Pröll nach Faymann-Treffen: "Es steht Spitz auf Knopf"

Niederösterreichs ÖVP-Landeschef Erwin Pröll versuchte SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann „den Ernst der Lage“ näher zu bringen.
Werner Faymann und Erwin Pröll suchten Freitag Nacht Auswege aus dem Rot-Schwarzen Patt.

Das Gesprächsklima war freundlich, die Diskussion aber hart. So kann man das Geheimtreffen von Bundeskanzler Werner Faymann mit Landeshauptmann Erwin Pröll gestern Abend in privatem Rahmen in Wien knapp beschreiben, wobei einer von Pröll eingeweiht war: Vizekanzler Michael Spindelegger. Im August, einige Wochen vor der Wahl, trafen die beiden zum „Gemischten Satz“ beim Grinzinger „Pfarrwirt“ zusammen. Vom „Reblauspakt“ war da die Rede, und dass die beiden bereits die Fortsetzung der Koalition vereinbart hätten. Die Koalition gibt es aber noch immer nicht und, wie der niederösterreichische Landeshauptmann am späten Abend zum KURIER sagte, ist sie auch noch nicht sicher: „Ich habe dem Bundeskanzler den Ernst der Lage dargelegt. Wir bewegen uns auf dünnstem Eis. Es kann ohne weiters sein, dass die Gespräche platzen.“

Das Treffen kam auf Initiative des Bundeskanzlers zustande. „Er will seit Wochen mit mir reden“ , sagte Pröll. „Es ist ein glücklicher Zufall, dass wir uns zu einem entscheidenden Zeitpunkt getroffen haben.“

Bedingungen

Warum sind SPÖ und ÖVP nach so vielen Verhandlungsrunden noch immer weit voneinander entfernt? Pröll: „Es gibt eine Reihe von Bedingungen, die noch zwischen Kanzler und Vizekanzler auszuhandeln sind. Zunächst geht es um die Frage des Konsolidierungsbedarfes. Das muss bis 2018 möglichst klar dargestellt werden.“

Aus der ÖVP war zuletzt zu hören, dass Vizekanzler Spindelegger jedenfalls ein Doppelbudget 2014/2015 beschließen will. Pröll hält ein Doppelbudget nicht für unbedingt erforderlich, sieht aber in den beiden kommenden Jahren erhöhten Finanzbedarf: „Wir müssen circa zwei Drittel ausgabenseitig aufbringen und circa ein Drittel einnahmenseitig.“ Erwin Pröll: „Alle Ressorts müssen für diese Jahre einschneidende Maßnahmen setzen.“

Bei der Pension unterstützt Pröll ausdrücklich die Haltung der Bundes-ÖVP, dass schon jetzt Maßnahmen vereinbart werden müssten, sollte die Anhebung des faktischen Pensionsalters auf 60 Jahre nicht wie geplant funktionieren. „Das muss halbjährlich überprüft werden“, so Pröll.

Der Landeshauptmann betonte gegenüber dem KURIER, dass in der Verwaltung viel Geld gespart werden müsse, wobei auch die Länder ihren Beitrag leisten müssten. „ Die Doppelgleisigkeit in der Verwaltung muss beseitigt werden.“

Völlig unterschiedlich war bisher die Meinung der Parteien, wer für die Lehrer zuständig sein soll. Pröll beharrt auch nach dem Treffen mit Faymann: „Bei der Schule bin ich noch immer dafür, dass alle Lehrer zu den Ländern übersiedeln. Die Grundsatz-Gesetzgebung mit dem entsprechenden Controlling soll beim Bund bleiben. Das würde 1200 Dienstposten sparen. “

Privatisierungen

Eine Differenz gibt es auch noch bei möglichen Privatisierungen. Pröll: „Bei Post, Telekom und OMV muss der Staat seine Beteiligung auf 25 Prozent und eine Aktie senken. Die Regierung muss schaffen, was beim Autofahren nicht geht: Bremsen und Gasgeben zugleich. Wenn wir nur die Ausgaben reduzieren, besteht die Gefahr, dass man die Konjunktur drosselt. Darunter würde der Arbeitsmarkt leiden. Wir brauchen also Geld aus den Privatisierungen, um es neu zu investieren.“ Und: „Es muss jeder Maß halten, um die Gesellschaft zusammenhalten zu können. Da gibt es bei der SPÖ eine Einstellungsänderung seit Spindelegger beim Bundespräsidenten war.“ Pröll versichert: „Ich will eine Regierung zustande bringen.“

Also gut, es dauert halt, bis sich zwei Parteien, die Stimmen verloren haben, die verunsichert sind und sich immer mehr auf ihre Kernwähler konzentrieren, zu einer Regierung zusammenfinden. Und der Prozess des Zusammenfindens wird auch nicht dadurch erleichtert, dass die Macht der schrumpfenden Bundesparteien SPÖ und ÖVP in die starken Bundesländer wandert. Aber die Wähler und Steuerzahler dürfen schon erwarten, dass die Regierung einmal grundsätzlich klärt, wofür sie zuständig ist, was der Staat kann und soll. Wo soll der Bund mehr einheitlich regeln, wo sollen die Länder mehr Kompetenzen bekommen?

