Raidl: "Kann meinen Sohn leider nicht wählen"

Vater und Sohn: Claus Raidl gehört zu den Alt-Granden der ÖVP; Sohn Gregor kandidiert für die pinke Konkurrenz
Die Raidls: Der Vater ist Nationalbank-Präsident und zählt zum ÖVP-Adel. Sohn tritt für Neos an.

KURIER: Herr Raidl, Sie gelten als "Erzschwarzer". Was läuft in der ÖVP-Wien schief? Ursula Stenzel wechselte zur FPÖ. ÖVP-Urgestein Ferry Maier beneidet die Neos um Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger. ÖVP-Spitzenmann Manfred Juraczka hat einen niedrigen Bekanntheitsgrad. Hat die ÖVP die Wien-Wahl schon abgeschrieben?

Claus Raidl: Auch ich beneide die Neos in Wien um ihre Spitzenkandidatin. Es ist ein Glück, dass die ÖVP auf Bundesebene den Reinhold Mitterlehner hat. Die Neos sind durch die vielen Streitereien innerhalb der ÖVP Wien für die Bürgerlichen sicherlich attraktiver geworden. Über die Motivation der Frau Stenzel will ich kein Wort verlieren. Wenn so etwas passiert, frage ich mich nur, welchen Typ Mensch zieht die Politik an? Das gilt für das Team Stronach, aber auch für den Wechsel der Stronach-Mandatare zur ÖVP – und das gilt für die Frau Stenzel. In diesem Punkt unterscheiden sich die Neos deutlich. Sie ziehen Menschen an, die der Sache dienen wollen und nicht ihren Vorteil suchen.

Schmerzt es Sie nicht, dass die ÖVP Wien so kampflos aufgibt?

Claus Raidl: Was ich immer gefragt werde, ob es mich nicht stört, dass mein Sohn für die Neos antritt? Da antworte ich immer: Das ist nicht mein Problem, sondern das der ÖVP Wien. Die Neos sind eine politische Richtung, der ich in weiten Teilen zustimmen kann. Bei den Neos wächst eine junge Generation an Politikern heran, die weder in diesem Kammerstaat verankert ist, noch das Pfründe-Denken hat.

Gregor Raidl: Es war eigentlich nicht mein Plan, in die Politik zu gehen. Als ich im Juli 2013 aus der Türkei zurückgekommen bin, wo ich fünf Jahre gearbeitet hatte, habe ich gesehen, dass sich in Österreich eigentlich nichts verändert hatte. Da habe ich einen Rappel bekommen. Weder die Bildungsreform noch eine Pensionsreform waren angegangen worden, auch in Verwaltung und Föderalismus war alles beim Alten geblieben. Es war wirklich völliger Stillstand in fünf Jahren. Und auch heute tut sich noch nichts.

Wie schätzen Sie Ihre Chancen als Spitzenkandidat in Wien-City ein, nachdem Stenzel dort für die FPÖ antritt?

Gregor Raidl: Ursula Stenzel ist ein Symptom für die Politik in Wien. Ihr Wechsel zeigt, dass es hier nur um den Postenschacher geht. Das Gleiche gilt für die SPÖ, die einen grünen Mandatar abwirbt, damit sie eine Demokratiereform verhindern kann. Dieses Verhalten ist für mich und viele andere auch abstoßend. Wir haben jetzt im ersten Bezirk die Chance, dass wir die Dinge selber in die Hand nehmen.

Herr Raidl, haben Sie die Neos auch finanziell unterstützt?

Claus Raidl: Ja, ich habe beim Nationalratswahlkampf gespendet und jetzt unterstütze ich meinen Sohn mit kleinen Spenden bei seinem Wahlkampf, wenn er im Finale vielleicht Dreiecksständer braucht. Da geht es um ein paar Hundert Euro. Ich bin kein Frank Stronach.

Werden Sie Neos wählen?

Claus Raidl: Meinen Sohn kann ich leider nicht wählen, weil ich nicht im ersten Bezirk wohne. Ich warte das Wahlkampffinale noch ab. Aber ich gebe zu, keine andere Partei hat eine so frische, sympathische Spitzenkandidatin wie die Neos.

In welchen Punkten trennen sich Vater und Sohn politisch?

Claus Raidl: Gregor ist vielleicht wirtschaftsliberaler als ich. Über die Rolle des Staates sind wir nicht immer einer Meinung. Gregor ist marktradikaler als ich. Er ist der Meinung, dass man die Marktwirtschaft mehr wirken lassen könnte, und sich der Staat weniger einmischen sollte. Da antworte ich meinem Sohn immer: Warte nur, bis du älter bist.

Gregor Raidl: Ich bekämpfe leidenschaftlich den Kammernstaat. Das kritisiert mein Vater zwar auch, aber ich bin da sicher mit mehr Elan dahinter. Es ist ja interessant, dass die ÖVP in Wien plakatiert, dass sie 25.000 Jobs schaffen will. Gleichzeitig ist es aber der Kammernapparat, der vieles unternimmt, um das Unternehmertum zu verhindern. Es ist sicher nicht die Aufgabe der Politik, Jobs zu schaffen, sondern der Unternehmer. Die Politik müsste nur die Rahmenbedingungen für das Unternehmertum schaffen.

Die Kritik an den Kammern trennt Sie ja nicht. Wo liegen Sie wirklich konträr?

Gregor Raidl: Einen Punkt gibt es schon, das ist der Hypo-Skandal. Mein Vater sieht die Hypo aus seiner Institution heraus. Ich war gegen die Verstaatlichung und für eine Abwicklung der Bank.

Herr Raidl, Sie als Präsident der Österreichischen Nationalbank sehen die Verstaatlichung als Notwendigkeit ...

Claus Raidl: Ja, die Notverstaatlichung habe ich als alternativlos gesehen. Hier haben wir schon sehr lang diskutiert.

Die Neos hatten nicht gerade einen Erfolgsrun bei den letzten Landtagswahlen. Warum soll es ausgerechnet in Wien klappen?

Gregor Raidl: In Wien erleben wir einen unglaublichen Zuspruch. Wir haben die Petition "Aufbegehren" gestartet. Hier fordern wir, dass 120 Millionen Euro leicht eingespart und in die Bildung gesteckt werden könnten. Etwa, wenn man die 1200 Bezirksräte oder das Inseratenvolumen der Stadt Wien halbiert. Dafür haben wir schon fast 20.000 Unterschriften gesammelt. Ich mache mir keine Sorgen, dass wir nicht in den Landtag kommen.

Wo sehen Sie die Gründe dafür, dass der Hype um die Neos abgerissen ist?

Claus Raidl: Es ist das erste Mal, dass eine Partei beim ersten Antreten ins Parlament gekommen ist. Das ist schon ein großer Erfolg. In der Folge sind ein paar unglückliche Personalentscheidungen getroffen worden. Auch Matthias Strolz hat inhaltlich nicht die glücklichsten Formulierungen gefunden.

Ist es eine Schicksalswahl für die Neos?

Claus Raidl: Das sehe ich als Außenstehender auch so.

Wie viel Prozent schaffen die Neos bei der Wien-Wahl?

Gregor Raidl: Ich tippe auf acht Prozent. Wir kommen sicher in den Landtag und haben damit einen Hebel, wo wir Anträge stellen können.

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