Aiginger: "Energie für weitere Reformen nutzen"

Aiginger: „Sonst wird wieder alles zerredet und niedergemacht“
WIFO-Chef Aiginger: Lohnsteuersenkung verpufft in zwei Jahren wegen kalter Progression.

Karl Aiginger, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO, lobt das rechtzeitige Zustandekommen der Steuerentlastung um fünf Milliarden Euro als "kräftiges Signal". Wenn "der erste Schritt gelingt, sollte das Mut machen für weitere Schritte".

Aiginger sagte am Samstag im Gespräch mit dem KURIER: "Man war drei Tage früher fertig. Das zeigt die Reformfähigkeit der großen Koalition. Diese Energie muss jetzt für weitere Reformen genutzt werden." Insbesondere auch deshalb, weil doch manch Punkt bei den Sparmaßnahmen zur Gegenfinanzierung der Entlastung "sehr vage" geblieben sei.

Damit sich die erhoffte Wirkung der Steuer-Entlastung auch so richtig entfalten könne, sagt der Top-Ökonom, müsse sie in einen positiven Gesamtrahmen eingebettet werden". Aiginger: "Sonst wird wieder alles zerredet und niedergemacht. Man muss rüberbringen, dass eben kein weiteres Belastungspaket droht, wenn vorher ein Reformpaket gelingt."

Die längst überfälligen Schritte im Bereich Pensionen, Bildung, Gesundheit und Föderalismus müssen jetzt kommen, meint der Regierungsberater. Er nennt als konkrete Beispiele: Die Förderungen dürften nicht nur eingefroren werden, sie müssten tatsächlich gekürzt werden, denn "wir sind Förder-Weltmeister". Österreich habe noch immer die meisten Spitalsbetten pro Kopf in Europa, die Gesundheitsreform sei überfällig.

Doppelt gemoppelt

Auch in der Bildung liege enormes Potenzial, das jetzt gehoben werden müsste, etwa über Globalbudgets pro Schule und der dazu nötigen Autonomie. Im Bund-Länder-Verhältnis müsste eine echte Föderalismusreform endlich die Doppelgleisigkeiten und Doppelkompetenzen entflechten.

Denn, so Aiginger: "Die Lohnsteuersenkung ist aufgrund der kalten Progression in zwei Jahren verpufft. Damit diese einmalige Lohnsteuersenkung also in der Bevölkerung und in der Wirtschaft positiv aufgenommen wird, müssen jetzt weitere Reformen jedes Vierteljahr kommen." Nachsatz: "Dann schaffen wir auch den Ruck durch Österreich, den wir so dringend brauchen."

Grob gesprochen müsste daher in den nächsten drei Jahren nicht eine Ausgabensenkung um die angepeilten drei, sondern um fünf bis zehn Milliarden gelingen. Aiginger: "Das zeigen alle unsere Berechnungen, wenn man die heutige Einnahmen- und Ausgabenquote in Österreich miteinander vergleicht." Die Einnahmenquote des Staates liege bei 50 Prozent (Steuern, Sozialabgaben, Dividenden etc.), die Ausgabenquote liegt bei 52 Prozent. "Beide müssen gesenkt werden, die Ausgaben noch stärker, damit wir mittelfristig ein ausgeglichenes Budget erreichen." Die steuerlichen Gegenfinanzierungsmaßnahmen zur Entlastung findet Aiginger "relativ harmlos". So sei gewährleistet worden, dass das Defizit nicht aus dem Ruder läuft.

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