Cybermobbing und Zwangsheirat werden strafbar

Justizminister Wolfgang Brandstetter
Die Regierung hat sich auf die Reform des Strafrechts geeinigt. Auf Zwangsheirat steht bis zu fünf Jahre Haft.

Bis zur letzten Minute vor dem heutigen Ministerrat wurde heftig über die Reform des Strafrechts (StGB-Reform) verhandelt. In der so genannten Koordinierungssitzung (Vorbereitung für den Ministerrat) gelang gestern Abend die Einigung. "Die StGB-Reform kommt", bestätigt eine Sprecherin von Justizminister Wolfgang Brandstetter dem KURIER.

Das Werk verdient tatsächlich den Titel "Reform". Insgesamt werden mehr als 200 Paragrafen im Strafrecht überarbeitet – und zwar dem Leitgedanken: Delikte gegen Leib und Leben sollen härter bestraft werden als bisher. Immerhin ist die körperliche und sexuelle Integrität der Bürger mindestens ebenso wichtig wie die ausschließliche Beeinträchtigung von Vermögenswerten.

Ein Beispiel: Einfache Körperverletzung mit dauerhaften schweren Folgen soll künftig mit fünf statt bisher maximal einem Jahr Haft geahndet werden.

Eigener Tatbestand

Zu der Reform gehört auch, dass neue Tatbestände wie "Cybermobbing" (Strafdrohung: bis ein Jahr Haft) oder die "Zwangsheirat im In- und Ausland" (Strafdrohung: bis zu fünf Jahre Haft) eingeführt werden. Bisher war "Zwangsverheiratung" nur unter dem Sammeldelikt "schwere Nötigung" strafbar, nun wird ein eigener Straftatbestand geschaffen. Der Paragraf 6 a des Strafgesetzbuches lautet: "Wer eine Person mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung oder Drohung mit dem Abbruch oder Entzug der familiären Kontakte zur Eheschließung oder zur Begründung einer eingetragenen Partnerschaft nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. " Die Strafdrohung gilt auch, wenn eine Frau unter einem Vorwand ins Ausland gelockt und zwangsverheiratet wird.

"Lautes Nein" genügt

Eine wesentliche Neuerung bietet der Tatbestand der "Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung": Damit sollen künftig auch Fälle strafbar sein, in denen sich Opfer von sexueller Gewalt aus schierer Angst nicht körperlich zur Wehr setzen. Künftig könnte es genügen, wenn das Opfer von sexueller Gewalt einfach laut und deutlich "Nein" sagt.

Beim Bankgeheimnis gibt es insofern keine Einigung, als die Regierung die Kontenöffnung ohne Richter-Kontrolle ins Parlament schicken will. Das ist in dieser Form nicht mehrheitsfähig.

Mehr als 200 Tatbestände wurden im Zuge der Strafrechtsreform überarbeitet, in Kraft treten soll sie am 1. Jänner 2016.

Körperverletzung: Für die bessere Balance werden Delikte gegen Leib und Leben strenger geahndet: Die Strafdrohung für Körperverletzung wird verdoppelt; auf absichtliche schwere Körperverletzung stehen künftig ein bis 15 Jahre Freiheitsstrafe, mit Todesfolge fünf bis 15 Jahre.

Grobe Fahrlässigkeit: Auch Fahrlässigkeitsdelikte werden unter dem neuen Titel "grobe Fahrlässigkeit" schärfer bestraft: Wer grob fahrlässig Menschen tötet, muss bis zu drei Jahre in Haft, sind mehrere Menschen (z.B. bei einem Autounfall) betroffen, bis zu fünf Jahre.

Zwangsheirat: Ein neuer Tatbestand wurde für die (schon bisher strafbare) Zwangsheirat geschaffen, dafür drohen sechs Monate bis fünf Jahre.

Sexualstrafrecht: Als "Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung" werden (mit bis zu zwei Jahren Haft) auch Fälle strafbar, in denen sich Opfer aus Angst nicht wehren.

Sexuelle Belästigung: Lange gefeilt wurde an der Neufassung des Paragrafen 218 zur sexuellen Belästigung. Jetzt drohen bis zu sechs Monate Haft für entwürdigende Berührungen an Körperstellen, die der Geschlechtssphäre zuordenbar sind.

