Steuerpaket: Wer profitiert, wer zahlt – was als Nächstes kommt

Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner ziehen am Tag nach der letzten Verhandlungsnacht Bilanz.
Nach dem Steuerpaket wollen Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner für mehr Schul-Autonomie sorgen. Ein "Sparkommissar" soll Reform-Blockierer ausbremsen.

KURIER: Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler,die Österreicher sollen mehr netto vom Brutto bekommen, auch um die Wirtschaft anzukurbeln. Warum tritt das erst am 1.1.2016 in Kraft?

Werner Faymann: Die Gegenfinanzierung braucht eine gewisse Zeit, wir machen ja die größte Steuerreform in der Geschichte Österreichs. 4,9 Milliarden Euro gehen direkt in die Brieftaschen der Österreicherinnen und Österreicher.

Ist das Geld dafür noch nicht da?

Faymann: Wir brauchen den Vorlauf, um die Gegenfinanzierungen umzusetzen.

Reinhold Mitterlehner: Der Start mit Anfang 2016 hat technische Gründe. Wir haben ja ein Budget 2015, das auch die EU laufend kontrollierend begleitet.

Aber wer ein Grundstück übergeben will, hat noch viel Zeit, bevor die Steuern steigen.

Faymann: Die Stichtage werden erst festgelegt, bei gewissen Maßnahmen werden die Stichtage früher festgelegt.

Was wird früher kommen?

Faymann: Das muss erst im Einzelnen erarbeitet werden.

Steuerpaket: Wer profitiert, wer zahlt – was als Nächstes kommt
Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner im Interview zu den Details des Steuerreformpakets, das mit Anfang 2016 in Kraft treten soll. BKA Wien am 13.03.2015
Mitterlehner:Für den Wirtschaftsstandort Österreich ist es wichtig, dass wir endlich ein Ende der Diskussion über Steuermaßnahmen haben. Die Unternehmer und Investoren brauchen Ruhe und Kontinuität. Abgesehen davon hoffe ich, dass sich viele in diesem Jahr noch etwas kaufen, weil sie ja wissen, dass ihnen im nächsten Jahr mehr Einkommen bleibt. Wirtschaft ist Stimmung.

Landeshauptmann Erwin Pröll hat gestern im KURIER-Interview gesagt, die lange Diskussion habe dem Wirtschaftsstandort geschadet.

Mitterlehner: Wir haben weitestgehend vertraulich verhandelt, aber durch manche Berichte und Kommentierungen in den Medien ist eine gewisse Eigendynamik entstanden.

Als Sie Donnerstagnacht endlich fertig waren, haben Sie beide nicht besonders glücklich gewirkt.

Mitterlehner: Ich war sehr glücklich, dass wir den Zeitplan eingehalten haben. Und im Kompromiss liegt an sich begründet, dass nicht einer das große Glück und der andere das große Unglück haben kann.

Ihnen, Herr Bundeskanzler, wirft Landeshauptmann Pröll Klassenkampf vor, weil Sie dauernd von der Millionärssteuer gesprochen haben.

Faymann: Wenn Pröll soziale Gerechtigkeit meint, hat er recht. Ich finde mich nicht damit ab, dass die einen immer reicher und die anderen immer ärmer werden. Wir sind bei den Steuern auf Arbeit zu hoch und kommen da jetzt etwas herunter, das gilt auch für die weitere Entwicklung in Europa.

Wenn man künftig eine Million cash oder in Aktien überträgt, muss man keine Steuern zahlen, bei einem Grundstück schon. Das ist gerecht?

Faymann: Wir haben Steuern auf Vermögen und auf Erbschaften nach deutschem Vorbild vorgeschlagen. Dieses Modell war unsere Ausgangsbasis bei den Verhandlungen.

Also hat sich da die ÖVP durchgesetzt?

Mitterlehner: Ich bin arm, weil du bist reich, dieser Ansatz klingt nach der Drei-Groschen-Oper von Brecht. Das ist falsch. Derjenige, der weniger verdient, soll mehr Chancen haben. Das gilt auch für den Bildungsbereich. Die deutsche Erbschaftssteuer ist ja bekanntlich vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden. Und in der Schweiz hat man eine geringe Lohnsteuer, da kann ich schneller Vermögen bilden und leichter mit Vermögenssteuern zur Solidarität beitragen.

Wäre so ein System nicht grundsätzlich besser und auch leistungsorientierter?

Mitterlehner: Man kann nicht beides haben. Eine relative hohe Abgabenquote auf Lohn- und Einkommen und dazu noch eine Vermögenssteuer.

Wäre die Schweiz ein Vorbild, niedrige Lohnsteuern, aber dafür Vermögenssteuern, insgesamt weniger Steuern?

Faymann: Ich wäre sofort für eine Arbeitsgruppe Schweiz, zur weiteren Entlastung von Arbeit und Erhöhung von Vermögenssteuern. Das ist auch eine Frage der gesellschaftlichen Entwicklung der nächsten 10 bis 20 Jahre. Modelle, die die Arbeit zu hoch besteuern, gehören der Vergangenheit an.

