SPÖ: "Thema Integration unterschätzt"

SPÖ: "Thema Integration unterschätzt"
Die früheren Regierungsmitglieder Androsch und Vranitzky raten der Partei zu umfassenden Änderungen.

57 Prozent: Es ist zehn Jahre her, da hatte die SPÖ in Floridsdorf, also einem der einwohnermäßig stärksten Bezirke der Bundeshauptstadt, genau dieses Fabel-Ergebnis.

Am Sonntag fiel der einst erzrote Bezirk, die FPÖ luchste der Bürgermeisterpartei ihre "Erbpacht" ab – und färbte viele Sprengel auf blau (siehe hier alle Sprengelergebnisse).

SPÖ: "Thema Integration unterschätzt"
Hannes Androsch Interview und Foto - Termin am 20.08.2013 in Wien
Nun ist es zwar so, dass auch Grätzel in den gemeinhin als bürgerlich apostrophierten Bezirken Hietzing und Döbling mehrheitlich FPÖ wählten.

Beim Vergleich mit dem Wahlergebnis von 2010 wird aber deutlich, dass die FPÖ besonders in sozialdemokratische Sprengel vordrang.

Und so gesehen stellt sich insbesondere für die SPÖ die Frage: Was kann, was muss die Kanzler-Partei tun, um das verlorene Terrain wieder zurückzugewinnen?

Für Hannes Androsch, den in Floridsdorf aufgewachsenen Ex-Minister, ist der Erfolg Michael Häupls gleichzeitig ein Auftrag für die Partei. "Haltung wird vom Wähler belohnt", sagt Androsch zum KURIER. "Das haben Churchill, Brandt und Merkel bewiesen – jetzt auch Michael Häupl."

Integrationsproblem

Dessen ungeachtet, sei insbesondere in den Flächenbezirken wie Floridsdorf oder Simmering ein veritables Integrationsproblem zu lösen.

"Wir haben das Thema unterschätzt. Obwohl beispielsweise in Floridsdorf Zuwanderer in den Weinbergen arbeiten und die Kinder mit Zuwanderer-Kindern in die Schule gehen, sagen die Menschen: Wir wollen hier keine Migranten. Da gibt es eine Aufklärungs- und Überzeugungslücke der SPÖ."

Androsch schlägt schnell die Brücke zu einem seiner Leib-Themen – der Bildungsreform: "Wenn man die Jungen im Vorschulalter nicht integrieren kann, dann wird das Problem immer größer."

Um die Bildung neu bzw. besser aufzustellen, müssten Partei und Bundesregierung mehr Handlungsbereitschaft zeigen. "Die Herumwurschtelei muss ein Ende haben." Für Androsch ist klar, dass sich Bundespartei wie -regierung von Interessenvertretern wie Gewerkschaft, Wirtschaftskammer und den Länder-Vertretern emanzipieren müssen: "Die Landeshauptleute haben die Bundesregierung zu einer Unterlandeshauptleute-Konferenz degradiert. Das Land versinkt in der Lähmung."

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Häupls Verdienst

SPÖ: "Thema Integration unterschätzt"
Alt-Kanzler Franz Vranitzky mahnt zur mehr Solidarität
Was den Anteil von Michael Häupl am Wahlsieg angeht, ist ein anderer prominenter SPÖ-Grande, Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky, voll auf Androschs Linie. "Das Zurückdrängen der FPÖ ist alleine Michael Häupl zu verdanken", sagt Vranitzky zum KURIER. "Anstand und Konsequenz lohnen sich."

Bei der Frage, wie die Sozialdemokratie ihre verlorenen Bastionen wieder rückerobern könnte, verweist der frühere Parteichef auf das, was Häupl noch am Wahlabend zu den Genossen gesagt hat, nämlich: die SPÖ muss ihre Positionen und Methoden hinterfragen.

Vranitzky: "In der Werbe-Wirtschaft würde man sagen: Die Partei braucht einen Relaunch." Dem Ex-Kanzler gefällt dieses Bild nicht so ganz, er spricht lieber von einem "umfassenden Gesundheitscheck", den die SPÖ erledigen müsse, um mit einem "geordneten Aufbautraining" beginnen zu können.

Mit welchen "Übungen " oder Inhalten könnten man die SPÖ wieder auf Vordermann bringen?

Der Ex-Kanzler nennt zuerst die Frage der Wirtschaftspolitik: "Eine Sozialdemokratie ohne Wirtschaftskompetenz ist sinnentleert. Insbesondere bei Fragen der Industrie und Infrastruktur-Politik muss man wieder so gut sein, dass man uns ernst nimmt."

Außerdem empfiehlt der frühere Bundesparteichef seiner Bewegung, viel enger mit europäischen Sozialdemokraten zusammenzuarbeiten und die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation cleverer zu nutzen: "Wir müssen viel näher am Bürger dran sein."

Wird das leicht? Alles andere als das. "Es wird steil und steinig", sagt Vranitzky. "Aber die Alternative dazu ist, dass sich unsere Werte bei den Wahlen weiter nach unten entwickeln. Und das kann nicht ernsthaft unser Anspruch sein."

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