Sie sollen die künftige Koalition formen

Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache
100 Verhandler, 50 Experten, eine Steuerungsgruppe, fünf Cluster und 25 Untergruppen. Die Architekten der künftigen Koalition wurden benannt, die kleinen Rädchen noch nicht. Ein Überblick.

Heute soll es erstmals konkret werden. In fünf Clustern wollen FPÖ und ÖVP über das künftige Regierungsprogramm verhandeln. Freilich sind die Gespräche nicht öffentlich, allerdings ist bereits bekannt, wer welches Thema nach außen vertreten wird und welche Experten hinzugezogen werden (können).

Insgesamt sollen rund 150 Personen (100 Verhandler und 50 Experten) in den kommenden Wochen an der schwarz-blauen Regierung basteln. Dafür definiert die sogenannte Steuerungsgruppe – jener Zirkel, der die Verhandlungen leiten soll – fünf Themenbereich mit spezifischen Fachgruppen.

Sie sollen die künftige Koalition formen
Grafik: ÖVP-FPÖ-Cluster: Regierungsverhandlungsteams FOTOS: FPÖ Harald Stefan:APA/Herbert Neubauer v. 23.05.2017, 46-99648927 Walter Rosenkranz: APA/Hans Punz v. 01.09.2017, 46-102044502 Hubert Fuchs: Parlamentdirektion/Simonis v. 10.10.2017, 46-103315975 Dagmar Belakowitsch: APA/Helmut Fohringer v. 30.10.2013, 46-58333138 Axel Kassegger: APA/Helmut Fohringer v. 30.10.2013, 46-58333032 ÖVP Josef Moser: APA/Herbert Pfarrhofer 17.08.2017 , 46-101682989 Wolfgang Sobotka: Jeff Mangione v. 19.10.2017, 46-103908829 Bettina Glatz-Kremsner: Jeff Mangione v. 19.10.2017, 46-103893052 August Wöginger: APA/Sabine Hoffmann v. 10.09.2016, 46-85624553 Elisabeth Köstinger: APA/Helmut Fohringer v. 17.10.2017, 46-103844516

Im Cluster "Staat und Gesellschaft" stehen einander der ehemaligen Rechnungshofpräsident Josef Moser und Harald Stefan gegenüber. Moser war von 1992 bis 2002 Direktor des freiheitlichen Parlamentklubs und war somit an der Organisation der ersten schwarz-blauen Koalition beteiligt. Für Kurz trat er als unabhängiger Kandidat auf Platz drei der Bundesliste an. Der FPÖ-Angeordnete Stefan ist Mitglied der schlagenden Burschenschaft Olympia. Für die Freiheitlichen sitzt er seit 2008 im Parlament.

Aus der bisherigen Regierungsmannschaft sitzt Innenminister Wolfgang Sobotka am Verhandlungstisch. Er wird mit dem bisherigen Bildungssprecher der FPÖ, Walter Rosenkranz, das Thema „Sicherheit, Ordnung und Heimatschutz" behandeln. Dass Sobotka bei den Verhandlungen teilnimmt, könnte so gelesen werden, dass er auch Teil der künftigen Regierung sein wird. Walter Rosenkranz ist Mitglied der deutschnationalen Burschenschaft Libertas. Zuletzt wurde darüber spekuliert, ob Rosenkranz als FP-Spitzenkandidat in Niederösterreich im kommenden Jahr antreten wird. Auf Wunsch von Parteichef Heinz-Christian Strache bleibt er nun aber in der Bundespolitik.

Themenschwerpunkt "Standort": Für die ÖVP verhandelt die stellvertretende Parteichefin Bettina Glatz-Kremsner. Die Casinos-Austria-Vorständin ist seit Sommer Bundesparteiobmann-Stellvertreterin und sitzt auch in der Steuerungsgruppe. Ihr gegenüber sitzt der Steuerberater und FPÖ-Abgeordneten Hubert Fuchs. Der Salzburger Fuchs ist Finanzsprecher der Freiheitlichen im Parlament und wird dem liberalen Flügel zugeordnet. Er gilt als möglicher Finanz-Staatssekretär oder allfälliger Kandidat im Wirtschaftsressort.

