitismus in einem Wahlkampf auf, während das Erinnern an die Verbrechen der Nazis, auch der Österreicher unter den Nazis, noch immer schwierig ist. Dabei ist es noch wichtiger geworden, da immer weniger Menschen von ihrem Schicksal, von Verfolgung und Konzentrationslagern erzählen können. Aber warum grassiert der Antisemitismus noch immer? Weil er zu oft einfach akzeptiert wurde oder gar erfolgreich war.

Vor den Vorarlberg-Wahlen 2009 hat FPÖ-Chef Dieter Egger den Leiter des Jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, als "Exil-Juden aus Amerika" beschimpft. ÖVP-Landeshauptmann Herbert Sausgruber verlangte eine Entschuldigung, die FPÖ verweigerte diese, also ließ er die Koalition mit der FPÖ platzen. Sausgruber gewann anschließend die absolute Mehrheit, aber die FPÖ legte noch viel deutlicher zu. Die Wähler bestraften Antisemitismus nicht, die FPÖ fühlte sich bestätigt.

Antisemiten in der FPÖ

Auch in der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft tauchten grauenhafte "Witze" über Juden auf, aber meistens ist es die FPÖ, die auffällt. "Im Nationalsozialismus gab es auch Gutes", sagt der eine Abgeordnete (Wolfgang Zanger), über "die Zocker von der Ostküste" redet der andere (Harald Vilimsky), ein Foto mit Hitlergruß hält den Tullner FPÖ Chef Andreas Bors gerade noch davon ab, in den Bundesrat einzuziehen. Nur ein kleiner Auszug von Vorfällen. In Deutschland wäre keiner dieser Politiker noch im Amt. Die FPÖ hat nur die schlimmsten Rechtsextremisten ausgeschlossen.

Nun will FPÖ-Chef Heinz Christian Strache mittels einer Historikerkommission die Geschichte des 3. Lagers aufarbeiten. Das ist jene politsche Gemeinschaft, die sich auf die Freiheitsbewegungen nach den napoleonischen Kriegen bezieht, auf das Hambacher Fest des Jahres 1832, als Studenten und Bildungsbürger für Freiheit und nationale Einheit auftraten. Und im Parteiprogramm erinnert die FPÖ an die bürgerliche Revolution von 1848 – und legt ihre Zugehörigkeit zur deutschen Volksgemeinschaft fest. Die Burschenschaften sind sowieso Schwarz-rot-gold, wie die Bundesrepublik, nur dass sie bei uns auch die erste Strophe des Deutschlandliedes in ihren Liederbüchern haben, die in Deutschland selbst gar nicht mehr gesungen wird: "Deutschland, Deutschland über alles."

Die beste Historikerkommission kann nicht klären, was eine politische Antwort braucht: Warum wollen Österreicher deutsch sein, warum sollen die Südtiroler, also diejenigen, die als Deutsche anerkannt werden, unseren Pass bekommen?

Weil es um das Völkische geht, um die Abgrenzung des deutschen Volks zu den anderen, mit dem offensichtlichen Hintergedanken, alle Deutschen wieder in einem Staat zu vereinen. Gäbe es diese alte Idee nicht, könnte man die europäische Einheit als Weiterentwicklung unseres Kontinents verstehen. Aber genau das wollen sie nicht, sie sehen den Nationalstaat als bestmögliche Form des Zusammenlebens, obwohl dieser nur kurzfristig die Freiheit gebracht hat. Nationalismus endet letztlich immer in der Abwertung der anderen.

Das Ende der Freiheit

Die FPÖ muss sich auch fragen lassen, wie ernst sie es mit der Freiheit meint. Die Visegrád Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn verstehen sich in unterschiedlicher Form geradezu als Gegenmodell zum liberalen Rechtsstaat, wie die EU ihn sieht. Wer die Rechtsstaatlichkeit untergräbt, autoritär regieren will und Medien verfolgt, hat weder die Vergangenheit Europas, noch die Zukunft der EU verstanden. Die FPÖ aber will uns zu Visegrád bringen. Dabei sind unsere Interessen schon als EU-Nettozahler ganz andere. Wir haben die Menschenrechtskonvention in der Verfassung und müssten darauf drängen, dass das auch andere Staaten tun.

Ist die FPÖ regierungsfähig? Das wird davon abhängen, ob noch mehr brauner Schmutz in Burschenbuden gefunden wird, ob Strache damit leben kann, dass er Wähler am rechten Rand verlieren muss, und daran, ob aus dem Lippenbekenntnis zu Europa auch ein Bekenntnis zu echter Freiheit wird und zur Ablehnung des völkischen Nationalismus.

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