Regierung will in Jung und Alt investieren

Faymanns Leitsatz für die Klausur: "Es muss etwas zwischen streiten und kuscheln geben können, nämlich arbeiten."
Faymann & Co. präsentierten sich bei ihrer Klausur emsig und betont harmonisch.

Wir arbeiten hart: Diese Botschaft wollte die Regierung mit ihrer zweitägigen Klausur in Waidhofen/Ybbs (NÖ), einst bekannt für Eisenverarbeitung, vermitteln. Die rot-schwarze Koalition braucht auch dringend eine Imagepolitur. Es gilt den Ruf loszuwerden, SPÖ und ÖVP haben sich in ihrem Regierungsprogramm nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und vage Vorhaben geeinigt.
Und so hoben Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) auch demonstrativ konkrete Pläne hervor. Die Devise laute, „konsequent sparen, aber auch investieren“, betonte der Regierungschef. Sparen müssen die Ministerien bekanntlich bei ihren „Ermessensausgaben“ (nicht fix verplant) – 500 Millionen 2014. Wo es Einschnitte geben wird, blieb allerdings unbeantwortet.

Viel ausführlicher referierten Faymann und Spindelegger, wo sie investieren wollen: in Familien, Jugendliche, den Arbeitsmarkt und Betriebe. Einiges ist noch unausgereift, manches liegt aber schon relativ detailliert auf dem Regierungstisch:

Ausbildungspflicht für Junge

So wurde etwa fixiert, dass ab September 2016 alle 15- bis 18-Jährigen eine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung absolvieren müssen. Das heißt, sie müssen in die Schule gehen oder eine Lehre machen. Ein solches Modell gibt es derzeit etwa schon in den Niederlanden.

„Wir haben das Problem, dass uns jährlich rund 8000 Kids abgleiten“, schildert Sozialminister Rudolf Hundstorfer im KURIER-Gespräch. Schlecht qualifizierte Menschen haben naturgemäß schlechtere Jobchancen und laufen eher Gefahr, in die Armut zu schlittern. „Das ist die programmierte Altersarmut“, sagt Hundstorfer. Dagegen will der Minister mit der Ausbildungspflicht ankämpfen. Wer keinen Lehrplatz bekommt und keine Schule besuchen will, soll in einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte unterkommen, verspricht Hundstorfer. Absolvieren Jugendliche keine Lehre oder Schule, droht den Eltern eine Verwaltungsstrafe von 440 Euro.

Lohnsubvention für Ältere

Damit mehr ältere Menschen länger arbeiten, wird es mehr „Eingliederungsbeihilfen“ geben. Derzeit fließen jährlich rund 50 bis 60 Millionen an Lohnsubvention, um Betriebe zu motivieren, ältere Mitarbeiter aufzunehmen. Künftig sollen es bis zu 350 Millionen sein. In der Praxis funktioniert das System so: Unternehmer bekommen Geld vom Staat, wenn sie Menschen aufnehmen, die über 50 Jahre alt und länger als ein halbes Jahr arbeitslos sind. Das finanzielle Zubrot soll in etwa so hoch wie das Arbeitslosengeld sein. Wie lange die Firmen die Finanzspritze bekommen, ist noch offen – jedenfalls länger als derzeit (drei bis sechs Monate), sagt Hundstorfer. Bisher gelingt es, mit der Beihilfe 60 Prozent der Empfänger wieder in einen Dauer-Job zu bringen. Mit der Ausweitung der Lohnsubvention will der Minister das noch steigern.

Familienbeihilfe

Fix ist nun auch, dass die Familienbeihilfe schrittweise angehoben wird: Ab Juli 2014 wird sie um vier Prozent steigen. 2016 und 2018 soll es nochmals ein Plus von je zwei Prozent geben. Das Schulstartgeld (100 Euro im September für alle 6- bis 15-Jährigen) wird – entgegen den ursprünglichen Plänen – nicht gestrichen. „Das war mir wichtig, weil der Schulstart für die Eltern eine finanzielle Herausforderung ist“, sagte Familienministerin Sophie Karmasin im KURIER-Gespräch.

