Regierung: „Nur kleinster gemeinsamer Nenner“

Regierung: „Nur kleinster gemeinsamer Nenner“
Der Koalitionspakt wird kein großer Wurf. Das könnte sich bei der EU-Wahl rächen.

Eines können SPÖ und ÖVP: Hoffnungen in Illusionen verwandeln. Die Industriellenvereinigung versucht gerade verzweifelt, die letzten Hoffnungsfunken am Glühen zu halten: Sie wendet sich in Inseraten an den „sehr geehrten Herrn Bundeskanzler“ und den „sehr geehrten Herrn Vizekanzler“, sie mögen das Land „zukunftssicher“ machen. Doch von der geforderten Senkung der Abgabenlast auf Arbeit, der radikalen Modernisierung der Strukturen in Bund und Ländern oder einer pädagogisch sinnvollen Bildungsreform sind die Koalitionsverhandler meilenweit entfernt.

Was in den vergangenen Tagen aus den Koalitionsverhandlungen durchsickerte, ist Tristesse pur. Die Gespräche zwischen SPÖ und ÖVP standen laut Angaben von beiden Seiten mehrfach kurz vor dem Abbruch. Am wildesten geht es in der Gruppe der Finanzverhandler zu.

Sagt die ÖVP zur SPÖ: „Eure Steuerideen könnt’s gleich einpacken, da brauch’ ma gar nicht weiterreden.“

Antwortet die SPÖ: „Wenn ihr nicht einmal uns’re Modelle anhören wollt’, könn’ ma gleich aufstehen.“

Die SPÖ verbucht die Episode als „Erfolg“, weil die ÖVP ihr Erbschaftssteuermodell wenigstens anhörte. . .

Die ÖVP klagt, sie stoße bei der SPÖ mit allen Reformideen nur auf Beton. Die SPÖ kontert, der Reformeifer der ÖVP sei nur in SPÖ-Interessenssphären ausgeprägt, erlahme aber schnell bei der schwarzen Klientel. Außerdem seien die ÖVP-Verhandler – wie so oft – entlang der Bündeinteressen zersplittert. Ätzt ein SPler: „Wir sitzen vier ÖVP-Fraktionen gegenüber, wobei Maria Fekter in sich allein zwei verkörpert.“

Regierung: „Nur kleinster gemeinsamer Nenner“
Die ÖVP, unter Druck durch die reformorientierten Neos und die Wirtschaft (siehe Industrie-Inserat), war schon drauf und dran, in Opposition zu gehen. Verhärmt durch die Widerstände in der SPÖ meinte sie, dann solle die SPÖ eine Minderheitsregierung machen, baldige Neuwahlen müsse man eben in Kauf nehmen.

Letztlich dürfte die Neuwahl-Idee dann doch nicht so toll erschienen sein. Bei der Masse der Wähler sind Pensionsreformen ungefähr so beliebt wie Masern. Jene Minderheit, die Reformen verlangt, würde gleich Neos wählen. Die ÖVP würde zwischen SPÖ und Neos zerrieben, warnen Strategen.

In den letzten Tagen setzte in der ÖVP jedenfalls ein Sinneswandel ein. Hatten die Schwarzen Sozialminister Rudolf Hundstorfer zu Wochenbeginn wegen seines Widerstandes beim Pensionsalter noch als „Betonierer“ betitelt, wurde er gegen Ende der Woche als „konstruktiver Verhandler“ gelobt.

In Verhandlungserfolgen schlägt sich der Stimmungsumschwung allerdings noch nicht nieder. „Wir machen drei Schritte nach vorn und zwei zurück. Es läuft unheimlich zäh“, sagt ein SPÖ-Politiker. Ein ÖVPler meint: „Diese Koalition wird nicht das größte gemeinsame Vielfache, sondern der kleinste gemeinsame Nenner.“

Ein solches Schmalspurprogramm könnte sich bald rächen. Denn auch ohne vorzeitige Nationalratswahlen steht die neue Regierung schneller als ihr lieb ist, auf dem Prüfstand: Am 25. Mai sind EU-Wahlen (siehe Hintergrund). Ein Stratege: „Wenn durch einen Fehlstart eine Denkzettel-Stimmung aufkommt, könnte die FPÖ erstmals zur stärksten Partei werden.“

Schon in sechs Monaten können die Bürger wieder ihre Stimme abgeben: Am 25. Mai 2014 findet die EU-Wahl statt. Und dieser Urnengang verspricht spannend zu werden.

In den Parteien laufen bereits die ersten Vorbereitungen. Einige Personalentscheidungen sind schon gefallen, manches ist noch nicht entschieden: In der SPÖ möchte Delega­tionsleiter Jörg Leichtfried gerne als Spitzenkandidat an den Start gehen. Auch EU-Abgeordnete Evelyn Regner wird genannt. In der ÖVP – sie war 2009 mit 30 Prozent stärkste Partei – sind die Würfel noch nicht gefallen. Delegationsleiter Othmar Karas würde gerne als Nummer eins ins Rennen gehen. Offen ist aber noch, ob ÖVP-Chef Michael Spindelegger ihm seinen Sanktus gibt.

Für die Freiheitlichen (2009: 12,7 Prozent) kämpft EU-Mandatar Andreas Mölzer. Auch die Wiener Landtagsabgeordnete Barbara Kappel würde gerne nach Brüssel gehen. Ebenso im Gespräch ist FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky. Offiziell wollen die Blauen ihre Kandidatenliste erst im Jänner 2014 beschließen.

Die Grünen werden das am Sonntag tun. Auf Platz eins wird Ulrike Lunacek kandidieren (siehe oben).

Für die Neos wird Nationalratsabgeordnete und Vize-Klubchefin Angelika Mlinar an erster Stelle der Kandidatenliste stehen.

Hans-Peter Martin hat sich noch nicht endgültig festgelegt, es deutet aber vieles darauf hin, dass der Einzelkämpfer wieder antritt. Bei der EU-Wahl 2009 hatte er (mit Unterstützung der Kronenzeitung) 17,7 Prozent erreicht. Offen ist noch, ob das Team Stronach und das BZÖ kandidieren werden.

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