Mitterlehner: In diesem Punkt ist die Schweiz kein Vorbild für mich. Ich glaube eher, dass die nächste Etappe eine Ökologisierung des Steuersystems bringen muss. Auch so kann man den Faktor Arbeit entlasten.

Für Inhaber einer GmbH wird der Faktor Arbeit übrigens nicht entlastet, weil ja Ausschüttungen stärker besteuert werden sollen.

Mitterlehner: Das ist der unbequeme Teil des Kompromisses, aber die Ein-Personen-Unternehmen profitieren von der Steuersenkung. Namhafte Experten wollten eine noch höhere Steuer auf Dividenden. Das ist jetzt der Mittelweg, und es ist befristet. Und das Geld, das hier hereinkommt, soll dem Standort dienen, also zweckgebunden für Forschung und Wissenschaft sein.

Die höhere Kapitalertragsteuer (KESt steigt von 25 auf 27,5 Prozent) wird also zweckgebunden für die Forschung?

Mitterlehner: Ja, es soll einen Fonds für Forschung und Entwicklung geben.

Waren Sie überrascht, dass der Wirtschaftsbund gegen das Steuerpaket gestimmt hat?

Mitterlehner: In der Wirtschaft gibt es eine schlechte Stimmung. Die Auftragslage ist nicht so gut, die Bürokratie zu groß. Da kommen Registrierkassen nicht so gut an, auch wenn es dabei eine Umsatzschwelle gibt und der Staat einen Teil der Anschaffungskosten übernimmt. Unsere Aufgabe ist es daher, an der Verbesserung des Standortes zu arbeiten und daher haben wir ein Paket vorgesehen. Ich bin optimistisch, dass wir das mit den Unternehmen gut entwickeln.

Wird es da eine Nachbesserung geben?

Mitterlehner: Wir müssen alles genau erklären und vor allem bei der Bürokratisierung für Vereinfachung sorgen.

Es sollen 1,9 Milliarden mehr durch Betrugsbekämpfung hereinkommen. Das soll, wie wir hören, auch für den Sozialbetrug gelten, von der eCard bis zum Pfusch.

Faymann: Die Steuerprüfer haben uns gesagt, dass wir durch Registrierkassen und durch das leichtere Öffnen von Konten einen großen Teil der 1,9 Milliarden hereinbekommen werden. Bei der Bekämpfung des Sozialbetrugs erwarten wir 200 Millionen.

Und was ist mit dem Pfusch? Angeblich gibt es auch Ärzte oder Nachhilfe-Lehrer, die nicht alles versteuern. Soll es da auch Strafen geben?

Mitterlehner: Grundsätzlich ja. Aber wir wollen weder Unternehmer noch Arbeitnehmer unter Generalverdacht stellen. Es geht teilweise um mehr Kontrolle und zum Beispiel auch darum, den Auftraggeber mehr in die Haftung zu nehmen. Wirkliche Nachbarschaftshilfe wird es aber natürlich weiterhin geben.

Faymann: Bei den 1,9 Milliarden kommt noch die europäische Ebene dazu.

Ja, das Schwarzgeld, das offenbar aus der Schweiz nach Österreich zurückgeflossen ist.

Faymann: Da müssen wir das Bankgeheimnis austauschen gegen Transparenz.

Weg mit dem Bankgeheimnis?

Mitterlehner: Im Rahmen der EU-Geldwäsche-Richtlinie müssen wir ohnehin einiges umsetzen. Es wird einen Datenaustausch geben müssen, wobei wir da noch einen kulturellen Prozess durchmachen müssen. Dem werden wir uns, so wie alle anderen Länder, auch stellen müssen.

Sie wollen mehr als eine Milliarde bei Bund-Länder-Gemeinden einsparen. Das haben wir schon oft gehört, warum soll es diesmal funktionieren?

Faymann: Allein, um das einzusparen, sind aber viele Einzelmaßnahmen notwendig. Gleichzeitig werden aber nicht die Leistungen für den Bürger verschlechtert werden.

Mitterlehner: Wir werden auch bei der Einsparung von Förderungen so partnerschaftlich vorgehen wie bei der Steuerreform. Das ist gelebter Föderalismus.

Wer wird die Sisyphus-Aufgabe übernehmen, zwischen Bund und Ländern zu koordinieren?

Mitterlehner: Wir werden eine Koordinierungsstelle einrichten, wo transparent gemacht wird, wo wie gefördert wird. Durch das Monitoring entsteht ein gewisser Druck, mit den Mitteln sorgfältiger umzugehen.

Faymann: Wir wollen keine neue Bürokratie, aber sinnvolle Synergien nutzen. Wenn z. B. ein gemeinsamer Wagenpark im Bund Doppelgleisigkeiten verhindert, dann muss sichtbar werden, wo Probleme sein sollen und wer versucht, das zu verhindern.