Drogenmissbrauch: "Therapie statt Strafe" heißt der Grundsatz: Kauf und Besitz von Kleinstmengen für den Eigengebrauch führen nicht mehr automatisch zur Strafanzeige, wenn die Betroffenen mit den Gesundheitsbehörden kooperieren. Entgegen dem Erstentwurf soll die Polizei aber auch in diesem Fall alle Möglichkeiten des Ermittlungsverfahrens haben.

Landfriedensbruch: Der Paragraf 274 mit den zwei bzw. drei (bei führender Rolle) Jahren Strafdrohung wird beibehalten für die Teilnahme an einer "Zusammenkunft vieler Menschen", die auf schwere Sachbeschädigung oder Gewalttaten abzielt. Aber leichte Körperverletzung soll unter diesem Titel nicht mehr strafbar sein, ebenso nicht die schwere Sachbeschädigung, wenn es nicht um für die Infrastruktur wichtige Gegenstände geht.

Verhetzung: "Aufstacheln zu Hass" und "Auffordern zu Gewalt" werden schon mit bis zu zwei Jahren bestraft, wenn dies vor etwa 30 Menschen (bisher 150 Menschen) geschieht - und bei "breiter Öffentlichkeit" (150 Menschen) mit drei Jahren. Begehen andere Personen eine Gewalttat, drohen dem Hetzer sechs Monate bis fünf Jahre. Für die Veröffentlichung von Gewalt-und Hasspropaganda in Text oder Bild in "breiter Öffentlichkeit" droht ein Jahr Haft.

Vermögensdelikte: Die Strafrahmen werden nach neuem Entwurf zwar beibehalten, aber die Wertgrenze wird hinaufgesetzt: Diebe oder Betrüger müssen erst mit bis zu zehn Jahren Haft rechnen, wenn ihnen ein Schaden von mehr als 300.000 Euro (bisher 30.000, im Erstentwurf noch 500.000 Euro) nachzuweisen ist. Es erfolgt auch eine klarere Unterscheidung zwischen einmaligen Tätern und professionellen Kriminellen. Bei Wiederholungstätern wird strenger bestraft als beispielsweise bei Ladendiebstählen. Nach Bedenken in der Begutachtung wurden die Kriterien für die "Erwerbsmäßigkeit" etwas (über die "Absicht" hinaus) erweitert. Stärker unterschieden wird auch zwischen Einbrüchen in Wohnräume (sechs bis fünf Jahre) und in Geschäfte, Büros und ähnliches (drei Jahre).

Sozialbetrug: Alle "betrügerischen" Anmeldungen und auch deren Vermittlung werden strafrechtlich erfasst.

Bilanzfälschung: Die - bisher über mehrere Gesetze verstreute - Regelung wird vereinheitlicht und "auf das wirklich Strafwürdige" begrenzt. Eine falsche oder unvollständige Darstellung soll nur mehr strafbar sein, wenn sie schweren Schaden für Verband, Gesellschafter, Gläubiger oder Anleger verursachen kann. Für diese Fälle wurde die Strafdrohung auf zwei Jahre verdoppelt. Unterschieden wird künftig aber zwischen unternehmensangehörigen und externen Personen, auch Sparkassen, große Vereine etc. werden einbezogen.

Cyberkriminalität: Der technische Fortschritt macht auch vor der Strafrechtsreform nicht Halt. Das Ausspähen von Daten unbarer Zahlungsmittel (Kreditkarten, Bankomatkarte etc.) und Cybermobbing werden unter Strafe gestellt. Eine schwerwiegende Verletzung der Intimsphäre im Internet ist mit bis zu einem Jahr Haft bedroht. Führt die Tat zum (versuchten) Selbstmord, drohen bis zu drei Jahre.

Diversion: Die Diversion - also der Verzicht auf ein Strafverfahren gegen Geldbuße oder Tatausgleich - wird auch für Delikte zugelassen, die zwar vor einem Schöffen- oder Geschworenengericht abgehandelt würden, aber mit nicht mehr als fünf Jahren Haft bedroht sind. Das sind z.B. Gründung "staatsfeindlicher Verbindungen", Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole, Angriff auf oberste Staatsorgane, Ansammeln von Kampfmitteln, räuberischer Diebstahl und auch Landfriedensbruch. Nach Protesten in der Begutachtung hat Justizminister Wolfgang Brandstetter auf das Vorhaben, Diversion in Fällen von Gewalt in der Familie zu verbieten.

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