Um "Soziales, Fairness und neue Gerechtigkeit" kümmern sich August Wöginger für die ÖVP und die Freiheitliche Dagmar Belakowitsch, die seit 2006 im Parlament sitzt. Vor rund zwei Jahren ließ sie mit der Forderung aufhorchen, abgelehnte Asylwerber mit Militärmaschinen abzuschieben, "denn dann könnten sie da drinnen schreien, so laut sie wollen". ÖAAB-Bundesobmann Wöginger ist seit 15 Jahren im Nationalrat. Er wird als künftiger Klubobmann der ÖVP gehandelt.

Des Themas "Zukunft" nehmen sich ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger und FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel Kassegger an. Köstinger sitzt ebenfalls in der Steuerungsgruppe und wird neben VP-Chef Kurz die Richtung der Verhandlungen vorgeben. Der Kurz-Vertrauten wird das Amt des Außenministers zugeschrieben. Zuletzt kam der Steirer in die Schlagzeilen, weil eine Rede von ihm in der rechtsextremen Postille Aula, Zentralorgan der FPÖ-Burschenschafter, abgedruckt worden war. Sie endete mit dem Satz "Heil Deutsche Burschenschaft."

Parallel zu den Verhandlungen werden übrigens drei Beamte aus dem Finanzministerium die Parteichefs Kurz und Strache über den finanziellen Spielraum der kommenden Regierung aufklären. Am Montag konnten keine konkreten Zahlen genannt werden, bis Freitag wolle man gemeinsam mit den Finanzbeamten den Kassasturz präsentieren.

Expertengruppen der ÖVP und FPÖ

Während den Verhandlungen wollen die politischen Vertreter auf Experten zurückgreifen. Die sollen zwar nicht selbst am Verhandlungstisch Platz nehmen, aber inhaltlich beraten. Auf ÖVP-Seite befinden sich darunter etwa Sacher-Chefin Elisabeth Gürtler, Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner, der Bildungsexperte Andreas Salcher, die ehemalige Belvedere-Chefin Agnes Husslein, die Generaldirektorin für öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, sowie die Unternehmerin Monika Langthaler (ehemalige Abgeordnete der Grünen), Antonella Mei-Pochtler (Boston-Consulting), der Finanzexperte Gottfried Haber und der Sozialrechtler Wolfgang Mazal.

Die FPÖ setzt dagegen auf Experten, die auch eine enge Verbindung zur Partei haben. Rechtsanwalt Rüdiger Schender saß bis 2002 für die FPÖ im Nationalrat. Heta-Vorstandsmitglied Arnold Schiefer war Kabinettsmitarbeiter von FPÖ-Verkehrsministerin Monika Forstinger und ihren Nachfolgern Mathias Reichhold und Hubert Gorbach. Reinhart Waneck war von 2000 bis 2004 Gesundheitsstaatssekretär der Freiheitlichen und Barbara Kolm, Präsidentin des Friedrich August v. Hayek Instituts, saß für die FPÖ im Innsbrucker Gemeinderat. Der emeritierter Professor für Physik Herbert Vonach war jahrelang Obmann des Freiheitlichen Familienverbandes und soll die Verhandler zur Familienpolitik beraten.

Sie sollen die künftige Koalition formen
Personen in den Verhandlungsteams von ÖVP und FPÖ GRAFIK 1087-17, Format 88 x 96 mm

Wer die restlichen Experten sind und welche Rolle sie konkret bei den Verhandlungen spielen, ist bisher noch nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Auch über die restlichen Verhandler, die in den 25 Untergruppen der fünf Clustern sitzen, ist noch nichts bekannt. Gemutmaßt wird, dass vor allem Politiker aus den Ländern nach Wien kommen könnten. Immerhin sitzen derweil keine hochkarätigen Vertreter der Bundesländer und/oder Sozialpartner in den Verhandlungen - weder ganz oben (Steuerungsgruppe) noch in der Mitte (Cluster).

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