Stelzer: "Tom, nimm dich nicht so wichtig"

Thomas Stelzer wurde mit 99,9 Prozent zum neuen ÖVP-Chef in Oberösterreich gekürt
Oberösterreichs neuer Landeshauptmann Thomas Stelzer: "Der Druck ist so groß, es muss eine Bundesstaatsreform kommen."

KURIER: Herr Landeshauptmann, Sie haben sich lange auf das Amt vorbereitet. Kronprinz ist eine gefährliche Rolle, nicht alle werden Chef.

Thomas Stelzer: (lacht) Darum bin ich auch kein Kronprinz, weil wir keine Monarchie haben. Aber wir haben uns gut vorbereitet auf diesen Übergang. Nur Vorsicht ist für die Politik auch nicht das Richtige. Man kann nicht mit Hinsichtl und Rücksichtl agieren.

Wann hat Ihnen Josef Pühringer gesagt, dass Sie sein Nachfolger werden sollen?

Vor einigen Jahren. Er hat mir relativ früh gesagt, dass es in diese Richtung geht.

Landeshauptmann durch Fingerzeig?

Auch wenn man weiß, dass das an einen herankommt, ist es noch einmal etwas anderes, wenn es so weit ist. Es sind Erwartungshaltungen da, es gibt eine Vielfalt an Verantwortung. Es ist gut, wenn man hier nicht unvorbereitet hineingestoßen wird.

Josef Pühringer war dafür bekannt, dass er seine gesamte Zeit in Oberösterreich und in der Öffentlichkeit verbracht hat.

Der Vorteil der Landespolitik besteht darin, dass man für die Menschen greifbar ist. Das muss man auch pflegen. Nur so gelingt es, sich ein feines Sensorium dafür zu bewahren, wo es Sorgen und Probleme gibt, die einem selbst noch gar nicht so bewusst sind.

Die Leute schimpfen gerne über die Politiker, aber kaum ist einer persönlich anwesend, sind sie sehr freundlich. Glauben Sie, dass Sie immer die Wahrheit hören?

Man wird nicht immer die ungeschminkte Wahrheit hören. Andererseits glaube ich aber auch nicht, dass sich die Menschen verstellen.

Außenminister Sebastian Kurz meint, man müsse nach dem Balkan auch die Mittelmeerroute sperren. Das ginge nur mit hohem militärischen Aufwand. Manchmal hat man das Gefühl, die Politiker sagen etwas, ohne an die Umsetzung zu denken.

Österreich hat viel geholfen, auch durch die Zivilgesellschaft. Wenn in der EU weiterhin nur ganz wenige Staaten ihre Verantwortung in der Flüchtlingsbewegung wahrnehmen, dann müssen auch wir Grenzen setzen. Wir können nicht unbegrenzt helfen.

Wie viele Flüchtlinge können wir in den nächsten Jahren noch aufnehmen?

In Oberösterreich sind noch rund 12.000 Flüchtlinge aus dem Zustrom der Jahre 2015/16 untergebracht. Wir waren damals schon ziemlich am Limit, auch vom ehrenamtlichen Engagement der Menschen. Wir von der ÖVP müssen dieses Thema ansprechen und Lösungen vorschlagen. Wir haben es 2015 anderen überlassen. Wir machen auch Vorgaben, was das Hineinwachsen in unsere Gesellschaft angeht. Deutsche Sprache, sich an die Grundwerte halten, etc.

Das Kopftuch ist ein Thema.

Wir fordern den Grundwertekatalog ein, zu dem die Gleichberechtigung von Mann und Frau unumstößlich dazu gehört. Das Vollverschleierungsverbot der Bundesregierung ist ein erster Schritt.

Werden Sie reiche arabische Touristinnen im Salzkammergut bestrafen?

Die Gleichberechtigung ist bei uns unumstößlich. Wir wollen nicht, dass hier bewusst andere Zeichen gesetzt werden.

Der SPÖ und der ÖVP wird vorgeworfen, der FPÖ nachzulaufen.