Die Regierung wird also einen Sparkommissar oder eine Sparkommissarin ernennen?

Faymann: (lacht) So ähnlich ...

Mitterlehner: ... aber er wird nicht so heißen, auch wenn es plakativ klingt.

Faymann: Das werden wir auch bei der Schaffung des Amts der Bundesregierung anwenden. Eine Koordinierungsstelle bringt den großen Vorteil, dass sie mit dem Scheinwerfer auf diejenigen zielt, die im Dunkeln Synergien und Einsparungen verhindern wollen. Wenn jemand gute Gründe hat, eine Reformmaßnahme nicht zu wollen, dann soll er sie sagen.

Die Länder schnüren gerade an einem Forderungspaket an den Bund zur Unterstützung bei den Problemen mit den Heta/Hypo-Haftungen. Haben Sie dafür schon Geld beiseitegelegt?

Faymann: Der Finanzminister hat bereits angekündigt, er möchte diese Fragen im Rahmen der Gespräche über den neuen Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, die im Mai beginnen, besprechen. Da werden die Länder-Wünsche auf den Tisch kommen, aber auch die, die wir vom Bund an die Länder haben.

Mitterlehner: Wir werden uns der Diskussion über die Länderforderungen sicher nicht verschließen. Zuerst muss aber einmal geklärt werden, wie viel an Liquidität gebraucht wird und danach, was an Haftungsforderungen an die Länder überhaupt auf den Tisch kommt.

Als Nächstes will die Regierung die Schulreform angehen. Kann es die ohne ein neues Lehrerdienstrecht überhaupt geben?

Faymann: Zuerst müssen wir die begonnene Debatte über mehr Autonomie für die Schulen zu Ende führen. Ich stelle mir vor, dass künftig etwa Direktorinnen und Direktoren für fünf Jahre bestellt werden, auf Basis der Qualitätskontrolle des Bundes. Die zentrale Frage der Reform wird sein, wie kann dieser Direktor dann sein Lehrerteam aussuchen und wie kann er die Ressourcen, die er benötigt, selber steuern. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir uns hier ideologisch unversöhnlich gegenüberstehen. Ich glaube, dass wir in der Lage sind, uns aneinander anzunähern, so wie wir das bei der Steuerentlastung gemacht haben.

Mitterlehner: Auf die Zielsetzung der Bildungsreform haben wir uns bereits bei der Klausur in Schladming geeinigt. Unser Ziel war es, dass das Kind im Mittelpunkt der Änderungen stehen muss. Bei der Autonomie sind wir uns weitgehend einig. Wo die Kompetenzen angesiedelt werden, ist nicht entscheidend, sondern entscheidend sind gemeinsame Qualitätsstandards für die Schulen. Aber mehr möchte ich einer gerade sehr erfolgreich am Thema arbeitenden Reformgruppe, die mitten in ihrer Arbeit steht, von außen nicht ausrichten. Ich rechne damit, dass wir, so wie bei der Steuerreform, hier zu einem guten, gemeinsamen Ergebnis kommen werden.

Die Steuerreform haben Sie überpünktlich vor dem 17. März geschafft. Kommt die Schulreform zu Schulbeginn 2015?

Faymann: Wir wollen nicht zu viel versprechen, aber heuer wird sich das ausgehen.

Mitterlehner: So bald wie möglich, heuer auf jeden Fall.

Herr Bundeskanzler, in den letzten Monaten gab es Unruhe in der SPÖ, was Ihre Person betrifft. Ist dieses Grummeln nun mit der Steuerreform vorbei, oder kann das nach den Landtagswahlen wiederkommen?

Faymann: Ich habe heute im Bundesparteivorstand derart viel auch emotionale Unterstützung in den Wortmeldungen erfahren. Es wird immer welche geben, die das Hobby der Personaldebatte pflegen. Im Bundesparteivorstand tat und tut das niemand.

Herr Vizekanzler, ist es gut fürs Regierungsklima, dass nach Abschluss der Steuerreform jetzt offenbar wieder mehr Ruhe bei ihrem Koalitionspartner SPÖ eingezogen ist?

Mitterlehner: Jeder muss seinen eigenen Bereich verantworten und es ist gar nicht immer einfach, alle unterschiedlichen Ideen unter einen Hut zu bringen. Ich bin daher froh, dass wir auch in unserer Partei das Gesamthafte vor den Einzelinteressen in den Vordergrund gestellt haben.

Sie treten zunehmend öfter gemeinsam bei Interviews auf. Treten Sie jetzt in die Fußstapfen des steirischen Reformduos Voves/Schützenhöfer?

Faymann: Man soll am besten immer nur in den eigenen Schuhen gehen.

Mitterlehner: Das Gemeinsame darzustellen kann nie schaden, Streitthemen werden wir schon wieder finden.

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