Start in neue Polit-Ära mit Personal-Provisorien

Auf Schiene: Elli Köstinger (ganz rechts) soll Nationalratspräsidentin werden
Während sich die Volkspartei mit dem Vorwurf herumschlägt, das Parlament nicht ernst zu nehmen, stehen SPÖ und die Liste Pilz vor weit größeren Problemen: Sie müssen sich in ihrer neuen Rolle im Parlament erst finden.

Läuft alles wie geplant, dann ist "Elli", wie sie ihre Freunde liebevoll nennen, schon heute, Donnerstag, die erste Frau im Staate.

Der neu gewählte Nationalrat "konstituiert" sich, sprich: die 183 gewählten Mandatare treffen einander zur ersten Sitzung. Es ist die Gelegenheit, bei der die Klubs ein neues Präsidium wählen – und eben dieses könnte die 38-jährige Elisabeth Köstinger anführen.

Wie kommt es dazu? Entsprechend den Usancen fällt der stimmenstärksten Partei das Recht zu, den Kandidaten für den Nationalratspräsidenten vorzuschlagen. Der Parlamentsklub der ÖVP hat sich am Mittwoch darauf verständigt, Köstinger zu nominieren. 57 der 62 ÖVP-Mandatare sprachen sich für die langjährige EU-Mandatarin und VP-Generalsekretärin aus, und das ist durchaus bemerkenswert. Denn immerhin hat die Nominierung der Kärntnerin vorab polarisiert. Köstinger solle, so lautete das Ondit, lediglich im Nationalratspräsidium "geparkt" bis die ÖVP-FPÖ-Regierung endgültig stehe und Köstinger Ministerin werde.

Streitfall Köstinger

Diese Haltung, so unkten Vertreter von SPÖ, Neos, aber auch in der Volkspartei selbst, sei dem Amte schlichtweg unwürdig – immerhin stehen über dem Nationalratspräsidenten pekuniär und protokollarisch nur Bundespräsident, -kanzler und -vizekanzler.

Parteichef Kurz wollte auf die Theorie der Job-Rotation nicht groß eingehen. "Es steht noch nicht fest, ob die Koalition mit der FPÖ zustande kommt", sagte er. Aber unabhängig davon sei Köstinger eine "starke Frau" und habe bislang in allen Funktionen einen "tollen Job" gemacht.

Verglichen mit manch anderer Partei ist die Frage, ob eine verdiente Mitstreiterin nun Nationalratspräsidentin bleibt oder doch in eine Regierungsfunktion wechselt, fast ein Luxus-Problem.

Die SPÖ zum Beispiel muss sich nach dem absehbaren Verlust der Regierungsbeteiligung gänzlich neu aufstellen und auf die Oppositionsrolle konzentrieren. Der dabei federführende Parlamentsklub gab sich am Mittwoch eine neue Struktur: Wie Konkurrent Sebastian Kurz ließ sich SPÖ-Chef Christian Kern zum Klubobmann wählen (beide haben in dieser Formal-Funktion geschäftsführende Klubobleute zur Seite. Bei Kurz ist es August Wöginger, bei Kern Andreas Schieder). Und die 100 Prozent Zustimmung sind für den Simmeringer jedenfalls ein Vertrauensvorschuss.

Bleibt der frühere ÖBB-Manager tatsächlich die nächsten fünf Jahre Oppositionsboss im Hohen Haus?

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Jedenfalls beteuert der 51-Jährige, er wolle den SPÖ-Klub zum "Kraftzentrum" der Sozialdemokratie machen.

Wie? Indem die SPÖ Themen wie soziale Gerechtigkeit forciert und bei der Klimapolitik in jenes politische Vakuum stößt, das die aus dem Nationalrat gefallenen Grünen hinterlassen.

Nicht ganz zufällig kündigte Andreas Schieder an, bei der konstituierenden Sitzung zahlreiche Anträge einzubringen. Und zwar zu Themen wie dem Hochschulzugang, dem Universalmietrecht, der Fortsetzung der Aktion 20.000 – und dem Schutz der Schmetterlinge.

Soviel zur SPÖ.

Gänzlich anders gelagert ist der Fall bei der Liste Pilz. Die neue Parlamentsfraktion erlebt eine "emotionale Achterbahnfahrt" (@ Mandatar Wolfgang Zinggl), die mit dem letztwöchigen Rücktritt von Listengründer Peter Pilz ihren Tiefpunkt erreichte.

Interimslösung Kolba

Nach mannigfaltigen Vorwürfen sexueller Belästigung verzichtete Pilz gestern auf sein Nationalratsmandat. Die Bewegung will er dennoch unterstützen.

Was also tun? Einer von Pilz’ Mitstreitern, der frühere VKI-Konsumentenschützer Peter Kolba, ließ sich am Mittwoch zum "interimistischen Klubchef" wählen – man wolle sich bis Jänner neu aufstellen. Ist die "Interimslösung" ein Geschäftsordnungskniff, um Pilz die Rückkehr zu ermöglichen? Wenn es einer wissen muss, dann Pilz. Der erklärte Mittwochabend aber, er glaube, dass Kolba Klubchef bleibe. Wozu dann die "Interimslösung"? Darauf weiß selbst Pilz keine Antwort.

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