Regierung verteidigt Kompromiss zum EU-Budget

Werner Faymann beschwichtigt am Dienstag.
Die Opposition schießt sich im Parlament auf die Koalition ein - diese beschwichtigt.

Schlagabtausch derzeit im Parlament: Grund ist der Kompromiss zum EU-Budget, der auf verschiedene Reaktionen in der heimischen Politik stößt. Die Koalition hat bei der von ihr beantragten Sondersitzung des Nationalrats heute den Kompromiss verteidigt. Angetan vom "sparsamen Abschluss" zeigte sich vor allem Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), während Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) es dabei beließ, den Budgetentwurf "akzeptabel" zu finden. Ganz anders lautete die Einschätzung von FPÖ-Klubchef Heinz-Christian Strache, der von einem "verheerenden Ergebnis" sprach.

Den Auftakt der Debatte gestaltete der Kanzler, der den Brüsseler Kompromiss zwar nicht euphorisch, aber doch wohlwollend betrachtete. Aus Sicht des SPÖ-Chefs ist der Abschluss "als gutes Ergebnis zu bewerten".

Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit

Konkret spielte der Kanzler auf den Topf zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit an, mehr Mittel für die Forschung sowie darauf, dass beim österreichischen Rabatt zumindest ein Teilziel erreicht worden sei. Auch für den ländlichen Raum habe Österreich gegenüber den ursprünglichen Vorschlägen etwas herausgeholt.

Dass für Österreich eine Obergrenze von 0,31 des BIP für die Netto-Beiträge festgelegt wurde, sieht der Kanzler pragmatisch. Es sei immer klar gewesen, dass jene, die mehr hätten auch mehr leisten müssten. Zudem liege man mit dem Beitrag etwa auf dem Niveau von Frankreich und Großbritannien, während Deutschland 0,38 Prozent leisten müsse.

Spindelegger gibt sich nüchtern

Außenminister Spindelegger, der sich in Zeitungsinterviews kritisch zu Faymanns Verhandlungserfolg gezeigt hatte, gab sich am Dienstag betont nüchtern. Er sei froh, dass es trotz allen Unkenrufen ein Ergebnis gebe. Damit sei unter Beweis gestellt worden, dass Europa funktioniere.

Ungeachtet dessen sei das Ergebnis zwar akzeptabel, aber kein Grund zum Jubeln. Österreich befinde sich im Mittelfeld der Nettozahler, erklärte der Vizekanzler und fügte gleich an, wer aller weniger zu leisten haben. Dass der Rabatt sinkt, bezeichnete Spindelegger als Wermutstropfen, man werde das aber akzeptieren müssen.

Dem EU-Parlament und speziell den Grünen richtete Spindelegger aus, dass es klar sei, dass auch die Union sparen müsse, wenn dies auch die Mitgliedsstaaten müssten. Dass es - wie vom Europarlament gefordert - noch Änderungen am großen Rahmen geben könnte, glaubt der Außenminister nicht. Zurückgewiesen wurde von Spindelegger Kritik an seinen distanzierten Worten zum Budget-Kompromiss.

"Herr Spindelegger, was ist denn mit ihrem Veto?"

Dass Spindelegger dereinst in Sachen Finanzrahmen die Vetokeule geschwungen hatte, gab FPÖ-Chef Strache Anlass, den ÖVP-Obmann ins Visier zu nehmen: "Herr Spindelegger, was ist denn mit ihrem Veto?". Und was die Bauern betrifft, würden die nunmehr 72 bis 73 Millionen an Rückflüssen weniger bekämen. Da würden sich die Landwirte in Niederösterreich anschauen, betonte der freiheitliche Obmann im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl.

Als Hauptverantwortlichen für das "verheerende Ergebnis" erkannte Strache jedoch den Kanzler. Dieser werde als "teuerster Bundeskanzler in die Geschichte eingehen", habe er doch mit dem Budget Österreich einen "finanzpolitischen Karfreitag und ein vorzeitiges Milliarden-Osterei" beschert. Pro Jahr würden sich die Netto-Beiträge um 100 Millionen erhöhen, echauffierte sich der FPÖ-Chef.

