Psychologie: Erfolgreich im Job – gefühlt ein Versager

Zanchetta: "Teufelskreis aus Selbstzweifel, Angst, Stress und übermäßigem Arbeitseinsatz."
Viele liefern gute Leistungen ab – und halten sich dennoch für unfähig. Psychologin Zanchetta erforscht das "Hochstapler-Phänomen".
Von Uwe Mauch

Es gibt noch keine gesicherten Zahlen, doch Mirjam Zanchetta hält es für realistisch, „dass bis zu 70 Prozent der Berufstätigen schon einmal darunter gelitten haben“. Seit fünf Jahren forscht die Psychologin von der Universität Salzburg zum so genannten „Hochstapler-Phänomen“.

Hochstapler sind Leute, die vorgeben, mehr zu sein als sie real sind. Vom „Hochstapler-Phänomen“ spricht die Psychologie, wenn sich jemand für einen Hochstapler hält, obwohl er keiner ist.

Mirjam Zanchetta ist Universitätsassistentin an der Abteilung für Wirtschafts- und Organisationspsychologie der Universität Salzburg. Sie präzisiert: „Die Betroffenen liefern sehr gute Leistungen und werden auch von anderen für fähig gehalten. Innerlich sind sie aber davon überzeugt, dass sie nichts können.“

Erstmals beschrieben wurde der Widerspruch zwischen Sein und Schein von Pauline Clance und Suzanne Imes – im Jahr 1978. Die beiden US-Psychologinnen konnten belegen, dass auffallend viele erfolgreiche Frauen der Meinung sind, dass sie nicht besonders intelligent sind und von anderen überschätzt werden.

Sein und Schein

Mirjam Zanchetta fand nun mit Hilfe von standardisierten Tests und Interviews heraus, dass sich nicht nur erfolgreiche Frauen für unqualifiziert halten: „Im modernen Wirtschaftsleben ist das Phänomen weit verbreitet.“

Die Betroffenen führen ihren Erfolg demnach auf glückliche Umstände oder Zufall zurück und sehen ihn bestenfalls als Produkt ihres Fleißes. „Sie sind unfähig, an ihre eigenen Leistungen und Fähigkeiten zu glauben – und leben in der ständigen Angst, als Betrüger aufzufliegen.“

Die Psychologin Zanchetta schließt aus ihren Befragungen: „Das ist ein ewiger Teufelskreis aus Selbstzweifel, Angst, Stress und übermäßigem Arbeitseinsatz. Das Hochstapler-Phänomen ist somit auch ein klassischer Fall von Selbstsabotage.“

Diese Form der Sabotage kann auch den wirtschaftlichen Erfolg von Firmen beeinträchtigen, betont Expertin Zanchetta: „Wenn Menschen mit Hochstapler-Phänomen tolle Stellen angeboten werden, lehnen sie sie oft ab, aus der Angst, als inkompetent entlarvt zu werden.“

Ging man zunächst davon aus, dass dieser Trugschluss ein unveränderliches Persönlichkeitsmerkmal ist, wird er heute als phasenweise Reaktion auf bestimmte Ereignisse gesehen – eine Auffassung, die auch Zanchetta vertritt.

Stellt sich die Frage: Was hilft dagegen? Als nachhaltig erfolgreich hat sich ein spezielles Coaching-Programm erwiesen, das die Psychologin mit ihren Kolleginnen Eva Traut-Mattausch und Anna Muck entwickelt hat. Eindrucksvoll bestätigt dies eine Studie, an der hundert Nachwuchskräfte in Wirtschaftsunternehmen teilgenommen haben, die Tendenzen zum Hochstapler-Phänomen aufwiesen. Bei Befragungen und Coachings haben Zanchetta und Kolleginnen zudem herausgefunden: „Frauen reden leichter über Selbstzweifel als ihre männlichen Kollegen.“

Sie sind nicht allein

Und was kann jeder für sich tun? „Sich mit anderen austauschen. Ganz wichtig ist die Erkenntnis, dass man mit dem Problem nicht alleine ist,“ sagt die Psychologin.

Es gibt, und das mag nicht überraschen, auch ein gegenteiliges Phänomen: die Psychologin nennt es den „Dunning-Kruger-Effekt“. Dieser steht für inkompetente Hochstapler, die dazu neigen, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen, während sie das tatsächliche Können ihrer eindeutig kompetenteren Kollegen unterschätzen. Das Problem: Ahnungslosen fehlt die Fähigkeit, ihre eigene Ahnungslosigkeit zu erkennen. Lösungen, die sie anbieten, scheinen auf den ersten Blick meist logisch und simpel – am Ende kommen sie dem Unternehmen aber teuer zu stehen, weil sie eben nicht durchdacht sind.

Weiterführende Studien von Mirjam Zanchetta

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