Sobotka will Speakers’ Corner im Volksgarten

Der neue Nationalratspräsident, Wolfgang Sobotka (ÖVP), bei einer Sondersitzung des Nationalrates im Parlamentsausweichquartier in der Hofburg
Wolfgang Sobotka will dem Amt des Parlamentspräsidenten mehr Gewicht und Lebendigkeit geben.

Er war der Scharfmacher der letzten Großen Koalition, nun muss er in das honorige Amt des Ersten Nationalratspräsidenten schlüpfen. Kann Wolfgang Sobotka das überhaupt? "Ich bin kein Streithansel, sondern lebe auch gerne in Harmonie", so der Historiker. Kritik an seiner Bestellung gibt es genügend: Er sei in das Amt gehievt worden, weil es in der ÖVP sonst keine Verwendung mehr für ihn gab. Oder: Sobotka war in seiner politischen Laufbahn weder Landtags- noch Nationalratsabgeordneter.

Vielleicht wurde der Ex-ÖVP-Minister deswegen nur mit 61,3 Prozent zum Ersten Nationalratspräsidenten gewählt. Er selbst sieht das Ergebnis gelassen. "Alles was selbstverständlich ist, schätzt man weniger. Das Ergebnis ist ein Ansporn und eine Motivation für mich."

Die Kritik an seiner fehlenden Erfahrung als Mandatar will er nicht gelten lassen. Denn, so Sobotka, "es gibt ja auch keinen Probeminister". Was zählt, sei die "politische Erfahrung". Als Landesrat und Minister habe er "mit dem Parlament immer gut zusammengearbeitet".

Wer Sobotka kennt, der weiß, dass er kein Nationalratspräsident sein wird, der nur an der Leitung von stundenlangen Plenar-Sitzungen interessiert ist. Er hat viele Pläne für das Hohe Haus, die "nicht nur für die kommenden fünf Jahre angelegt sind".

Das Parlament öffnen

Sein Ziel ist es, das Image des Parlaments zu heben. Das politische Interesse sei da, das sehe man "an der hohen Wahlbeteiligung. Was die Menschen aber nicht mögen, ist das Hick-Hack."

Der Niederösterreicher möchte den Bürgern die Schutzfunktion des Parlaments für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bewusst machen. "Sie müssen erkennen, welche hohen Güter das sind." Vor allem zu den Künstlern und den Wissenschaftlern will der neue Parlamentschef verstärkt den Kontakt suchen. "Weil sie ein besonders Sensorium für Veränderungen haben, die sich im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich abspielen."

Da die neue Regierung einen ersten Schritt in Richtung direkte Demokratie macht, will der Nationalratspräsident einen Beteiligungsprozess für die Bürger starten. Nur noch die Besucher auf die "Galerie zu führen und ihnen das Parlament zu zeigen, wird zu wenig sein".

Vorbild Hyde Park

Sobotkas Vorbild ist der Londoner Hyde Park, wo man ohne Voranmeldung am Speakers’ Corner Reden halten kann. "Wir müssen zum Sprachrohr der Sprachlosen werden. Ich hätte gerne einen Speakers’ Corner im Volksgarten. Das fände ich spannend." Zusätzlich soll auch eine elektronische Variante des Speakers’ Corner geschaffen werden.

Ein weiterer Eckpunkt seiner Amtszeit wird sein, die Erfahrungen des österreichischen Parlamentarismus in Länder wie Serbien, Mazedonien oder Bosnien-Herzegowina zu tragen. "Österreich hat das Frauenwahlrecht schon 1919 gehabt. Die Schweiz erst 1971. Wir waren also 52 Jahre früher dran. Dieser Stärke sollten wir uns bewusst sein."

Im Hintergrund

Sobotka will Speakers’ Corner im Volksgarten
ABD0093_20171220 - WIEN - ÖSTERREICH: (v.l.) Die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ), die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) und der neue Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), im Rahmen einer Sondersitzung des Nationalrates im Parlamentsausweichquartier in der Hofburg am Mittwoch, 20. Dezember 2017, in Wien. - FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER

Auch wenn der Ex-Minister nicht mehr im Tagesgeschäft seine Rolle finden muss, so wird er trotzdem im Hintergrund aktiv sein: "Dort, wo mich der Kanzler braucht." So wurde Sobotka bereits in die Länder ausgeschickt, um die Fusion der Krankenkassen zu verhandeln.

Blutet ihm das Herz, dass nun das Innenministerium in blauer Hand ist? "Ich halte Herbert Kickl für einen sehr fähigen Politiker, der genügend Fingerspitzengefühl hat, um die richtigen Entscheidungen zu treffen." Auch die Konzentration der Geheimdienste bei der FPÖ wischt er vom Tisch. "Wenn unsere demokratiepolitische Grundstruktur damit ein Problem hat, hätte man das auch schon in bisherigen Fällen, wo es bei einer Partei lag, anmerken müssen."

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