Mensdorff-Prozess: "Richtige Adresse für Schmiergeld"

Der Lobbyist - mit vollem Namen übrigens Alfons Eduard Alexander Antonius Maria Andreas Hubertus Christoph Graf von Mensdorff-Pouilly - vor dem Richter.
Zeuge belastet den Angeklagten. Am Donnerstag fällt das Urteil im Geldwäsche-Prozess.

Zeugenaufmarsch im Geldwäsche-Prozess gegen den Waffenlobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly mit tragikomischen Einlagen. Einer hat sich an einer Hühnerkeule verschluckt und liegt im Spital. Einer hat „per Selbstdiagnose“ (Richter) bei sich eine Lebensmittelvergiftung festgestellt und wird mit dem „Blaulicht-Taxi“ (Polizei) vorgeführt. Und einer belastete den Angeklagten massiv: Mensdorff habe in Ungarn für ein Geschäft mit medizinischen Geräten Schmiergeld verteilt, „da sind Millionen geflossen“.

„Leider ist das nicht Gegenstand der Anklage“, bedauert Richter Stefan Apostol. Im Prozess geht es um 12,6 Millionen Euro, mit denen der britische Rüstungskonzern BAE über Mensdorff Politiker und Beamte bestochen habe, um an lukrative Aufträge zu kommen.

Aber unangenehm für den Angeklagten ist die Aussage des Zeugen Christian P. allemal. Er habe Mensdorff als Sprungbrett in die Politik gesehen und für diesen gearbeitet, berichtet der 50-Jährige. Bei einem 24 Millionen Euro schweren Auftrag in Ungarn (Ausstattung der Spitäler mit neuer medizinischer Technik) sei, wie bei Großprojekten üblich, offen über Schmiergeld gesprochen worden. Der ungarische Gesundheitsminister habe einen hohen Geldbetrag in Forint verlangt. Es hieß, Mensdorff sei „die richtige Adresse“, um das versteckt zu machen; er könne auch zu anderen Ministern „Türen öffnen“.

Abserviert

Allerdings könnte der Zeuge ein Motiv haben, Mensdorff eines auszuwischen. Man habe ihn „abserviert“, und „Sie können sich nicht vorstellen, wie schwer man heute einen Job kriegt, wenn man sagt, man hat für Herrn Mensdorff gearbeitet“.

Verteidiger Harald Schuster erklärt, weshalb Christian P. damals ausgeschieden sei: Weil er in der Dienstzeit Sex-Hotlines angewählt habe. Der Angeklagte selbst will hier keine Schmutzwäsche waschen, meint aber augenzwinkernd, P. habe sich überschätzt: „Er ist schon zehn Jahre weg von mir, er könnte heute schon Bundeskanzler sein.“ Er, Mensdorff, sei stets ohne Schmiergeld ausgekommen, und die Politiker seien mehr am politischen Erfolg als am Geld interessiert.

„Genau dort, wo Sie sitzen, wurde gerade jemand eines Besseren belehrt“, sagt Richter Apostol mit Verweis auf den nicht rechtskräftig wegen Bestechlichkeit verurteilten Ernst Strasser.

Zwei weitere Zeugenauftritte sind für „den Herrn Grafen“, wie ihn viele (gegen den Richter-Einwand: „Wir sind in Österreich“) nennen, heikel. Mensdorffs Erklärung, wohin die Millionen geflossen seien (wenn sie kein Schmiergeld waren), lautet: in Projekte. 4,7 Millionen etwa in das „Emirates Business Center“ in Dubai, das zwei Geschäftsleute aufgezogen haben. Einer ist gestorben, dessen Partner weiß im Zeugenstand nichts von Mensdorff-Investitionen. Man habe das Projekt aus eigener Tasche finanziert. Ein von Mensdorff vorgelegtes Fax des Verstorbenen, mit dem dieser den Geldfluss bestätigt habe soll, ist offenbar plump gefälscht. Und die Mutter des Toten sagt als Zeugin, hätte ihr Sohn über Millionen verfügt, „hätten sich meine persönlichen Verhältnisse in einer 56 Quadratmeter großen Gemeindebauwohnung als erstes geändert.“

Ein anderer Zeuge, der sich erst mit Händen und Füßen gegen seine Ladung wehrte, stützt Mensdorffs Verantwortung und berichtet von Millionen-Investitionen in ein Projekt „Blue Planet“. Die Schmiergeld-Vorwürfe gegen „den Grafen“ seien „abenteuerlich“.

Am Donnerstag fällt das Urteil.

Mensdorff hatte bereits 1992 einen Berater-Vertrag mit dem größten europäischen Rüstungskonzern Europas abgeschlossen, wobei ihm der Ehemann einer seiner Cousinen, Timothy Landon, die Rutsche zu der lukrativen Geschäftsverbindung legte. Landon - ein ehemaliger Geheimagent, der unter dem Beinamen "Weißer Sultan" in den 1970-er Jahren im Arabischen Raum operiert hatte und federführend an einem Staatsstreich in Oman beteiligt gewesen sein soll - entwickelte sich zum Mentor Mensdorffs: Der von BAE Systems anfangs belächelte Graf stieg mithilfe des Millionärs zu einer wesentlichen Stütze für die Briten auf, wobei ihm der Umstand, dass er 1994 die damalige ÖVP-Umwelt- und spätere Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat ehelichte, für Aufbau und Pflege politischer Kontakte und eines weitverzweigten Netzwerkes dienlich gewesen sein dürfte.

