Petzner: "Ich hasse das Wort Lebensmensch"

Pünktlich einen Monat vor dem siebten Todestag des Kärntner Landeshauptmannes erscheint das Haider-Buch von Stefan Petzner.
Warum der Ex-Haider-Intimus in seinem Buch "Haiders Schatten" mit seinem Mentor abrechnet.

KURIER: Herr Petzner, in Ihrem Buch "Haiders Schatten" schreiben Sie differenziert über Ihren Mentor Jörg Haider. Ist es eine späte Abrechnung? Stefan Petzner: Der Titel sagt eigentlich alles. "Haiders Schatten" ist auf meine Rolle in der Ära Haider gemünzt und auf der anderen Seite auch auf die Person Jörg Haider bezogen. Er war neben Bruno Kreisky die prägendste politische Figur in der Zweiten Republik. Haider war eine politische Lichtgestalt. Aber wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Deswegen habe ich das Buch auch sieben Jahre nach seinem Tod geschrieben, um eine nüchterne, sachliche Auseinandersetzung mit der Person Haider vollziehen zu können.

Sie beschreiben Haider als eine politisch triviale Figur, als Verschwender, als korrupt. Das ist mehr als eine nüchterne Auseinandersetzung. Haben Sie eine "Lebensmensch"-Weglegung vollzogen?

Ich kann das Wort Lebensmensch nicht mehr hören, weil es mir so viel Unglück gebracht hat. Das Buch ist für mich weder eine Abrechnung, noch wollte ich ein Haider-Jubel-Buch schreiben, sondern ein ehrliches und authentisches Buch. Es werden auch die guten Seiten von Haider aufgezeigt. Etwa, dass er ein feinfühliger, sensibler und im innersten Kern liberaler Mensch war. Ein Volkstribun, dem die Sorgen der Menschen nahegingen. Sein verschwenderischer Umgang mit dem Landesvermögen entstand aus der Absicht, den Menschen zu helfen. Haider wurde von seinen Gegnern verteufelt und von seinen Fans heiliggesprochen. In meinem Buch möchte ich das Dazwischen aufzeigen.

Herr Petzner, Sie sind ein Medienprofi und wissen, dass Storys wie Geldspenden von 200.000 Dollar von Gaddafi den Buchverkauf steigern. Steckt dahinter nicht auch ein wirtschaftliches Kalkül?

Nein. Ich vergleiche Haider gerne mit dem bayrischen Ex-Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, weil sich die beiden als Figuren der Zeitgeschichte und in ihrer politischen Vita und Rezeption sehr ähneln. Zu seinem 100. Geburtstag hat der Spiegel nun aufgedeckt, dass Strauß Schwarzkonten hatte. Kein Franz-Josef-Strauß-Fan stößt sich jetzt im Nachhinein daran. Sich auf die Seite der Wahrheit zu stellen, ist immer die beste Entscheidung. Deswegen stehe ich zu jeder Zeile dieses Buches.

Im Buch gibt es auch Ratschläge, wie man die Rechtspopulisten entzaubern könnte. Ist das ein Empfehlungsschreiben in eigener Sache: Holt mich als Berater, dann zeig’ ich euch, wie man Heinz-Christian Strache loswird?

Das habe ich nicht notwendig. Ohne arrogant wirken zu wollen, den Petzner kennt jeder. Es gibt keinen, der nicht weiß, was ich gemacht habe. Meine Botschaft ist, dass die Rechtspopulisten durchaus sinnvoll sind im Rahmen der parlamentarischen Demokratie – als Seismografen der Gesellschaft. Parallel sind sie aber regierungsunfähig. In dieser Rolle können sie auch gefährlich werden. Derzeit explodiert der Populismus in ganz Europa, sowohl der linke als auch der rechte. Das Buch soll ein kleiner Beitrag sein, Rezepte zu liefern, damit die Populisten nicht die Macht übernehmen.

Sie haben jahrelang mitgeholfen, dass ein Rechtspopulist wie Haider an die Macht kommt. Wann kam der Punkt, wo das Umdenken begann?

Was Haider von anderen Rechtspopulisten – auch von Strache – unterscheidet: Er war ein studierter Verfassungsjurist und hatte mehr Hirn. Vieles habe ich auch erst mit dem zeitlichen Abstand erkannt und gesehen. Dafür musste ich mich ehrlich in den Spiegel schauen. Das hat meinen Blick verändert. Vielleicht hätte ich meine Vertrauensposition auch mehr nützen müssen, weil er auf mich gehört hat, um ihn auf die hohen Landesschulden aufmerksam zu machen.

Wie sehr hat Jörg Haider auf Sie gehört?

