Sobotkas Appell: "Ich bitte die SPÖ, dass sie zur Vernunft kommt"

Sobotka und Brandstetter im KURIER-Gespräch
Vizekanzler Brandstetter und Innenminister Sobotka über das Sicherheitspaket und neue SPÖ-Vorschläge.

KURIER: Herr Vizekanzler, die SPÖ hat einen großen Forderungskatalog für den Ministerrat. Wird die ÖVP bei einer der Forderungen mitgehen?

Wolfgang Brandstetter: Ich halte von Wahlzuckerln gar nichts. Wir haben ein Regierungsprogramm, wo es noch genügend Punkte gibt, die auf die Umsetzung warten. Außerdem orte ich ein Missverhältnis zwischen den nun spontan geäußerten Ideen und jenen Punkten, die noch nicht abgearbeitet sind. Die sind viel wichtiger.

Welche? Brandstetter: Damit meine ich das Sicherheitspaket. Bis heute haben wir keine Rückmeldungen zu den Letztentwürfen, die wir im Nationalen Sicherheitsrat präsentiert haben. Auf Seite 24 des Regierungsprogramms bekennt sich die Regierung zur Überwachung der internetbasierten Kommunikation.

Das heißt Sie nehmen einen neuen Anlauf für das Sicherheitspaket, obwohl Sie vor vier Wochen meinten, das Gesetz hat in dieser Regierungsperiode keine Chance mehr?

Wolfgang Sobotka: Ich frage mich, warum das Regierungsprogramm im Jänner auf ausdrücklichen Wunsch von Christian Kern von allen Regierungsmitgliedern unterschrieben werden musste. Als ich damals die Unterschrift nur unter jene Kapitel setzen wollte, die ich ausverhandelt habe, gab es einen riesigen Aufschrei. Da frage ich mich jetzt: Wofür das Ganze? Fühlt sich die SPÖ an gar nichts mehr gebunden? Dieses Sicherheitspaket nicht zu beschließen, wäre bedenklich und gefährlich. Deswegen fordere ich die SPÖ auf, vom Wahlkampfmodus wieder in den Arbeitsmodus zu kommen. Mehr noch: Ich bitte die SPÖ, hier zur Vernunft zu kommen und nicht neue Nebelgranaten zu werfen. Das Kanzleramt gibt einen Mauerbau in Auftrag, ist aber gegen ein Sicherheitspaket. Das versteht ja keiner mehr.

Die Datenschützer hatten jede Menge Einwände wegen des Bundestrojaners. Wurde das bereinigt?

Brandstetter: Wir haben unter Berücksichtigung aller Einwände der Begutachtungsphase einige Nachbesserungen gemacht.

Sobotka: Wir haben zu zahlreichen Sitzungen in den vergangenen Wochen eingeladen, aber niemand ist dieser Einladung nachgekommen. Die Papiere liegen am Tisch.

Peter Pilz wirft Ihnen vor, dass das Innenministerium mit einem Bundestrojaner unsere Smartphones ausspionieren will, aber gleichzeitig fehlen die Ressourcen beim Verfassungsschutz, um die Salafisten in Graz zu beobachten ...

Sobotka: Es ist schön, dass der Kollege Pilz nun das aufgreift, wofür wir vor zwei Jahren noch geprügelt wurden. Ich glaube, wir haben mehrfach bewiesen, dass wir mit den Möglichkeiten, die wir haben, eine gute Arbeit leisten. Sonst hätten wir in Wien und Graz nicht die radikalisierten Gruppen ausge-hoben. Es stimmt, wir hätten gerne beim Anfangsverdacht schon mehr Möglichkeiten für die Überwachung. Wir sind eines der wenigen europäischen Länder, die keine nachrichtendienstliche Information haben. Solche Gruppen, die am Rande der Radikalisierung marschieren, könnte man nur nachrichtendienstlich noch effizienter beobachten. Wir müssen aber auch gesamtgesellschaftlich daran arbeiten, dass keine Parallelwelten entstehen.

Brandstetter: Man muss die Sicherheitsbehörden auch mit einer besseren rechtlichen Grundlage ausstatten. Deswegen fordere ich, den Tatbestand der Täuschung wieder einzuführen, der gezielt die absichtliche Täuschung von Behörden erfasst. Wenn sich bestimmte Leute, etwa Kindergartenbetreiber oder muslimische Vereine, bei der Kontrolle der Auslandsfinanzierung den Behörden entziehen, indem sie Falschinformationen angeben, sollte das Konsequenzen haben.

Herr Brandstetter, Sie haben sich als Masseverwalter der Regierung bezeichnet, als Sie zum Vizekanzler angelobt wurden. Wie schaut Ihre Bilanz aus?

Brandstetter: Die Bilanz ist gar nicht so schlecht, wenn man an die Dinge denkt, die wir noch umsetzen konnten, wie die Bildungsreform. Ich hoffe nur, dass in den letzten Wochen keine Beschlüsse passieren, die man dann im Nachhinein aufwendig reparieren muss. Deswegen plädiere ich dafür, das Regierungsprogramm prioritär weiter abzuarbeiten. Da sind noch jede Menge Punkte offen.

Sobotka: Ich lese die Punkte vor: Kalte Progression, Wohnbaupaket, Arbeitszeitflexibilisierung, Vereinfachung bei der Mehrfachsicherung, Stärkung der ambulanten Versorgung, die Zumutbarkeit einer Arbeit. Bis heute ist hier nichts passiert. Alles ist da. Man braucht jetzt keine neuen Themen erfinden.

Brandstetter: Alle Sternschnuppen, die nun daherkommen, stehen unter dem Generalverdacht des Wahlzuckerls.

Sobotka: Das ist kein Generalverdacht, das sind Wahlzuckerln.

(Ida Metzger)

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