Schelling: "Pensions-Hunderter bringt keine einzige Stimme"

Schelling in Jerusalem: Neue Unternehmen in Israel, alter Polit-Stil in Österreich
Der Finanzminister kritisiert "Kuhhandel ohne Kühe". Der Hunderter wird steuerfrei ausbezahlt.

Finanzminister Hans Jörg Schelling ist auf die Regierungsspitzen schlecht zu sprechen. Schelling durchlebt eine Situation, die er als Manager aus der Wirtschaft zutiefst ablehnt: Er muss einem völlig unsachlichen politischen Kuhhandel auf dem Rücken der Steuerzahler zuschauen.

Der Hintergrund: Die Regierung hat sich im Frühjahr darauf geeinigt, die Bauern wegen mannigfacher Einkommensverluste (Frost, Hagel, Russland-Sanktionen etc) zu entschädigen. Doch in großkoalitionärer Logik müssen - wenn die "schwarzen" Bauern etwas bekommen - auch die "roten" Pensionisten etwas kriegen. Folglich verlangte Kanzler Christian Kern, dass jeder ASVG-Pensionist einen Hunderter bekommen müsse.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner stimmte dem schwarz-roten Kuhhandel zu und stellte Schelling vor vollendete Tatsachen. Damit nicht genug. Weil die als "rot" geltenden ASVG-Pensionisten einen Hunderter kriegen, verlangt der schwarze Arbeitnehmerbund ÖAAB, dass auch die als "schwarz" geltenden pensionierten Beamten einen Hunderter bekommen. Das ganze Paket wird nun hinter Schellings Rücken zwischen ÖVP und SPÖ-Sozialminister Alois Stöger verhandelt.

Der Hunderter soll außerdem steuerfrei ausbezahlt werden, auch an Leute, die 4000 € Pension haben. "Die Pensionsversicherung wird das brutto für netto auszahlen müssen", glaubt Schelling. Der Finanzminister kritisiert das Vorhaben grundsätzlich: "Ich habe nichts gegen Kuhhandel, aber nur unter der Bedingung, dass mit Kühen gehandelt wird. Was hier passiert, ist das Gegenteil eines New Deal. Ich war immer gegen diese Art, Bargeld zu verteilen. Und ich glaube nicht, dass die Parteien dadurch auch nur eine einzige Stimme bekommen."

Schellings Modell wäre gewesen, Pensionen bis 1050 Euro (Medianpension) um 1,2 Prozent zu erhöhen, jene darüber um 0,8 Prozent. "Das wäre nachhaltig und sozial fair gewesen", sagt Schelling.

Dienstreise nach Israel

Der KURIER führte das Interview mit dem Finanzminister auf der Rückreise von Israel. Schelling hatte den Abschluss eines neuen Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Israel genutzt, um sich über die rege Start-up-Szene Israels ein Bild zu machen.

In Tel Aviv gibt es eine der lebendigsten Gründerszenen der westlichen Welt. Mehr als 8000 Start-ups entstanden hier in den letzten zehn Jahren, allein 2015 waren es mehr als 1400. Innovationszentren und Co-Working-Spaces prägen die Atmosphäre von Tel Aviv, mehr als 320 multinationale Unternehmen, darunter Microsoft, Google und die deutsche Telecom, haben hier Forschungsabteilungen eröffnet, um von dem Kreativ-Pool zu profitieren.

In Zeiten, in denen neue Arbeitsplätze fast nur noch von Start-ups geschaffen werden, ist Tel Aviv für Wirtschaftspolitiker eine ebenso wichtige Pilgerstätte geworden wie die Grabeskirche in Jerusalem für Katholiken. Schelling ist beides, Wirtschaftspolitiker und katholisch.

In Tel Aviv galt Schellings besonderes Interesse den neuen Finanzdienstleistern. Eines der zahlreichen Start-ups ist "BLender", ein globales, digitales Von-Mensch-zu-Mensch-Geldleihservice. "Solche neuen Formen der Finanzdienstleistung außerhalb des klassischen Bankbetriebs gewinnen an Bedeutung", sagt Schelling.

Die traditionellen Banken sind noch unentschieden, wie sie mit der neuen Konkurrenz umgehen sollen: Manche sind fürs Bekämpfen, andere schauen sich an, was die Kreativen entwickeln, und kaufen die Innovation, wenn’s ins Konzept passt, ein. Auch die Finanzminister in der EU haben noch keine regulatorische Antwort auf den wachsenden Fintech-Sektor gefunden – zumindest keine einheitliche. In Großbritannien ist die Zulassung von Fintech-Start-ups liberal, in Deutschland mittel-streng, in Österreich streng.

Start-up-Service

Österreich bietet seinen Start-ups ein Coaching-Service an, um von der israelischen Szene zu lernen. Demnächst wird das Programm für 2017 ausgeschrieben, für das sich ca 50 Unternehmen bewerben sollen, zehn werden ausgewählt. Was sich österreichische Gründer von den israelischen abschauen können, ist das Denken in großen Dimensionen. "Ähnlich wie in Österreich ist der israelische Markt viel zu klein. Daher ist das Ziel jedes Unternehmens der globale Markt", sagt Günther Schabhüttl, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Tel Aviv.

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