Milliarden-Suche in leerer Kasse eröffnet

Bisher sind nur kleine Reformen und Beträge außer Streit gestellt worden, mehrere Milliarden fehlen noch zur Finanzierung der Steuerreform
Heute starten die Polit-Verhandlungen. Tiefe Gräben zwischen SPÖ und ÖVP.

Spätestens seit dem Wahlkampf 2013 wird über die Notwendigkeit einer Steuerentlastung und die Verteilungsfrage, also den "gerechten" Beitrag der Reichen und Superreichen, gestritten.

Mehr als ein Jahr und das Hypo-Debakel später starten dazu die politischen (End-)Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP. Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner haben jeweils drei Mitstreiter um sich geschart. In drei Monaten will die rot-schwarze Achter-Gruppe das Milliarden-Paket geschnürt haben. Doch weder ist klar, woher die fünf, sechs Milliarden Euro kommen sollen, die die Entlastung kostet. Noch ist absehbar, wie die ideologischen Gräben zwischen den Koalitionären überwunden werden sollen.

Wenig erwartet

Milliarden-Suche in leerer Kasse eröffnet
ABD0051_20141216 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA0235 VOM 16.12.2014 - (v.l.n.r.) AK-Direktor Werner Muhm, SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, Finanzminister Hans Jörg Schelling, ÖVP-Finanzsprecher Andreas Zakostelsky und Gunter Mayr, Chef der Steuer-Sektion im BMF, am Dienstag, 16. Dezember 2014, anl. der Übergabe des Endberichts der Steuerreform-Expertenkommission im Bundeskanzleramt in Wien. - FOTO: APA/BKA/ANDY WENZEL
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, einer der roten Verhandler, sagte zum KURIER: "Erfolg oder Misserfolg misst sich letztlich an der Erwartungshaltung der Bevölkerung. Da diese eher unterdurchschnittlich ausgeprägt ist, kann das ein zusätzliches Animo sein, zu einem guten Ergebnis zu kommen."

Ausgangspunkt für Faymann, Mitterlehner & Co ist ein 200 Seiten starkes Papier, das in den vergangenen sechs Monaten von fünf roten und fünf schwarzen Experten ausgearbeitet und am Dienstag der Bundesregierung übergeben wurde. Zu finden auf der Seite: www.bmf.gv.at.

Exemplarisch für die Qualität dieser Vorarbeit sind die "steuerfreien Überstundenzuschläge". Für die Experten schafft diese Steuerbegünstigung "falsche Anreize", Mehrarbeit gehöre nicht gefördert, sondern müsse auf mehr Köpfe verteilt werden. So weit, so gut. Die Experten halten in ihrem Papier aber auch fest, dass Überstunden oft einen "wesentlichen Einkommensbestandteil" darstellen.

Also was jetzt? Eine klare Empfehlung gibt es nicht, jede Seite kann herauslesen was sie will – und das zieht sich wie ein roter Faden durch. Ob Mehrwertsteuer-Anhebung oder Lohnnebenkosten-Senkung, ob Betrugsbekämpfung oder Tarif-Entlastung: Die Experten haben in wesentlichen Bereichen nur Handlungsoptionen für die Politik aufgezeigt. Und lehnen vieles ab, bevor politisch verhandelt wurde.

Wenig geklärt

So erklärte am Dienstag AK-Direktor Werner Muhm, einer der SPÖ-Experten, dass keinesfalls an die Streichung dieser Überstundenzuschläge gedacht sei. Warum dies nicht genau so im Experten-Papier steht, konnte Muhm nicht erklären. Nur so viel: Bisher sei nur Konsens darüber erzielt worden, dass es zu einer steuerlichen Schlechterstellung der Nutzung von Dienstautos kommen soll. Das bringt gerade einmal 50 Millionen Euro.

Wenig verwunderlich sieht VP-Verhandler, OÖ-Landeshauptmann Josef Pühringer, deshalb vor allem die ungeklärte Finanzierungsfrage. Er lehnt im KURIER-Gespräch einmal mehr ein "Sonderopfer der Länder" ab und sagt: "Klar ist, es wird eine stufenweise Entlastung werden müssen. Auch mit Stufen wird das schwierig genug."

Für Aufregung im roten Lager hat kurz vor Verhandlungsstart ein KURIER-Bericht gesorgt, wonach es bei der umstrittenen Millionärssteuer zwei Modelle gibt, jenes der SPÖ und jenes des ÖGB. ÖGB-Präsident Erich Foglar, der noch am Sonntag im ORF auf Distanz zum SPÖ-Modell ging, bezeichnet es mittlerweile als "Unsinn", hier irgendeine Diskrepanz zwischen Partei und Gewerkschaft herauszuhören. Peter Kaiser, darauf angesprochen, hat eine Positiv-Formulierung zur Hand: "Man kann das so lesen, dass das unsere Verhandlungsposition schwächt. Ich sage jedoch, das erweitert nur unsere Verhandlungsbandbreite."

Vor Beginn der heutigen Verhandlungen zur geplanten Steuerreform, meldete sich auch der Fiskalrat zu Wort: Er fordert in Hinblick auf die Gespräche eine rasche Einigung. Dies sei notwendig, um Verunsicherung von Investoren und Konsumenten zu vermeiden, erklärte Fiskalrats-Präsident Bernhard Felderer bei der offiziellen Vorstellung der Budgetprognose 2014/2015. Die Vorausschau des Rates fiel recht positiv aus, wenngleich zahlreiche Maßnahmen eingemahnt wurden.

Der Fiskalrat, der zur Überwachung der EU-Budgetregeln in Österreich (wie auch in allen EU-Staaten) als Nachfolgegremium des Staatsschuldenausschusses eingerichtet wurde, legte dazu seinen gesamten "Bericht zur Einschätzung der Budgetentwicklung 2014 - 2015" sowie seine Empfehlungen an die Regierungsverantwortlichen vor. Die grundsätzlichen Daten hatte der Rat bereits Mitte November veröffentlicht.

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