Haider war ein sehr sensibler Mensch, der in seinem politischen Leben sehr viel Verrat erleben musste. Das hat ihn wahnsinnig misstrauisch gemacht und empfindlich gegenüber Kritik. Ich wollte aber nie sein Schleppenträger sein, sondern ein kritisches Korrektiv für ihn. Allerdings nie öffentlich. Das hat er durchaus wertgeschätzt. Etwa beim Birnbacher-Honorar von 12 Millionen Euro. Das habe ich ihm gesagt: "Das geht nicht. Lass dir was ein einfallen." So kam es dann zur Reduktion auf sechs Millionen Euro.

Auch dieses Honorar war noch viel zu hoch. In seinen letzten Stunden hat er, so schreiben Sie im Buch, nicht auf Ihren Rat gehört …

Leider nicht. Ich habe ihm geraten, er soll ins Bärental zu seiner Mutter fahren, die ihren 90. Geburtstag feierte. Aber Haider wollte lieber Party machen. In der Veldener Diskothek gab es nicht, wie oft kolportiert, einen Streit. Sondern als Haider unerwartet auftauchte, habe ich ihn kritisiert, dass er seine Familie warten lässt und ihn aufgefordert: "Fahr endlich heim." Bevor er das Lokal verließ, versprach er mir, ins Bärental zu fahren – aber Haider ist dann in die andere Richtung nach Klagenfurt gefahren, um zu feiern. Deswegen habe ich mir, trotz Kritik, nie Vorwürfe gemacht. Hätte er auf mich gehört, hätte es ihn vielleicht nicht alkoholisiert aus der Kurve geworfen.

Sie haben nun mehrmals betont, dass Sie "Lebensmensch" nicht mehr hören wollen. Warum?

Ich hasse das Wort Lebensmensch, weil es mich vieles, eigentlich fast alles, an Reputation gekostet hat. Die Partei hat mich angefeindet, ich wurde attackiert. Das war eine sehr harte Zeit für mich, die ich nicht nochmals erleben möchte. Meine Tränen hingegen bereue ich bis heute nicht. Für Tränen muss sich niemand schämen. Ein Benni Raich weint bei seinem Rücktritt. Auch der Koloss Hermann Maier durfte beim Rücktritt weinen. Warum, dann ich nicht?

Sie schreiben, Haider war als Politiker trivial. Wen werden die Menschen als trivial einstufen: Stefan Petzer oder Jörg Haider?

(Lacht). Es ist ein Fehler, einen Satz aus einem Buch herauszureißen. Mit trivial meine ich, dass Haider über 30 Jahre lang die gleichen Themen, die gleichen politischen Instrumente an den Mann gebracht hat. Und alle sind 30 Jahre lang darauf eingestiegen. Trivial ist daher eher auf seine Gegner gemünzt, weil sie seine Art der Politik nie gecheckt haben.

Werden Sie in Kärnten als Verräter gelten?

Ich bin parteifrei und niemandem mehr Rechenschaft schuldig. Das ist sehr befreiend. Eine Frage habe ich mir aber schon gestellt: Wie würde Haider das Buch sehen?

Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Er würde es mit schelmischem Grinsen goutieren. Haider ging es immer um eines: Was bleibt von ihm in der Welt? Ihm war sehr wichtig, dass er nicht vergessen wird, dass er zum Mythos wird. Das Buch ist im Prinzip ein Beweis, dass Haider das gelungen ist. Als ich vor wenigen Tagen zum ersten Mal bei seinem Grab im Bärental war, erschien bei meiner Ankunft plötzlich ein Regenbogen, der sich über das ganze Tal spannte. Das soll jetzt nicht pathetisch klingen, aber da dachte ich mir, der Regenbogen ist ein Zeichen, dass das Buch in Ordnung ist.

Hat Stefan Petzner am Grab wieder geweint?

Nein. Ich habe für Jörg Haider gebetet, weil ich ein religiöser Mensch bin.

Stefan Petzner (34) wuchs auf einem Bergbauernhof im Laßnitztal (Steiermark) auf. Mit 22, als Student, lernte er Jörg Haider kennen und geriet unvermittelt in den Brennpunkt der Politik. Er stieg vom Pressesprecher zu Haiders engstem Vertrauten auf. 2008 wurde Petzner Generalsekretär im BZÖ. Nach dem Tod des Kärntner Landeschefs blieb er bis zum Ausscheiden des BZÖ aus dem Parlament Nationalratsabgeordneter. Heute wirkt er als politischer Berater. Sein Buch „Haiders Schatten“ ist im Verlag edition-a erschienen und um 21,90 Euro erhältlich.

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