Laut Umfragen wird der ÖVP in Oberösterreich die Führungsrolle zugesprochen. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass wir manche Fragen nicht aufgegriffen haben.

Die FPÖ ist mit Parteien wie der AfD oder Marine Le Pen befreundet, die die EU zerstören wollen. Sie arbeiten mit einer Partei zusammen, die das Erfolgsmodell Europa beenden will.

Darum war es uns wichtig, dass in der Regierungserklärung ein klares Bekenntnis zu Europa enthalten ist.

Soll die ÖVP im Bund mit einer Partei koalieren, die das zwar nicht so laut sagt, die aber diese EU nicht will?

Wir werden alles dafür tun, dass die ÖVP auf Bundesebene gut abschneidet. Sie muss mit allen im Parlament vertretenen Parteien können, denn es kann niemand alleine regieren. Es kommt immer darauf an, ob man zu einem gemeinsamen Arbeitsprogramm findet.

Jetzt ist die große Hoffnung der ÖVP nicht der Oberösterreicher Reinhold Mitterlehner, sondern ein Wiener, Sebastian Kurz. Ihre auch?

Meine Hoffnung ist, dass die ÖVP stark wird. Wir haben mit Reinhold Mitterlehner einen tollen Parteiobmann, der jetzt zu Jahresanfang sehr viel zustande gebracht hat. Wann immer die Wahl sein wird, die ÖVP wird sich entscheiden, mit welchem Spitzenkandidaten wir in die Wahl gehen werden.

An Kurz wird kein Weg vorbeiführen.

Es ist gut, dass wir einen starken Parteiobmann und viele Persönlichkeiten haben, die gut in der Öffentlichkeit ankommen.

Als Landeshauptmann hat man möglicherweise mehr Macht als ein Minister.

Oberösterreich ist ein starker Teil in der ÖVP. Das werden wir auch im Bund einbringen. Das hat auch damit zu tun, dass wir als Land vieles benötigen, wofür der Bund zuständig ist. Daher müssen wir in der Bundespartei mitmischen.

Machtpolitisch sind die Länder oft stärker. Die "Landeshauptleutekonferenz" ist ein Gremium, das es in der Verfassung nicht gibt. Ist es gut, dass ein Land durch Nicht-Institutionen wie die "Landeshauptleutekonferenz" regiert wird?

Die Ebenen, die sehr nah bei den Menschen sind, wie Gemeinden und wir Länder, können die Dinge sehr rasch, effizient und mit Hausverstand lösen. Ich bin mit jenen einer Meinung, die sagen, die Kompetenzen sind in Österreich zu kompliziert. Klarere Zuständigkeiten wären auch für die Länder sehr gut.

Wäre eine Bundesstaatsreform notwendig, die bisher immer gescheitert ist?

Das wäre eine grundsätzliche Reform. Aber der Änderungsdruck ist so stark, dass das kommen muss.

Österreich hat acht Millionen Einwohner, Bayern ist mit 13 Millionen nur ein Bundesland.

Österreich fährt mit seinem System nicht so schlecht, sonst würden wir bei den Indikatoren Wohlstand, Lebensqualität und Sicherheit nicht so weit vorne mitspielen. Aber jede Struktur ist immer hinterfragenswürdig und zu ändern.

Das große Schlagwort in der Wirtschaft ist Disruption. Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Das trifft einen Wirtschaftsraum wie Oberösterreich ganz besonders. Sie werden neue Jobs bekommen, aber auch viele verlieren.

Sie haben Recht. Wenn Sie in unsere Betriebe gehen, sehen Sie, dass Menschen und Maschinen schon längst gemeinsam arbeiten, manchmal die Maschinen ganz allein. Die Arbeit ändert sich. War der Schweißer früher direkt am Gerät, so steht er jetzt am Computer und programmiert das Schweißgerät.

Und er ist viel besser ausgebildet.

