Zocker-Vollmacht ist gefälscht

APA10590822 - 10122012 - SALZBURG - ÖSTERREICH: ZU APA TEXT II - Eine Außenansicht der Salzburger Landesregierung, dem Chiemseehof, am Montag, 10. Dezember 2012, in Salzburg. Das Bundesland Salzburg wird von einem schweren Finanzskandal erschüttert: Eine leitende Mitarbeiterin der Finanzabteilung soll in den Jahren 2006 und 2007 eigenmächtig im Namen des Landes riskante Finanzgeschäfte abgeschlossen habe, die zu einem Buchverlust über rund 340 Millionen Euro geführt haben. APA-FOTO: BARBARA GINDL
Ein Gutachten entlastet den Salzburger SP-Mann Blachfellner, die gefälschte Vollmacht wird zum Kriminalfall.

In Salzburg verdichten sich Hinweise auf mögliche Täter in der Affäre. In der Salzburger Landespolitik liegen die Nerven blank. Der KURIER-Bericht, wonach eine Vollmacht für die Finanzabteilung zur Spekulation mit Hunderten Millionen Euro des Landeswohnbaufonds gefälscht ist, lässt den Finanzskandal wieder in einem neuen Licht erscheinen.

Es geht um eine angebliche Vollmacht für die Mitarbeiter der Finanzabteilung des Landes, praktisch unlimitiert mit den Geldern des Landes spekulieren zu dürfen. Das Dokument ist vermeintlich von Landesrat Blachfellner gezeichnet, der sofort bestritt, das Dokument verfasst zu haben. Die Unterschrift stimme nicht, die Datumszeile sei unüblich, Briefkopf und Fußzeile stimmen nicht überein. Blachfellner ließ ein Gutachten erstellen.

"Signifikant voneinander abweichende Schriftmerkmale"

Dem KURIER liegt das Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen aus Salzburg vor (siehe unten). Es kommt zum Schluss, dass es "signifikant voneinander abweichende Schriftmerkmale" gibt, und das Dokument "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" gefälscht worden ist.

Blachfellner ist damit aus der Schusslinie, einen Freibrief zur unlimitierten Spekulation mit Landesgeldern ausgestellt zu haben. Nun muss der Salzburger Landesamtsdirektor beziehungsweise der Chef der Personalabteilung tätig werden: Das Gutachten wird der Staatsanwaltschaft für weitere Ermittlungen übergeben.

Zocker-Vollmacht ist gefälscht

In der Landesregierung wird gerätselt, wer das Dokument gefälscht haben könnte – und wem solch ein Freibrief zur Spekulation nützen würde. Der Verdacht fällt dabei vor allem auf die Mitarbeiter der Finanzabteilung. Denn es findet sich ein Amtsstempel auf dem Dokument. Dieser stammt aber nicht aus dem Büro Blachfellners oder eines seiner Regierungskollegen – sondern aus der Finanzabteilung.

Dazu kommt, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft seit Wochen in der Causa gegen drei Personen ermittelt: Gegen Hofrat Paulus, der dem Vernehmen nach selbst die Echtheit des Dokuments bezweifelt hat. Weiters gegen den Mitarbeiter Christian M. – und gegen Monika Rathgeber, die mittlerweile entlassene Mitarbeiterin. Längst macht in Regierungskreisen das Gerücht die Runde, dass die Handschrift von Rathgeber auf dem Dokument von einem Ex-Kollegen erkannt worden sei.

Rathgebers Anwalt Herbert Hübel dementiert: „Kein Wort davon ist wahr“, sagt Hübel zum KURIER. „Sie hat das sicher nicht gefälscht. Wenn das jemand öffentlich behauptet, wird er geklagt.“

Handschrift

Aber wie kann festgestellt werden, wer das Dokument gefälscht hat? Schließlich dürfte auf der angeblichen Vollmacht nicht nur die Unterschrift von Landesrat Blachfellner gefälscht worden sein. Noch viel interessanter wird für die Behörden die handschriftlich eingefügte Datumszeile (2/1/2006) des Schreibens sein. Anhand dieser könnte ein Täter ausgeforscht werden. Doch wie würden die Behörden hier ermitteln? „Der nächste Schritt wäre, dass mögliche Verdächtige zu einem Sachverständigen vor Gericht geladen werden, wo sie eine Schriftprobe abgegeben müssen. Außerdem werden frühere, unbefangene Schriftproben benötigt“, erklärt Wolfgang Caspert, gerichtlich beeideter Sachverständiger für Schriftwesen und Urkundenfälschung.