"Schottischer Sparsamkeitsrock" für Faymann

Regierung verteidigt Kompromiss zum EU-Budget
APA11527792 - 19022013 - WIEN - ÖSTERREICH: (v.L.n.R.) - FPÖ-Chef Heinz Christian Strache mit "Schottenrock", Finanzministerin Maria Fekter, Vizekanzler Michael Spindelegger und Bundeskanzler Werner Faymann während einer Sondersitzung des Nationalrates zu Thema "EU-Bubget" am Dienstag, 19. Februar 2013, im Parlament in Wien. APA-FOTO: ROBERT JAEGER
Schließlich hatte Strache noch ein Mitbringsel für Faymann mit - einen "schottischen Sparsamkeitsrock", den der Kanzler ungerührt auf der Regierungsbank entgegennahm.

Allzu toll fand das SPÖ-Klubchef Josef Cap nicht, sei Strache doch nicht einmal mutig genug gewesen, den Schottenrock selber anzuziehen. Die großen Worte des FPÖ-Obmanns nimmt Cap nicht so ernst. Ob Strache den glaube, dass alle in Schockstarre erstarren würden, wenn er nach Brüssel käme, fragte der rote Klubchef.

Gar nichts hält Cap davon, Verhandlungserfolge schlecht zu machen - und überhaupt findet er, dass man durchaus einmal stolz sei könne, wie man es im Vergleich zu anderen Ländern geschafft habe die Finanzkrise zu bewältigen

Grüne: "Ein Problem und keine Lösung"

Nach der FPÖ haben sich erwartungsgemäß auch die anderen Oppositionsparteien auf die Regierung eingeschossen. Die Grünen sehen im neuen Finanzrahmen "ein Problem und keine Lösung". Das Team Stronach ortete einen "Misserfolg" und das BZÖ forderte gleich die ganze Bundesregierung zum Rücktritt auf.

Für die Grüne Klubobfrau Eva Glawischnig war die Debatte eine "kleinliche Diskussion" und eine "vertane Chance", europapolitische Herausforderungen zu diskutieren. Das Paket für Jugendbeschäftigung findet sie beispielsweise "halbherzig"- hier würde es viel mehr Geld brauchen. Auch mit dem Stil der Diskussion in der Regierung kann sie nichts anfangen: Von der ÖVP habe man schon lange nichts mehr ernsthaftes zur Europapolitik gehört, meinte Glawischnig. Sie könne weder das Verbeißen auf die Agrarförderung noch die Nettozahlerdiskussion nachvollziehen.

Regierung verteidigt Kompromiss zum EU-Budget
APA11528352 - 19022013 - WIEN - ÖSTERREICH: (v.L.n.R.) - BZÖ-Chef Josef Bucher, Finanzministerin Maria Fekter, Vizekanzler Michael Spindelegger und Bundeskanzler Werner Faymann während einer Sondersitzung des Nationalrates zu Thema "EU-Bubget" am Dienstag, 19. Februar 2013, im Parlament in Wien. APA-FOTO: ROBERT JAEGER
BZÖ-Klubobmann Josef Bucher erinnerte daran, dass Österreich Jahr für Jahr zehn Mrd. Euro mehr Schulden mache, gleichzeitig werde Bundeskanzler Faymann mit noch mehr Geld in der Tasche nach Brüssel geschickt. Bucher fragt sich, wie lange sich Österreich die Zahlungen an die EU noch leisten könne. Auch die ÖVP bekam ihr Fett weg: Die Volkspartei habe - für Bucher ein typisches Verhalten - ein bisschen mit der "Vetokeule" gewunken, um tags darauf wieder den Rückzug anzutreten. "Sie sind alle verantwortlich für das ganze Schlamassel", forderte der BZÖ-Chef die gesamte Regierung zum Rücktritt auf.