Im Rahmen seiner Lobbyisten-Tätigkeit sollte Mensdorff zunächst dafür sorgen, dass bei der Anschaffung von Abfangjägern in Tschechien, Ungarn und Österreich jeweils der von BAE Systems und dem schwedischen Saab-Konzern vermarktete JAS 39 Gripen ausgewählt wurde. Als den Briten aber klar wurde, dass der Konzern mit dem Eurofighter mehr verdienen würde, den BAE-Systems ebenfalls im Angebot hatte, wurde Mensdorff "gebeten, beiseitezutreten und im Prinzip den Eurofighter gewinnen zu lassen", wie ein ranghoher BAE-Manager später der britischen Antikorruptionsbehörde Serious Fraud Office (SFO) berichtete, der nun auch im Wiener Verfahren als Zeuge auftreten soll.

In diesem geht es um insgesamt 12,6 Mio. Euro, die Mensdorff laut Anklage zwischen 2000 bis 2008 unter Zwischenschaltung von Briefkastenfirmen von BAE Systems erhalten und zum Zwecke der Bestechung eingesetzt hat, wobei laut Strafantrag die Geldflüsse mit Scheinverträgen getarnt wurden.

Eine dieser Gesellschaften war etwa die Valurex International SA mit Sitz in Panama, über die Mensdorff jahrelang Berichte an BAE lieferte, um nach außen hin seine Berater-Tätigkeit zu legitimieren. Die Berichte sollen jedoch inhaltsleer und jedenfalls nicht das Geld Wert gewesen sein, das der Graf dafür an Honoraren kassierte. Verfasst haben soll sie der pensionierte Chef der österreichischen Luftwaffe, Josef Bernecker, der im Ruhestand in Mensdorffs Wiener Büro einen Schreibtisch hatte.

Bis zu fünf Jahre Haft

Die Probleme, die sich für Staatsanwalt Radasztics in dem Verfahren ergeben könnten, in dem es für Mensdorff um bis zu fünf Jahre Haft geht: Einerseits dürfte BAE Systems kaum an einer Aufklärung der inkriminierten Vorgänge interessiert sein, zumal der Konzern im Jahr 2010 gegen die Übernahme von Bußzahlungen von umgerechnet 326 Mio. Euro die Einstellung sämtlicher gegen ihn anhängiger Verfahren in Großbritannien und den USA erwirkt hat. Davon profitierte auch Mensdorff-Pouilly, der zu diesem Zeitpunkt in London in U-Haft saß und - nachdem auch die Ermittlungen in England gegen ihn fallen gelassen wurden - im Nachhinein von der britischen Justiz eine Haftentschädigung von 430.000 Euro zugesprochen bekam.

Außerdem sind einige Zeugen, die bei wahrheitsgemäßen Angaben die Darstellung der Wiener Anklagebehörde womöglich stützen hätten können, nicht mehr greifbar: Landon ist bereits 2007 an Lungenkrebs gestorben, Bernecker am Heiligen Abend des Vorjahrs.

Zu denken hat die vierjährige unbedingte Freiheitsstrafe für Ernst Strasser womöglich auch vier anderen ehemaligen Spitzen-Politikern gegeben, die wie Strasser dem zweiten Kabinett Wolfgang Schüssel (Februar 2003 bis Jänner 2007) angehört hatten und gegen die ebenfalls Ermittlungen der Justiz anhängig sind.

Der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach könnten schon demnächst ebenfalls vor Gericht landen. Daneben befinden sich auch Ex-Justizministerin Karin Gastinger und die frühere Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat im Visier der Staatsanwälte.

Mensdorff-Prozess: "Richtige Adresse für Schmiergeld"
Laut Manfred Ainedter, der Verteidiger Grasser, müsse der Ex-Finanzminister durch das Strasser-Urteil nicht mit einer härteren Gangart der Justiz rechnen - obwohl Strasser-Richter Georg Olschak das strenge Urteil unter Bezug auf aktive und ehemalige Politiker mit einer abschreckenden Wirkung auf mögliche Nachahmungstäter begründet hatte. "Nein, sicher nicht. Man kann die Fälle nicht vergleichen. Es wird in der BUWOG-Geschichte keine Anklage geben." Angst vor dem Gefängnis habe Grasser jedenfalls keine. "Mein Mandant schläft genau so gut wie vorher", versicherte Ainedter.

Herbert Eichenseder, Doyen der Strafverteidiger-Zunft und Rechtsvertreter von Ex-Vizekanzler Hubert Gorbach, betonte auf APA-Anfrage ebenfalls, sein Mandant zittere nach der Strasser-Verurteilung nicht. Gegen Gorbach wird in der Telekom-Affäre unter anderem deshalb ermittelt, weil er nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt von der Telekom 264.000 Euro bekommen haben soll. "Da ist noch lange nichts entschieden, das Ermittlungsverfahren läuft", stellte Eichenseder dazu fest.

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