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft erklärte gegenüber dem KURIER, dass die Causa längst bekannt sei. Derzeit würde nur wegen Untreue und Amtsmissbrauch gegen die drei Genannten ermittelt, sagt der Sprecher der Behörde, Erich Mayer. Er wollte aber nicht ausschließen, dass dann auch wegen des Delikts der Urkundenfälschung ermittelt wird.

Bei der Aufarbeitung des Salzburger Finanzskandals hat sich einmal mehr eine neue - unter Umständen recht teure - Baustelle aufgetan: Es geht um die Frage, ob das Land Kapitalerträge, die über den sogenannten Versorgungs- und Unterstützungsfonds (VUF) lukriert worden waren, versteuern hätte müssen. Das Land hat daher am Montagnachmittag Selbstanzeige beim Finanzamt erstattet. Im schlimmsten Fall sei eine Nachzahlung von 31 Millionen Euro Kapitalertragssteuer (KESt) fällig, informierte Finanzlandesrat Georg Maltschnig (S) am Dienstag bei einem spontan einberufenen Hintergrundgespräch.

Der VUF war mit 1. Jänner 2003 unter dem damaligen Finanzreferenten LHStv. Wolfgang Eisl (V) als Rechnungskreis des Landes ohne eigene Rechtspersönlichkeit gegründet worden. Zweck des Fonds ist es, Pensionen für pragmatisierte Beamte des Landes durch Zinserträge zu stützen und damit die Pensionsaufwendungen im Budget zu entlasten. Gleichzeitig sollte damit Kapitalertragssteuer gespart werden, wie Eisl erst am vergangenen Freitag vor dem Untersuchungsausschuss einräumte.

Im Zuge der Aufräumarbeiten hat sich nur für Meinhard Lukas - einen der Berater des Landes - die Frage gestellt, "ob die Erträge für den eigentlichen Zweck des Fonds verwendet wurden, oder ob damit nicht wieder spekuliert wurde, wobei sich auch das nicht unbedingt widersprechen muss, weil man dadurch noch höhere Erträge erzielen hätte können", sagte der Linzer Uni-Dekan. Das Land hatte jedenfalls gegenüber den Banken "KESt-Befreiungserklärungen" abgegeben, weshalb die Institute auch keine Steuer aus den Erträgen abführten.

Die Selbstanzeige - korrekt wird das Schreiben mit "Mitteilung" übertitelt - bezieht sich auf den Zeitraum ab Jahresbeginn 2006, weil ab diesem Zeitpunkt das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz in Kraft ist. Das bedeute, dass sich ab diesem Zeitpunkt auch juristische Personen - wie eben das Land - strafbar machen können, so Lukas. Namentlich wurde die Selbstanzeige auch für die früheren Finanzreferenten Wolfgang Eisl (V), Othmar Raus und David Brenner (beide S) sowie den Leiter der Finanzabteilung Eduard Paulus, einen weiteren Mitarbeiter und die "Hausbank" des Landes, die Hypo Salzburg, erstattet. Der Name Monika Rathgeber wird dagegen nicht erwähnt, und zwar deshalb, weil sie sich nicht mehr im Landesdienst befinde, so Maltschnig.

Lukas betonte, dass mit der Mitteilung nun die Finanzbehörde am Zug sei und prüfen müsse, ob KESt zu Unrecht einbehalten wurde. "Man muss in diesem Fall aktiv werden, auch um eine Strafverfolgung zu vermeiden." In der Sache selbst vertrete das Land aber weiterhin den Standpunkt, dass die Befreiung zurecht in Anspruch genommen wurde.

