Schwarze Metamorphosen im Nationalrat

Kern und Mitterlehner, der Kanzler und sein Vize.
Die neue Regierungslinie machte sich bereits im Auftreten der ÖVP-Spitze im Nationalrat bemerkbar.

In der Nationalratssitzung, die von neuen Regierungsmitgliedern geprägt war, machte ausgerechnet ein besonders altes den Anfang: Alois Stöger stellte sich in einer Fragestunde den Abgeordneten, als einziger SPÖ-Minister, der vom ursprünglichen Kabinett Faymann II übrig geblieben ist. Vielleicht lag es auch daran, dass ihm kaum jemand zuhörte. Die Abgeordneten im Saal waren mit ihren Smartphones beschäftigt, ihren Tablets, den Sitznachbarn und dem Thema des Tages, der anstehenden Regierungserklärung Christian Kerns.

Die neue ÖVP

Die Galerie war fast bis auf den letzten Platz gefüllt, als der neue Kern seine Pläne für die Wirtschaftspolitik und die Zusammenarbeit in der Koalition im Groben präsentierte. Konkrete Maßnahmen blieb der Neo-Kanzler noch schuldig. Einige sichtbare Veränderungen hat er dennoch bereits bewirkt. Beim Auftreten des ÖVP-Personals.

ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka ist schon vor seiner Angelobung als Kerns schärfster Kritiker aufgefallen. Er hatte ihn einen "teuren Manager" genannt und sich dafür eine öffentliche Rüge seines Parteichefs Reinhold Mitterlehners eingehandelt. Vom Rednerpult des Nationalrats gab er sich am Donnerstag konziliant, selbstironisch und verabschiedete sich mit der Feststellung, dass die Bundesregierung nun eine bessere sei. Lopatka, bisher stets ein Stachel im Fleisch der SPÖ, scheint besänftigt. Wie lange das anhält, bleibt aber abzuwarten.

Denn kurz zuvor während Christian Kerns Rede hatte sich Lopatka fast demonstrativ in seine Unterlagen vertieft, kaum einmal aufgeschaut und wenn, dann nur halb unter der Tischkante geklatscht, etwa als Kern die Unterstützung privater Investitionen in der Wirtschaft versprach.

Mitterlehner: "Ich will"

Veränderungen im Auftreten waren auch bei Reinhold Mitterlehner offensichtlich. Er wurde bekannt dafür, bei Pressekonferenzen nach Ministerratssitzungen Grimassen zu ziehen, wenn sein Gegenüber Werner Faymann am Wort war. Nun hat der Vizekanzler Kerns Angebot eines Schulterschlusses angenommen. Von der Regierungsbank aus hielt ein Plädoyer für den Neuanfang, weit energischer als man es von ihm gewohnt ist. „Ich will und, ich glaube, meine Seite will auch“, sagte er. Der Paarlauf mit Kern erinnerte bereits an die Kooperation zwischen den damaligen Koalitionspartnern Franz Voves (SPÖ) und Schützenhöfer und ihrer sogenannten "Reformpartnerschaft" in der Steiermark.

Für Mitterlehner könnte der Pakt eine Chance sein, seine Position innerhalb der ÖVP zu festigen. Doch die Mühen der österreichischen Realpolitik, der Ausgleich zwischen Ländern, Bünden, Kammern und Gewerkschaften stehen dem Duo noch bevor.

Den Nationalrat erfasste der Alltag schon etwas früher. Nach der Debatte zur Regierungserklärung standen Rechnungshofberichte und eine Reihe von Oppositionsanträgen auf der Tagesordnung. Da war das große Publikum des Vormittags wieder so schnell verschwunden, wie es aufgetaucht war.

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