200 Millionen Euro Spielgeld

Interview mit Maria Fekter in ihrem Büro im Finanzministerium. Geführt hat das Interview Helmut Brandstätter, CR vom Kurier
Salzburg: Die Landesregierung bestreitet, Wohnbaugeld zur Gänze verspekuliert zu haben.

Hat die Regierung in Salzburg Schulden in Höhe von 1,8 Milliarden Euro beim Bund aufgenommen, um damit bei Börsen und Banken zu zocken? Finanzministerin Maria Fekter hatte in den SN diese Vermutung angestellt: Das Land habe einen 1,8-Milliarden-Kredit bei der Bundesfinanzierungsagentur ÖBFA aufgenommen, aber nur 700 Millionen Schulden ausgewiesen.

Von einer Milliarde Spielgeld kann aber keine Rede sein: Bundesrechnungshof und ÖBFA bestätigen zwar einen Salzburger Schuldenstand von 1,8 Milliarden Euro; rund eine Milliarde Euro davon entfallen aber auf den Wohnbaufonds. Das sei auch im Salzburger Rechnungsabschluss ausgewiesen.

Was mit den Mitteln des Wohnbaufonds genau passiert, entzieht sich der Kenntnis der ÖBFA. „Wir sind kein Kontroll- oder Aufsichtsorgan“, sagt der für die Bundesländer und das Risikomanagement verantwortliche Geschäftsführer der ÖBFA, Klaus Kumpfmüller.

Wohnbaugelder

Tatsächlich könnte zumindest ein Teil des Wohnbaugeldes als Spielgeld gedient haben – allerdings „nur“ rund 200 Millionen Euro. Konkret lief das so ab: „Ab 2006 haben wir unser Finanzierungssystem umgestellt“, erklärt SPÖ-Wohnbaulandesrat Walter Blachfellner. Dazu musste der Fonds zuerst die Banken auskaufen – um 660 Millionen Euro, heißt es aus dem Büro von Noch-Landesrat David Brenner.

Die Idee dabei: Fortan sollten die Wohnbaukredite, die Bürger bei Banken aufnehmen, nicht mehr vom Land gefördert werden, sondern das Land gibt seither über den Wohnbaufonds selbst Kredite aus. „Im Zuge der Umstellung der Finanzierung von gemeinnützigen Wohnbauten hat das Land 245 Millionen Euro zurückbekommen“, erzählt Landesrat Blachfellner. „202 Millionen Euro brauchte ich nicht sofort. Daher hat der Wohnbaufonds 2006 dem Land Salzburg 202 Millionen Euro über eine Anleihe gegeben.“ Darüber gebe es einen schriftlichen Vertrag. „Was die Finanzabteilung in der Zwischenzeit mit dem Geld getan hat, wusste ich nicht.“

Offenbar hat die für die Landesfinanzen zuständige Referentin R., gegen die die Justiz mittlerweile umfassend ermittelt, damit gezockt. Am 26.November erklärte R. ihren Vorgesetzten, 202 Millionen Euro – ohne deren Wissen – spekulativ veranlagt zu haben.

Derzeit kann noch niemand sagen, ob das Geld noch vorhanden ist. R. hat laut Protokoll gestanden, mit ihren Spekulationen rund 340 Millionen Euro Buchverluste eingefahren zu haben. Im Auftrag der Landesregierung wird die Schadenshöhe aktuell geprüft. Mitte Jänner soll Klarheit herrschen.
Paulus im Visier

Unterdessen hat als Folge des Finanzskandals Personallandesrat Sepp Eisl eine Disziplinaranzeige gegen den Leiter der Finanzabteilung, Eduard Paulus, eingebracht. Paulus habe am 15. Oktober Brenner über 253 nicht gemeldete Derivate informiert, bei einer Budgetklausur vier Tage später aber kein Wort gesagt. Nun soll ein mögliches Fehlverhalten untersucht werden (mehr dazu hier).

Nicht nur in Salzburg wurden Wohnbaugelder am Kapitalmarkt veranlagt. Prominentestes Beispiel ist Niederösterreich. Der Erfolg der Veranlagung ist heftig umstritten: Während die ÖVP die Veranlagung verteidigt, kommt von der Opposition heftige Kritik.

Anlass dafür bietet der Rechnungshof: Der stellte schon 2010 fest: „Die Performance der veranlagten Gelder unterschritt bis Ende 2008 das langfristige Ergebnisziel des Landes um knapp eine Milliarde.“

Anfang Dezember hieß es, die Lücke sei seitdem nicht aufgeholt worden. Der zuständige Landesrat Wolfgang Sobotka hingegen erklärte zuletzt, dass seit 2002 ein Wertzuwachs von 824 Millionen Euro erwirtschaftet wurde: Das entspreche durchschnittlich einem Plus von 2,2 Prozent. „Es gibt keinen Verlust, es gibt einen Minderertrag zum angepeilten Ziel“, sagt Sobotkas Sprecher.

Kapital geschrumpft

Schon 2002 beschloss Niederösterreich, seine Wohnbaudarlehen zu versilbern. Von den künftigen Einnahmen errechnete man den aktuellen Wert (Barwert), indem man einen Zinssatz von 4,7 Prozent zugrunde legte. 4,4 Milliarden Euro standen mit einem Schlag zur Verfügung. Dieses Geld verteilte man auf Vermögensverwalter – und hoffte auf fünf Prozent Rendite. „Erst ab diesen Netto-Renditen erwachsen dem Land wirtschaftliche Vorteile aus der Transaktion“, schrieb 2010 der Rechnungshof.

Doch bis September 2011 lag die Rendite laut RH nur bei 1,8 Prozent. Gleichzeitig holte sich das Land 1,09 Milliarden Euro an Auszahlungen ins laufende Budget. Das Vermögen schrumpfte. „4,4 Milliarden haben wir in vier Tranchen veranlagt“, heißt es aus dem Büro Sobotka. „Aktueller Stand sind 3,3 Milliarden.“ Allerdings habe man damit 870 Millionen an Schulden getilgt.

Zudem ging man anfangs recht forsch an die Sache heran: Bis 2008 waren laut Rechnungshof 38 Prozent des Portfolios hochspekulative „alternative Investments“. Nach der RH-Kritik reagierte man, senkte den Anteil auf maximal 16 Prozent, führte Berichtspflichten ein, beim besonders riskanten „Structured Credit Portfolio“, das zuletzt 390 Millionen schwer war, sogar wöchentlich.

Könnte man sich vorstellen, diese riskanten Geschäfte nach der Causa Salzburg aufzugeben? „Der Landtag hat die Regierung aufgefordert, mit der Bundesregierung in Verhandlungen über einheitliche Finanzierungsrichtlinien einzutreten“, so Sobotkas Sprecher: „Wir warten noch ab, was kommt.“

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