Sollte es zu einer Nachzahlung kommen, sind laut Maltschnig mehrere Szenarien denkbar. Die 31 Mio. Euro sind dabei der Worst Case - und da ist laut Lukas noch ein "Sicherheitspolster" von 25 Prozent eingeplant. Könne man den Kapitalerträgen die Aufwendungen gegenrechnen, würde sich die Nachzahlung auf maximal 4,13 Mio. Euro reduzieren. Zurzeit ist eine allfällige Rückzahlung im Haushalt des Landes nach Angaben Maltschnigs freilich noch nicht vorgesehen. Sobald ein Bescheid vorliege, werde man darauf reagieren, wobei von einer Bezahlung bis zu Stundungsersuchen alle Varianten denkbar wären.

Ob auch in anderen Fonds des Landes - zum Beispiel im Wohnbaufonds - mit ähnlichen Überraschungen zu rechnen ist, wagt Lukas nicht zu prognostizieren. Und Maltschnig kann die Aussage Rathgebers nicht nachvollziehen, wonach auf Knopfdruck ohnedies sämtliche Geschäfte und Geldflüsse abrufbar und nachvollziehbar wären. "Da klafft eine große Lücke zwischen Knopfdruck und unserem Willen, Licht ins Dunkel zu bringen. Was unsere Experten an Aufwand betreiben, um überhaupt Buchungen zuordnen zu können - das ist alles in einer derart unübersichtlichen Darstellungsform, dass selbst für ausgewiesene Experten vieles kaum feststellbar ist."

Die Salzburger Spekulationsaffäre birgt neuen Sprengstoff. Heute, Dienstag, muss Eduard Paulus, Leiter der Finanzabteilung, den U-Ausschuss-Mitgliedern Rede und Antwort stehen.

Und sie werden schwere Geschütze auffahren. Denn in Salzburg wurde nicht nur wild gezockt, sondern es wurden auch Erträge aus Zinswetten (Swaps) angeblich am Landeshaushalt vorbeigeschleust. So sagte Paulus im Dezember 2012 vor den Ermittlern des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung aus, dass über seine Weisung und über Empfehlung des Finanzbeirates „immer ein Teil der Zusatzerlöse in einen sogenannten Haushalts- oder Reserve-Swap eingezahlt wurde, um das Portfolio gegen überraschende Wertverluste abzusichern“. Monika Rathgeber, die entlassene Finanzjongleurin, bezifferte diese „Schatten-Reserve“ zuletzt mit 270 Millionen Euro.

„Warum wurden die Erträge nicht dem Landeshaushalt zugeführt“, wollte Korruptionsstaatsanwältin Eva Habicher von Rathgeber bei der dritten Vernehmung wissen. Rathgeber gab laut Einvernahmeprotokoll, das dem KURIER vorliegt, an, dass man 2003 den „Reserve-Swap“ einrichtete, nachdem die Auflösung einer Euro-Yen-Währungswette 140 Millionen Euro Gewinn abwarf.

„Wir haben uns gefragt, was wir jetzt mit dem Geld machen. Hätten wir es sofort in den Haushalt gegeben, wäre es weg gewesen und es hätte bei einem späteren Swap-Geschäft keinen Puffer für einen allfälligen Verlust gegeben“, sagte Rathgeber. „Das Geld wurde deswegen nicht auf ein Sparbuch gelegt, weil dann Kapitalertragssteuer angefallen wäre, das Sparbuch für jedermann ersichtlich und eine allfällige Verrechnung mit Verlusten aus Derivaten nicht möglich gewesen wäre.“ Nachsatz: „Der Swap war für uns, nämlich mich, (Kollegen) Christian M., Paulus, und für den (damaligen) Finanz-Landesrat Wolfgang Eisl eine Art Lebensversicherung, um weitere Derivatgeschäfte abschließen zu können.“

Schwere Vorwürfe

„Der Landtag beschließt das Budget und nicht die Landesregierung“, wettert Cyriak Schwaighofer, U-Ausschuss-Mitglied der Grünen. „Wenn dem Landtag Informationen über Hunderte Millionen Euro vorenthalten werden, ist zu prüfen, inwieweit eine Pflichtverletzung vorliegt.“

„Das ist Teil unserer Untersuchung“, sagt der Linzer Rechtsprofessor Meinhard Lukas, der im Auftrag des Landtags den Skandal aufarbeitet. „Es stellt sich die Frage, ob die Vorratsbildung von Geldmitteln außerhalb des Budget-Voranschlags zulässig ist.“

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