Sind Politiker nur noch gierig und schmierig?

Der Kunde ist in der Schule noch nicht König
U-Ausschuss: Die letzte Chance auf Selbstheilung der verlotterten Republik.

Wenn Christa Kummer oder Markus Wadsak in der Zeit im Bild das Wetter von morgen ansagen, dann hängen die Österreicher gläubig an ihren Lippen. Wenn Werner Faymann oder Michael Spindelegger am Bildschirm auftauchen, dann glauben ihnen die Österreicher kein Wort. Wetterfrösche hängen Politiker in der Glaubwürdigkeit mit 70 zu 5 Prozent ab. Dieses jüngste Umfrage-Ergebnis markiert einen historischen Tiefpunkt. "Die da oben" sind bei "denen da draußen" unten durch: gierig, schmierig und am Gängelband –, aber nicht an dem ihrer Arbeitgeber, den Steuerzahlern. In den Parteien regiert die Panik. Droht ihnen das Schicksal ihrer italienischen Schwesterparteien? Nach Platzen der Skandal-Blasen von Parteigängern implodiert bald die ganze Partei? Jüngste Panikattacke: Die bisher verhaltensunaufällige VP-Frauenchefin will, dass der Korruptions-Ausschuss seine Arbeit sofort einstellt. Denn: "Man will uns vernichten."

Eine bizarre Schuld-Umkehr: Vernichten jene Politiker die letzten Spurenelemente an Glaubwürdigkeit, die täglich neue Ungeheuerlichkeiten aufdecken? Oder sind es doch jene, die Zustände wie diese weiter zulassen? Der blaue Lobbyist Meischberger kassiert 140.000 Euro von der Telekom, um sich als ihr "Aug und Ohr" bei Karl-Heinz Grasser umzutun. Der schwarze Strippenzieher Alfons Mensdorff-Pouilly streift 1 Million für Geschäfte ein, die seinen Telekom-Verbindungsmann den Kopf kosten – wofür bleibt im Dunkeln.

Gepantsche Politik

Die Herren Pilz, Petzner, Jarolim, Amon & Co. sind – auch wenn sich einige bisweilen so gerieren – nicht die Reserve-Kottans der Republik. Sie haben vielmehr zu erhellen, warum es so weit kommen konnte, und wie das künftig zu unterbinden ist. Das machen sie so gründlich und ergiebig wie kein U-Ausschuss zuvor. Die Abgeordneten zeichnen ein Sittenbild, das nicht verschwindet, wenn man den Volksvertretern den Spiegel aus der Hand schlägt. Mit den verluderten Sitten und dem Irrglauben, das Land sei für sie ein willfähriger Selbstbedienungsladen, können nur die Politiker selber aufräumen. Eine schonungslose Diagnose im U-Ausschuss ist ihre letzte Chance auf Selbstheilung.

Der Bundespräsident hat sich als Parlamentarier nicht als Freund von U-Ausschüssen profiliert. Im KURIER-Interview hofft er aber, dass das Skandal-Großreinemachen im Hohen Haus die gleiche Wirkung hat wie der Weinskandal 1985: Damals wollten Winzer minderwertigen Wein im großen Stil mit dem Frostschutzmittel "Glykol" trinkbar machen. Die Folge: Mehrjährige Haftstrafen und eines der strengsten Weingesetze der Welt. "Made in Austria" ist heute keine gefährliche Drohung mehr, sondern ein Exportschlager.

Heinz Fischer will das Aus für gepanschte Politik noch in seiner Amtszeit erleben. Ihm und uns wäre zu wünschen, dass es ihm nicht so ergeht wie Vorgänger Rudolf Kirchschläger. Er proklamierte 1980 das Trockenlegen der "Sümpfe und sauren Wiesen" in der Politik. Sie gedeihen bis heute besser denn je.

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