SP scheut Festlegung auf ein Berufsheer

SP scheut Festlegung auf ein Berufsheer
Massive interne Debatten über Abschaffung der Wehrpflicht in Gang – keine Abstimmung auf dem Parteitag geplant.

Die ÖVP hat die SPÖ auf dem falschen Fuß erwischt. Mit der Kehrtwende der Volkspartei, doch eine Volksbefragung über die Abschaffung der Wehrpflicht zuzulassen, wurde die SPÖ offensichtlich überrumpelt. Zwar sind die Parteioberen – Bürgermeister Michael Häupl und SPÖ-Chef Werner Faymann – schon vor zwei Jahren auf ein Berufsheer umgeschwenkt, doch bis dato hat die Parteiführung verabsäumt, ihre Basis bei dem Wendemanöver mitzunehmen. Folge: Die SPÖ hat in der sensiblen Frage der Wehrpflicht keine einheitliche Linie. „Unsere internen Umfragen zeigen, dass 30 Prozent unserer Anhänger gegen die Abschaffung der Wehrpflicht sind", bestätigt Wehrpflicht-Befürworter und SPÖ-Verteidigungssprecher Stefan Prähauser.

Jetzt, wo die Volksbefragung bevorsteht, muss im Eilverfahren das Versäumte nachgeholt werden. Pensionisten, Jung-Sozis, Abgeordnete – quer durch die Partei wird in diesen Tagen fiebrig nach einer Linie gesucht. Exemplarisch der Fall des mitgliederstarken Pensionistenverbandes: „Ich persönlich bin massiv gegen die Wehrpflicht, weil man den Jungen sechs Monate für einen sinnlos gewordenen Waffendienst stiehlt. Aber ich kann derzeit nur für meine Person sprechen, nicht für meinen Verband, solange das Thema nicht einem ordentlichen demokratischen Prozess unter den Mitgliedern unterzogen wurde", sagt Pensionisten-Chef Karl Blecha.

Heikles Thema

Bei den SPÖ-Senioren ist dieses Thema ein besonders heikles. Das 1934er-Trauma, als der christlichsoziale Bundeskanzler Dollfuß, Begründer des Austrofaschismus, das damalige Berufsheer losschickte, um in die roten Gemeindebauten zu pfeffern, hallt im Bewusstsein der älteren Sozialdemokraten immer noch nach. Sie haben ein Grundmisstrauen gegen bewaffnete Berufssoldaten im Inland. Die Stimmung lässt sich etwa so umschreiben: Abschaffung der Wehrpflicht mehrheitlich ja, Profis für Friedenseinsätze im Ausland ja, Pioniere für den Katastrophenschutz ja – aber keine 15.000 Mann starke Berufsarmee, wie sie der rote Verteidigungsminister Norbert Darabos plant.

Am Montag bei der SPÖ-Klubklausur wird das Darabos-Modell denn auch sehr kritisch hinterfragt werden. Auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer s Ersatzmodell für den Zivildienst – das freiwillige, bezahlte Sozialjahr – dürfte nicht kommentarlos durchgewunken werden. Vielen sind etwa die 1300 Euro Monatsgehalt zu gering.

Aufgrund der tief sitzenden Vorbehalte gegen ein Berufsheer will die SPÖ-Führung auf dem Parteitag am 13. Oktober auf einen formalen Beschluss, die Wehrpflicht aufzugeben, verzichten. Der Bundesparteivorstand hat bis dato keinen Leitantrag zur Wehrpflicht ausgearbeitet. Es gibt zwar schon Leitanträge zu allem und jedem – von Europa über Bildung bis Sozialpolitik und Arbeitsmarkt – aber zum Wehrdienst gibt es noch keinen. Nach KURIER-Informationen aus der Parteiführung soll das auch so bleiben. Zwar sollen die Berufsheer-Befürworter ihre Empfehlung abgeben, aber das Stimmverhalten am 20. Jänner soll grundsätzlich freigegeben sein. Prähauser: „Das wäre eine salomonische, demokratische Lösung. Es wäre falsch, über die dreißig Prozent Wehrdienstbefürworter drüberzufahren."

Mobilisierung

Man kann die „Tut was ihr wollt"-Methode der SPÖ sympathisch-demokratisch finden. Man kann es andererseits auch für peinlich halten, wenn eine Kanzler-Partei bei einem sensiblen Sicherheitsthema kein Konzept hat, von dem sie wenigstens selbst überzeugt ist. Jedenfalls scheint die Ausgangsposition der SPÖ für die Volksbefragung geschwächt. Denn das Resultat der Abstimmung wird wesentlich davon abhängen, welche Leute überhaupt hingehen. Wenn sich die SPÖ kein klares Kampfziel gibt – wie will sie dann die nötige Mobilisierung zustande bringen? „Das frage ich mich auch", räumt ein roter Polit-Stratege ein.

Hinzu kommt, dass auf der anderen Seite die ÖVP von Kampfgeist erfüllt ist. Zwar gibt es unter ihren Wählern auch viele Berufsheer-Befürworter, aber die schwarzen Funktionäre und Landesorganisationen ziehen hier – kaum zu glauben – an einem Strang. Das war bei der ÖVP- Klubklausur diese Woche in Saalfelden gut spürbar. Auf die Nationalratswahl dürfte das Ergebnis der Volksbefragung jedoch wenig Auswirkung haben. Sie findet erst acht Monate später statt, und das Interesse am Heer wird nach der Befragung rasch wieder abflauen.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

  • Hintergrund

Kommentare