Wer etwas über oft unrealistische Erwartungen von Bürgern an die Politik erfahren will, muss nur an einer Telefonstunde mit Landeshauptmann Erwin Pröll teilnehmen. Der eine Anrufer beschwert sich, dass er in der Mödlinger Fußgängerzone kein Geld für die Parkuhren wechseln kann, ein anderer hofft, der Landeschef könne einen rechtskräftigen Bescheid des Verwaltungsgerichtshofs aussetzen. Auch auf soziale Unterstützung für dieses und jenes wird gehofft. Erwin Pröll beschied einer Anruferin ganz klar: „Die Zeiten sind vorbei, wo der Staat für alles sorgen konnte.“

Eine klare Erkenntnis. Aber eine neue Bundesregierung müsste endlich klar sagen, wofür Politik zuständig ist, was in Brüssel, was in Wien und was in den Ländern entschieden wird. Die Verteilung von Kompetenzen bewährt sich dann, wenn sie dem Prinzip der Subsidiarität folgt, aber es müssen endlich die Doppelzuständigkeiten beendet werden, die uns so teuer kommen.

Zuständigkeiten neu ordnen

Manches lässt sich nur europäisch regeln. Gut, dass es die EU gibt. Wer sonst hätte den Banken auf die Finger geklopft, weil sie Zinsen manipulierten. Wer sonst hätte die Macht, sie zu Milliardenzahlungen zu verdonnern?

Die Ziele für unser Bildungswesen müssen zentral im Bund vorgegeben werden. Aber wie soll ein Wiener Beamter wissen, welche Schule in Feldkirch ganztags betrieben werden soll? Dass verschiedene Rechenzentren im Bund und den Ländern ihre eigene IT betreiben, ist absurd. Das kann man zentral steuern.

Wenn alle Unternehmen darauf achten, ihre Kosten in den Griff zu bekommen, warum kann das die öffentliche Hand nicht? Weil sie nicht muss. Weil sie im Zweifel die Steuern erhöht. Und aus dem Hochsteuerland Österreich ein Höchststeuerland machen wird.

Die kalte Progression, die die Steuerzahler jedes Jahr ärmer macht, spüren alle. Davon profitiert nur der Staat, der mehr Steuern erhält, aber trotzdem mit seinem Geld nicht auskommt.

Bundeskanzler Faymann und Landeshauptmann Pröll hatten gestern ein sehr ernsthaftes Gespräch. Den beiden Polit-Profis war klar, dass sich beide Parteien bewegen müssen, dass beide auch Kernwähler enttäuschen werden. Aber alles ist besser, als einfach so weiterzuwurschteln.

Wichtige Verhandlungskapitel – wie die Bildung und das Pensionsthema – sind dem Vernehmen abgeschlossen. Auch bei den Finanzen sind sich Rot und Schwarz deutlich nähergekommen. „Es geht etwas weiter“, bestätigte am Freitag Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer. Das Gesprächsklima sei „gut“. Und doch ist der großkoalitionäre Sack noch nicht zu.

Nicht einmal die budgetäre Schützenhilfe von Notenbankchef Ewald Nowotny, der bis 2015 nur einen Konsolidierungsbedarf von drei Milliarden sieht, ändert daran etwas. Denn selbst die Roten sind vorsichtig geworden. Ein Finanzverhandler der SPÖ sagte, es „könnte ja auch sein, dass sich die Notenbank einmal irrt.“

Lange diskutiert wurde am Freitag jedenfalls im Bundesparteivorstand der ÖVP.

Schon am Vormittag bat Parteichef Michael Spindelegger die schwarzen Landeshauptleute zu sich. Danach tagte ab 13.00 Uhr der gesamten Vorstand. Diskutiert wurde im Kern Zweierlei: Wo sind die roten Verhandlungslinien für die Schwarzen, die selbst jetzt noch zu einem Abbruch der Gespräche führen könnten; und wo sind die medial verkaufbaren Verhandlungserfolge für Spindelegger, dem im Fall des Koalitionsfalles höchstwahrscheinlichen Finanzministers und Vizekanzlers.

Ergebnis: Markante Steuererhöhungen wird es mit der ÖVP nicht geben. Lediglich die beschlossenen Erhöhung der Tabaksteuer dürfte da eine Ausnahme bilden. Gemeint sind aus ÖVP-Sicht die roten Wünsche nach einer Neuauflage der Erbschafts- und Vermögenssteuer.

Absichtserklärungen

Weniger klar ist die Sache mit den Verhandlungserfolgen. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl kritisiert viele „unverbindliche Absichtserklärungen“. „Bei den großen Reformen spießt es sich, darüber muss man reden“, so Leitl. Auch der steirische Parteichef Hermann Schützenhöfer sieht die Gespräche mit der SPÖ „noch nicht am Ziel“. Für Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer ist die Koalition noch „keine gemähte Wiese“.

Auffallend ist, dass nach dem VP-Vorstand Kapitel wie Pensionen oder Bildung als weiterhin offen bezeichnet wurden. Im Gegensatz dazu hatte SP-Verhandler Hans Niessl von einer Einigung und „massiven“ Einsparungen bei den Pensionen gesprochen. Einen Abschluss im Bildungskapitel hatte zuvor auch Salzburgs VP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer bestätigt, der es mitverhandelt hat.

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