WIFO-Chef beklagt Gebühren-Explosion

Karl Aiginger: "Da darf man sich nicht wundern, dass vom Lohn-Zuwachs nichts übrig bleibt."
Der Vergleich zu Deutschland zeigt: In Österreich steigen die Gebühren für Wasser, Müllabfuhr dramatisch.

Trotz aller Budgetprobleme – etwa durch die drohende Milliarden-Nachzahlung bei den Beamten – müsse die Steuerreform kommen, sagt WIFO-Chef Karl Aiginger im KURIER-Interview. Alles andere wäre eine "Konkurserklärung". Und: "Das wäre das Gefährlichste, wenn die Regierung erklären müsste: ‘Wir haben kein Geld für die Entlastung und keine Kraft für Reformen’."

Der Handlungsbedarf steige, die Stimmung in der Wirtschaft sei gekippt. Denn: Das Wachstum fällt 2015 hinter den Durchschnitt der Eurozone zurück, die Inflation ist überdurchschnittlich hoch. Schuld an der Entwicklung ist freilich auch die öffentliche Hand.

Im Deutschland-Vergleich (2005 bis 2013) zeige sich: Für die Müllabfuhr zahlen Bundesbürger heute um vier Prozent mehr, Österreicher um 33 Prozent. Beim Abwasser: plus elf Prozent in Deutschland, plus 30 Prozent in Österreich. Über alle Gebühren liegt der Kostenanstieg bei elf Prozent im deutschen Durchschnitt und bei stolzen 21 Prozent hierzulande. Aiginger: "Da darf man sich nicht wundern, dass bei uns die Inflation deutlich höher ist und vom Lohnzuwachs nichts über bleibt."

Kompromiss-Suche

In der Debatte, welche Alternative es zu einer Vermögens- und Erbschaftssteuer gibt, wie sie die SPÖ will und die ÖVP ablehnt, macht Aiginger neue Vorschläge:

Grundsteuer

Er schlägt eine moderate Erhöhung für normale Wohnungen und Grundstücke vor und eine "sehr große" Anhebung für Zweitwohnungen, Zweithäuser sowie unbewohnte Immobilien.

Ökosteuern

Aiginger beklagt, dass Umweltsteuern in der Debatte keine Rolle spielen, obwohl Österreich die Klima-Ziele verfehlt. Sinnvoll wären die Streichung der Diesel-Begünstigung, die Ökologisierung der Pendler-Pauschale oder eine Dienstwagen-Förderung, die streng mit dem CO2-Ausstoß verknüpft wird. "Hier ist viel Spielraum vorhanden, die Umweltsteuern sind unter dem Niveau des Jahres 2000."

Tabaksteuer

Eine Erhöhung brächte Zweierlei: Mehreinnahmen im Budget, Minderausgaben für Gesundheit.

Kassenbeiträge

Aiginger will statt einer Negativsteuer (SP-Modell) die Sozialversicherungsbeiträge für jene senken, die so wenig verdienen, dass sie keine Steuern zahlen (rund 2,8 Millionen Österreicher). Diese Gruppe würde ansonsten gar nicht entlastet. Geringere SV-Beiträge hätten "den stärksten Beschäftigungs- und Wachstumseffekt." Nachteil: Auf diese Weise kostet die Steuerreform nicht fünf, sondern acht Milliarden Euro.

Aber auch dafür hat der Experte eine Lösung parat: Den zu erwartenden Einnahmen-Entfall in der Sozialversicherung könnte der Staat aus dem allgemeinen Steuertopf ausgleichen. Freilich nur nach Maßgabe der Reformbereitschaft in den jeweiligen Kassen – und sich so viel Geld ersparen.

Überhaupt müsse die Regierung parallel zur Steuerreform endlich auch die Verwaltungsreform angehen. Sonst schrumpfe die erzielbare Entlastungswirkung gegen null. Auch weil die "Verlierer laut und die Gewinner immer leise" sind.

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