Roger Willemsen liest, Verzetnitsch hört zu

Publizist Roger Willemsen las im Parlament seine Beobachtungen aus dem deutschen Bundestag „Hohes Haus“ vor
Hohes Haus als Hörsaal. Beobachtungen aus dem deutschen Bundestag, Merkel & Motivkrawatten.

Publizist Roger Willemsen statt Kanzler Faymann, Schauspielerin Annette Schiedeck statt Sozialminister Hundstorfer und Radio-Moderator Jens-Uwe Krause statt Vizekanzler Mitterlehner auf der Regierungsbank.

An diesem Abend ist im österreichischen Parlament alles verkehrt. Einzig Nationalratspräsidentin Doris Bures ist hier nicht fehl am Platz– und sitzt doch falsch. Beinah alle 183 Sitze sind mit Wählern besetzt, die hören wollen, wie es laut Willemsens Buch "Das Hohe Haus" im Deutschen Bundestag zugeht. Darunter Studenten, Paare, Pensionisten – und von der Tribüne sichtbar ein Ex-Politiker: Der einstige ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch.

"Ich habe für Sie ein Jahr lang gelitten", leitet Willemsen ein, "und möchte Ihnen davon etwas abgegeben." Die Lacher sind auf seiner Seite. Dass er auf der deutschen Tribüne vom 7. Jänner bis zum 19. Dezember 2013 nicht viel zu lachen hatte, wird auf der österreichischen binnen der ersten fünf von 90 Minuten schnell klar.

Es sind Original-Zitate wie "Eine gute Basis ist die beste Grundlage für Europa" oder "Ernährung als elemen-tarer Bestandteil der Daseinsvorsorge" aus dem Plenarsaal damals, die jetzt unzweifelhaft komisch klingen – und gleichzeitig an inhaltlichen Debatten zweifeln lassen.

Ersteres liegt maßgeblich an Schauspielerin Schiedeck, die Angela Merkels Stimme preisverdächtig zu imitieren imstande ist, und an Willemsens Wahrnehmungen. Dass "Ursula von der Leyens Schlaghosen wie Sockel stehen" und Journalisten auf Sahra Wagenknechts Stiefel stieren, will man sich vorstellen. Dass für den Publizisten "alles auf den Barrikaden begann und mit Motivkrawatten im Arbeitsausschuss endet", nicht.

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