Das stimmt. Er muss anders ausgebildet sein. Das ist für unser Bundesland die große Herausforderung, dass Digitalisierung nicht nur Infrastruktur heißt, sondern auch die dazu gehörende Bildung und Ausbildung. Das muss in der Schule beginnen.

Es wird Menschen geben, die werden keine Arbeit mehr bekommen. Bill Gates und andere meinen, Firmen, die von der Digitalisierung besonders profitieren, sollten für jene zahlen, die hier nicht mitkommen. Ein arbeitsloses Grundeinkommen – müssen wir darüber nicht einmal reden?

Die Digitalisierung verändert die Jobs, sie killt sie aber nicht. Es braucht eine Änderung der Bildung und Ausbildung. Wir stehen vor der Situation, dass wir in vielen Berufsbereichen auf Mängel zugehen. Das Jobangebot steigt, aber wir wissen noch nicht, wie wir es bedienen können. Das beginnt bei der Technik und geht bis zu den Lehrern.

Der Staat wird investieren müssen, aber wir haben im Bundesbudget auch in guten Zeiten immer ein Minus gemacht. Im Gegensatz zu anderen Staaten. Sie wollen im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Wo wollen Sie sparen?

Wir wollen ohne neue Schulden budgetieren und bestehende Schulden abbauen. Wenn wir Schwerpunkte setzen, so müssen wir die in der Digitalisierung und in der Bildung setzen. Förderungen sind einmal als Anschubfinanzierung eingeführt worden, wurden aber stets weitergeführt.

Wer in Oberösterreich eine Trompete kauft, wird gefördert.

Musikkapellen werden gefördert, weil das eine gute Sache für die örtliche Gemeinschaft ist.

Jeder, der gefördert wird, wird sagen, das ist gut.

Unser Kunststück wird werden, dass wir nicht nur Veränderungen umsetzen, sondern vorher bereits Bewusstsein schaffen und Stimmung für die Veränderungsnotwendigkeiten machen.

Sie werden Landeshauptmann, Michael Strugl Ihr Stellvertreter. Hält der Konsens?

Wenn wir beide nicht wirklich Freunde wären, hätten wir das Gesamtkunstwerk nicht zustande gebracht.

Freundschaft in der Politik?

In unserem Fall ist es so. Wir kennen uns aus Studientagen und das hält. Für mich heißt Freundschaft auch, dass der Freund durchaus eine andere Meinung haben darf, sonst bereichert er das Gesamtsystem nicht.

Ist die ÖVP mit rund 20 Prozent bei Umfragen im Bund noch eine Volkspartei?

Der Anspruch ist es. Darum müssen wir alles tun, dass wir bei der Nationalratswahl wieder eine stärkere Position erreichen.

Was macht den 30-jährigen Kurz aus, dass er für die bürgerlichen Wähler die große, im Moment auch einzige Hoffnung ist?

Nachdem es um Personen geht, kann man es weder an der Ausbildung noch am Alter festmachen. Es gibt immer wieder Ausnahmeerscheinungen wie Außenminister Kurz. Wir sind froh, dass wir ihn haben.

Es kann etwas, was andere nicht können?

Er hat viele Talente und die Ausstrahlung, die ein Politiker benötigt. Ich erlebe ihn im Umgang mit den Menschen, mit denen er auf Du und Du ist. Das sind Dinge, die man nicht lernen kann.

Mitterlehner kommt aus Helfenberg und er hat auch einen guten Umgang mit den Leuten. Was hat Mitterlehner nicht, was Kurz hat?

Der eine ist lange in der Politik, der andere ist jung. Es ist gut, dass die ÖVP über ein breites und vielschichtiges Angebot verfügt.

Sie sind auch schon lange in der Politik.

Das hängt immer von der Persönlichkeit ab und vom Zuschnitt und vom Zugang. Umfragen muss man immer mit Vorsicht sehen. Das sind lediglich Momentaufnahmen.

Hier in Ihrem Arbeitszimmer hängt ein Kreuz.

