Steuerwettlauf um die Wähler-Gunst: Experten überaus skeptisch

Österreich ist ein Hochsteuerland. In der EU haben nur Frankreich, Dänemark und Belgien eine höhere Steuer- und Abgabenquote als Österreich (2016: 43,4 Prozent).
Wenig verwunderlich also, dass so gut wie alle Politiker – mit Ausnahme der Grünen – seit Jahr und Tag eine Senkung dieser Quote auf zumindest den EU-Durchschnitt von 40 Prozent versprechen. Oder zumindest in diese Richtung.
Wie schwierig das Unterfangen ist, illustriert die aufgeflammte Debatte über die ersten Ansagen von ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Er will die Steuerlast um 12 bis 14 Milliarden Euro senken und so die 40 Prozent in der nächsten Legislaturperiode erreichen. Der Jung-Politiker will dazu bei den Förderungen, in der Bürokratie und vor allem bei Sozialleistungen für Ausländer sparen. Letzteres ist möglicherweise sehr populär, bringt aber maximal Millionen und sicher keine Milliarden. Der Abbau von Bürokratie und Förderungen ist ebenso ein Dauerbrenner, aber noch keine Regierung hat hier trotz zahlreicher Anläufe Substanzielles in kürzerer Zeit bewegt.
So bleiben die Experten überaus skeptisch, ob der Kurz-Plan aufgehen kann. Oppositionelle wie Bruno Rossmann von den Grünen prophezeien ob der gigantischen Summe schon massive Einschnitte bei Gesundheit und Pensionen. Rossmann: "Es darf keine Steuergeschenke auf Kosten der untersten Einkommen geben."
Und typisch für die Wahlkampfstimmung erinnert SPÖ-Minister Jörg Leichtfried sofort an die Ära Schüssel: "Wir haben im Sozialbereich ja erlebt, wie Schwarz-Blau reduziert hat."
Freilich hat auch Kanzler Christian Kern in seinem "Plan A" große Versprechen abgegeben. 8,5 Milliarden sind es beim SPÖ-Chef: 5,5 für Mehrausgaben z.B. in Bildung und Forschung sowie drei Milliarden für Steuersenkungen. Zumindest von den Summer her klingt der rote Plan zunächst etwas realistischer. Wobei auch hier zur Gegenfinanzierung vier Milliarden Euro durch Einsparungen in der Verwaltung hereinkommen sollen – und nicht klar wird, wie das gelingen könnte.
Neu und gleichfalls vage ist freilich die Ansage von Kurz. Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller gibt sich vorsichtig: "Ich will keine Vorschläge kommentieren, die noch nicht konkret auf dem Tisch liegen. Strukturverbesserungen im Steuersystem sind immer wünschenswert, gleichzeitig wäre es wünschenswert, bei der Steuer- und Abgabenquote herunter zu kommen."
Auch Agenda Austria-Chef Franz Schellhorn ist skeptisch: Die Gegenfinanzierung würde Jahre dauern und mehr Maßnahmen erfordern als angeführt. Zum Vergleich: Die Steuerreform 2016 hatte ein Volumen von 5,2 Milliarden Euro und wurde von Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, die sie 2015 ausverhandelten, als die "größte Entlastung der Zweiten Republik" gefeiert. Kurz will die Steuerzahler mehr als doppelt so stark entlasten.
IHS-Chef Martin Kocher spricht daher von einer "Mammutaufgabe", ein "Plan für 10 Jahre und nicht eine Legislaturperiode". Kocher: "Viele Reformen kosten ja am Anfang Geld. Außerdem darf man das Budgetdefizit nicht aus den Augen verlieren. Mit etwas kleineren und realistischeren Zielen ist man also eventuell besser aufgehoben."
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