Spindelegger frohlockte, die Regierung investiere insgesamt „1,58 Milliarden Euro für die Familien (inklusive Ausbau von Ganztagsschulen und Kindergärten)“ – und 200 Millionen Euro stünden für „Offensivmaßnahmen für Unternehmen“ zur Verfügung.

Kuscheln vs. Kämpfen

„Das war eine gute Klausur, nicht nur von der Atmosphäre, sondern auch den inhaltlichen Ergebnissen“, lobte Spindelegger sich und das gesamte Team. Faymann betonte die „gute Zusammenarbeit“, fügte aber hinzu: "Es muss etwas zwischen streiten und kuscheln geben können, nämlich arbeiten.“ Da wird wohl niemand widersprechen.

Den Live-Bericht zur Regierungsklausur können Sie hier nachlesen.

Unterschiedlich waren die Reaktionen auf die erste Klausur der neuen Regierung am Mittwoch in Waidhofen/Ybbs. Die Industriellenvereinigung (IV) etwa bewertet die Ergebnisse in einer Aussendung als "durchwachsen". Die Gewerkschaftsjugend hielt fest, dass Strafen "kein Allheilmittel" sind. Kritik setzte es von der Opposition, Lob vom Familienbund.

IV-Präsident Georg Kapsch erklärte: "Zwar wurden einige Akzente zur Stärkung der Unternehmen, des Standorts und des Exports gesetzt. Es sind jedoch weiterhin keine Strukturreformen erkennbar." Angesichts der enormen Herausforderungen für den Industrie- und Arbeitsstandort sei das im Regierungsprogramm Vorliegende insgesamt "zu wenig", um die dringend benötigten Arbeitsplätze zu schaffen. Die "Infrastrukturoffensive" sei grundsätzlich positiv, so Kapsch.

Die Österreichische Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) begrüßt, dass sich die Regierung um die Ausbildung nach der Pflichtschule kümmert. Wichtig sei jedoch eine qualitativ hochwertige Ausbildung, die zum Lehrabschluss führen müsse und nicht kurzfristige Unterbringungen in AMS-Kursen, betonte ÖGJ-Vorsitzender Sascha Ernszt. Er forderte, auch die Betriebe in die Pflicht zu nehmen. Geldstrafen für Eltern hält Ernszt hingegen nicht für zielführend.

"Ideenlosigkeit"

Die FPÖ kritisierte die "Mut- und Ideenlosigkeit" der Regierung, die Klausur habe in reinen Absichtserklärungen gemündet, meinte Parteichef Heinz-Christian Strache. "Anstatt endlich eine umfassende Verwaltungsreform in Angriff zu nehmen, agiert die Regierung lieber nach der Loch-auf-Loch-zu-Methode", stellte Strache fest.

Das Team Stronach forderte von der Regierung, das Ausgabenproblem zu lösen, anstatt " immer tiefer in die Taschen der Bürger und Unternehmer" zu greifen. Selbst die "kleine Verbesserung" für Familien sei lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein, kritisierte Klubobfrau Kathrin Nachbaur.

Auf der Regierungsklausur seien drängende Zukunftsfragen ausgeklammert worden, monierten die Grünen. Der Stillstand werde "weiter zelebriert". Klubobfrau Eva Glawischnig erklärte: "Die dringend notwendige Reform des Bildungssystems wurde eben so wenig behandelt wie der dringend notwendige Umbau des Steuersystems in Richtung mehr Steuergerechtigkeit."

Erfreut über die Erhöhung der Familienbeihilfe zeigte sich der Familienbund. "Es ist das richtige Zeichen, dass die 'Familie' in den Mittelpunkt gerückt wurde und somit zentrale Bedeutung für die Bundesregierung hat", so Familienbund-Präsident Bernhard Baier. (APA)

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