St. Pölten ist Christian Kerns "rotes Utopia"

Kern lobte Stadler für "gewaltige Entwicklung in St. Pölten"
Kanzler holte sich in der niederösterreichischen Landeshauptstadt Anregungen. Kein Termin bei Erwin Pröll.

Wenn die stärkste Hauptstadt-Organisation der SPÖ etwas zu feiern hat, dann geht sie in den "Red Point". Der kleine, multifunktionale Raum mitten in der Fußgängerzone der niederösterreichischen Landeshauptstadt ist der ganze Stolz der SPÖ St. Pölten. Auch der überwältigende Sieg bei der vergangenen Gemeinderatswahl im April – die St. Pöltener Roten kamen auf 59 Prozent – wurde dort begossen. Und am Donnerstag, um kurz nach 17 Uhr, betrat schließlich gar der Kanzler den "Red Point" – bei Saunatemperaturen.

"Hier probieren wir aus, was wir im ganzen Land umsetzen wollen", ließ ihn SPÖ-Bürgermeister Matthias Stadler wissen. "Wir wollen mit dieser Open-House-Idee weg von den Parteilokalen und hinein in die Innenstädte." Christian Kern zeigte sich ehrlich begeistert und meinte mit Blick auf seine Gesamtpartei nachdenklich: "Wir haben einen riesigen Modernisierungsweg vor uns."

Auf seiner Tour durch Österreich glaubt der Kanzler, ausgerechnet im Herzen des schwarzen Niederösterreich den Schlüssel für die Zukunft der SPÖ gefunden zu haben: "Ich will verstehen, wie der beeindruckende Wahlerfolg in St. Pölten möglich war. Mein Ziel sind viele solcher Erfolge im ganzen Land."

Mit Stadler verbindet Kern eine innige Parteifreundschaft: Er ließ sich im Vorfeld der Gemeinderatswahl als Unterstützer des Bürgermeisters plakatieren – damals noch als ÖBB-Chef. Und Matthias Stadler war bei jenem schicksalhaften Treffen von SPÖ-Granden am 9. Mai im Wiener Hotel Schani, das Werner Faymanns Abgang beschleunigte, mit von der Partie.

Stadler ist auch nö. SPÖ-Chef. Er hat die Landespartei 2013 auf dem historischen Tiefstand von 21,6 Prozent übernommen. Und er scheint zu ahnen, dass eine Verbesserung nicht in Sicht ist: Er selbst will jedenfalls bei der Landtagswahl 2018 nicht roter Spitzenkandidat sein; er bleibt lieber Bürgermeister in seiner 59-Prozent-Stadt. Wer soll dann Front-Runner werden? Noch unklar. Kanzler Kern sagt jedenfalls am Donnerstag: "Die SPÖ muss weiblicher werden!"

Antritt

Der Umstand, dass Christian Kern seinen NÖ-Tag nicht mit einem Antrittsbesuch bei Erwin Pröll verknüpft hatte, sorgte bei Insidern für Spekulationen. "Nein, es wurde diesbezüglich nicht angefragt", heißt es aus Prölls Büro. Aus Kerns Umfeld ist wiederum zu erfahren, das habe keinen tieferen Grund. Kern selbst meint: "Mit Erwin Pröll gibt es ein langjähriges, exzellentes Verhältnis." Auch die Aufregung zu seinem Sager über Innenminister Wolfgang Sobotkas SMS-Gewohnheiten sei längst Geschichte: "Wir sind ja alle nicht schmähbefreit."

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