Es drückt meinen Glauben aus, den ich aber nicht vor mir hertragen will. Es ist aber auch ein Symbol dafür, was Österreich und Europa stark gemacht hat. Es ist gut, dass wir es haben und dass wir es im öffentlichen Raum, in den Kindergärten und Schulen beibehalten.

Was soll es symbolisieren?

Es ist in Europa sehr viel aus der christlichen Geschichte gekommen. Es steht dafür, dass wir auf den eigenständigen und eigenverantwortlichen Menschen setzen, aber dass auch der Mensch nicht alles ist.

Kardinal Schönborn hat im Interview mit dem KURIER gesagt, dass er für die Aufklärung sehr dankbar ist, denn was die Kirche heute ist, ist sie durch die Aufklärung geworden. Vielleicht sollte daneben ein Bild des Aufklärers Voltaire hängen?

(lacht) Wir haben mit dem 500-Jahr-Jubiläum von Martin Luther in der evangelischen Kirche ein spannendes Jubiläum.

Ist es ein Problem, dass durch die Flüchtlinge sehr viele Muslime kommen? Kann es sein, dass sich Christen in ihrem Glauben so schwach fühlen, dass sie Angst haben vor Leuten, die ihren Glauben viel stärker demonstrieren?

Das glaube ich nicht. Es wird nur dort zu einem Problem, wenn man versucht, den Glauben politisch zu instrumentalisieren. Da wird es gefährlich, da entstehen Differenzen.

Ihr Leben wird sich als Landeshauptmann verändern, Sie werden noch mehr unterwegs sein als bisher. Wie schaffen Sie das körperlich?

Es gibt viele Berufe, die zeitlich sehr beanspruchend sind. Es müssen bei den Firmen viele international unterwegs sein.

Aber die haben meistens ein freies Wochenende.

Bei uns in der Familie hat sich das ergeben. Als ich meine Frau kennengelernt habe, war ich schon in der Politik tätig. Es lässt sich vereinbaren. Aber man muss die Zeit, die man gemeinsam hat, qualitätsvoll nutzen.

Sie lernen mit Ihrem Sohn Latein. Da gibt es das Wort vom "Memento Mori". Haben Sie Menschen in Ihrem Umfeld, die Ihnen sagen, "Vergiss nicht, dass du sterblich bist, dass du ein Mensch bist?"

(lacht) Ich hoffe, dass es nicht so ein großes Wort braucht, wenn ich einen Fehler mache. Ich habe einen kleinen Freundeskreis, der sich bemerkbar macht, wenn aus Ihrer Sicht etwas nicht passt. Man muss schon darauf Acht geben, dass man auf dem Boden der Realität bleibt.

Wie sagen sie zu Ihnen, Tommy oder Thomas?

Die meisten sagen Tom.

Sie sagen dann, Tom, komm runter?

Ja, oder nimm dich nicht so wichtig. Dieses oder jenes hätten wir nicht so gesagt. Das gibt es schon, Gott sei Dank.

„Ich danke Euch, denn ihr seid immer für mich da.“ Diesen Satz widmete Thomas Stelzer bei der gestrigen Wahl zum ÖVP-Obmann seiner Familie.

Seine Frau Bettina Stelzer-Wögerer (44) führt nahe Steyr ein Unternehmen mit 28 Mitarbeitern, das auf die Planung von Gastronomie-und Hoteleinrichtung spezialisiert ist. Den Betrieb hat sie von ihrem Vater übernommen. Sie begleitet ihren Mann regelmäßig bei gesellschaftlichen Terminen und ist Vorsitzende der „Fau in der Wirtschaft“ des Bezirkes Steyr.

Stelzer: "Tom, nimm dich nicht so wichtig"
Thomas Stelzer
Mit Lukas (15) und Leni (11) haben die beiden zwei Kinder. Wenn sie bei der Lösung von Hausgaben Probleme haben, kommunzieren sie mit dem Vater über WhatsApp, der die Lösung zurückschickt, wenn er zwischen zwei Terminen Zeit hat.

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