Lugar: "Misserfolg"

Keinen Grund zur Freude sieht auch Robert Lugar, Klubobmann des Team Stronach, der von einem "Misserfolg" sprach. Man habe den Rabatt zu einem großem Teil eingebüßt und bekomme weniger Förderungen. Lugar hätte sich außerdem gewünscht, dass man mit dem Finanzrahmen gleich Reformen in der EU mitverhandelt hätte - etwa den "Förderwahnsinn" oder den "Wanderzirkus" zwischen Brüssel und Straßburg, den die Neo-Partei per Entschließungsantrag abstellen will.

VP-Klubchef Karlheinz Kopf ortet zwar angesichts des EU-Budgets wie seine Parteikollegen keinen Grund zum Jubeln, beschwor aber in seiner Rede, dass die EU Österreich etwas wert sein müsse, denn die Union müsse handlungsfähig bleiben. Dennoch müssten die meisten Mitgliedsstaaten wegen der Schuldenkrise sparen und da sei es auch völlig legitim, dass man als Nettozahler von der EU zumindest einen kleinen Sparbeitrag verlange. "Besser ein Kompromiss als gar kein Ergebnis", meinte Kopf pragmatisch, der auch bat: "Hör' ma auf mit den Lamentos."

Wir aktualisieren laufend

Was ist der Weg, den Österreich in der EU gehen möchte?“, fragen in einem dreiseitigen Schreiben an Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger EU-Beamte, die aus Österreich kommen. Sie kritisieren die „besorgniserregende Dissonanz“ zwischen Worten und Taten von Politikern. Hochgestochene Erklärungen in Brüssel oder bei offiziellen Besuchen stünden in einem krassen Gegensatz zum Stellenwert der EU in der innerösterreichischen Debatte. Weiters kritisieren die 100 Unterzeichner, dass die Zahl junger österreichischer EU-Beamter „deutlich“ zurückgehe. Dazu trage auch die Neiddebatte über Brüsseler Privilegienritter und hohe Gehälter bei.

Beklagt wird auch das Desinteresse der Regierungsmitglieder an einem intensiven Dialog mit den österreichischen EU-Beamten, die eine „europäische Sichtweise“ einbringen könnten.

Die Antwort der Bundesregierung (beide Briefe liegen dem KURIER vor) fällt karg und technisch aus. Nicht Faymann oder Spindelegger haben den Brief unterschrieben, sondern zwei Sektionschefs aus Kanzleramt und Außenministerium.

Zum Dialog der Österreicher in Brüssel wird es Dienstagabend beim großen Neujahrsempfang von ÖGB und AK in der Österreichischen EU-Vertretung kommen: ÖGB-Präsident Erich Foglar und AK-Chef Herbert Tumpel reisen aus Wien an. Tumpel sagt gleichzeitig Adieu den europäischen Sozialpartnern. Er legt im März sein Amt als AK-Präsident nieder. Österreich hat derzeit 19 EU-Abgeordnete. Ob es nach der Wahl 2014 dabei bleibt oder die Zahl auf 18 reduziert wird, ist offen. Laut Lissabon-Vertrag gibt es nach der EU-Wahl 751 Abgeordnete. Durch den Kroatien-Beitritt könnte Österreich einen Sitz verlieren. „Österreich soll 19 Abgeordnete behalten, eine Reduktion verstößt gegen das Gleichheitsprinzip“, sagt die dafür zuständige Berichterstatterin, die Österreicherin Evelyn Regner.

Anfang 2014 wird Lettland nach enormen wirtschaftlichen Reformen den Euro einführen. Dabei stellen die Oesterreichische Nationalbank und die Botschaft in Riga technische Erfahrungen Österreichs zur Verfügung. Gouverneur Ewald Nowotny wird am Freitag bei einer großen Konferenz im lettischen Parlament darüber sprechen. Dazu Botschafter Stefan Pehringer: „Die Letten sind dankbar über unser praktisches Know-how.“

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