Roter Applaus für die Öffnung zu den Freiheitlichen

Annäherung: Christian Kerns erstes öffentliches Aufeinandertreffen mit dem FPÖ-Boss gefiel in der SPÖ weitgehend
Kerns amikaler Umgang mit Strache stößt nicht nur bei Rot-Blau-Fan Niessl auf Zustimmung.

Die geladenen Manager laben sich an Hirschsteak und Rotwein, der Saal ist in warmes Licht getaucht. Auf dem Podium sitzt Bundeskanzler Christian Kern. Als er beim "Dinner-Talk" des Handelsblattes nach der FPÖ gefragt wird, fällt ihm die Antwort leicht. "Ich persönlich halte die FPÖ für keinen Bündnispartner", sagt Kern zum Moderator. Die FPÖ mache nur Politik gegen die Menschen, nie für etwas.

Wer den SPÖ-Chef am 14. November in den Wiener Sofiensälen gehört hat, bei dem konnte nur diese eine Botschaft hängen bleiben: Die Kern-SPÖ will bei der FPÖ nicht anstreifen, Punkt.

Schauplatzwechsel: Zehn Tage nach dem Dinner-Talk treffen einander Kern und Strache bei einer Live-Diskussion für Ö1. Anstatt ihn ab- oder auszugrenzen, behandelt Kern den freiheitlichen Parteichef ausnehmend freundlich. Auf die Frage, ob die FPÖ hetze, gibt Kern keine klare Antwort; stattdessen sagt er, es gehe der FPÖ natürlich auch um das Wohl der Österreicher (der KURIER berichtete).

Rotes Kalkül

Was ist passiert? Sind die Blauen also doch nicht so daneben, wie es den Top-Managern beim Dinner-Talk vermittelt wurde? Während Politik-Kommentatoren noch rätseln, worin genau das Kalkül des SPÖ-Chefs besteht, begrüßen führende Funktionäre Kerns Rhetorik.

Salzburgs SPÖ-Chef Walter Steidl, seine Tiroler Kollegin Elisabeth Blanik, ja selbst Sonja Wehsely, eine der prononciertesten Vertreterinnen des FPÖ-kritischen Wiener Freundeskreises, gaben sich am Donnerstag wohlwollend: Kerns Auftritt sei extrem professionell gewesen.

Zum Artikel: "Wie hält es die SPÖ mit der FPÖ? Eine Chronologie"

Der Kärntner SPÖ-Geschäftsführer Daniel Fellner sagt: "Es ist richtig, sich in einen Diskurs zu begeben." Es sei besser, "inhaltliche Unterschiede herauszuarbeiten, als sich zu beflegeln". Auch der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer merkt gegenüber dem KURIER nur Positives an: "Ich habe Strache am Mittwoch im Rahmen meiner Initiative ,Ein Österreich – eine Gesetzgebung’ zu einem intensiven Gespräch getroffen." Es gehe darum, Argumente, nicht Emotionen auszutauschen. "Man muss mit jedem reden, das ist Demokratie. Und genau so klar steht die SPÖ zu ihren Werten."

Neue Gesprächskultur

Reden ja, aber koalieren nicht unbedingt – das scheint die nun gültige Linie zu sein.

Für Hans Niessl, Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann, ist das wohl das Mindeste. Immerhin ist Niessl seit mehr als einem Jahr mit den Freiheitlichen in einer Koalition. "Die Ausgrenzung der FPÖ hat dazu beigetragen, dass sie einen zusätzlichen Stimmenzuwachs hatte", sagt Niessl zum KURIER.

Was Kern und Strache gemacht haben, ist für Niessl "grundvernünftig. Der Hofburg-Wahlkampf polarisiert enorm. In dieser Phase ist es wohltuend, dass der Kanzler versucht, zur Beruhigung einen Beitrag zu leisten."

Soviel zur neuen Gesprächskultur zwischen Rot und Blau.

Neue Bedingung

Bemerkenswert ist, dass Niessl nun eine weitere Bedingung nennt, die es für eine künftige Koalition geben solle. Die SPÖ arbeitet ja an Kriterien, die – egal mit wem auch immer man über eine Regierungsbeteiligung verhandelt – bei den Verhandlungen schlagend werden.

Für die burgenländischen Roten ist klar: Die Besteuerung von Vermögen ist ein Muss. Was ist, wenn die ÖVP auch in Zukunft bei ihrem dezidierten Nein bleibt? Niessl antwortet darauf trocken: "Dann muss man sich dafür einen anderen Partner suchen." Und spätestens nach den positiven Reaktionen auf Kerns Annäherung an Strache ist klar: Niessl ist beileibe nicht der Einzige in der SPÖ, der das so sieht.

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