Pensionen: "Wir müssen etwas tun"

Pensionsgipfel soll Reformen ausarbeiten
Ein großer Wurf zeichnet sich nicht ab – Experte Marin warnt, dass Untätigkeit teuer werden kann.

Am Freitag gab es die erste Verhandlungsrunde zwischen Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) und Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). Sie soll "konstruktiv" verlaufen sein, hieß es danach in Verhandlerkreisen.

Was wollen die Koalitionäre vor dem Gipfel am 29. Februar? Und welche Schritte wären nötig?

Brauchen wir aktuell überhaupt eine Reform?

Das sagt die SPÖ: Man sieht keinen akuten Handlungsbedarf. Das faktische Pensionsalter sei zuletzt gestiegen; Maßnahmen zur Sicherung seien "auf Schiene".

Das sagt die ÖVP: Finanzminister Hans Jörg Schelling warnt, man müsse heute etwas tun, damit die Pensionen auch in zehn, zwanzig, dreißig Jahren sicher sind.

Das sagt der Experte: "Das Pensionssystem ist auf dem Weg der Besserung – aber noch lange nicht nachhaltig gesundet, darüber besteht unter Fachleuten kein Zweifel" sagt Pensionsexperte Bernd Marin zum KURIER.

Soll die Berechnungsformel geändert werden?

Das sagt die ÖVP: Schelling hat angedacht, die Gesamtgutschrift im Pensionskonto mit der Inflation anstatt der Lohnsteigerung zu berechnen. VP-Sozialsprecher August Wöginger sagt jedoch, man werde das "sicher nicht übernehmen".

Das sagt die SPÖ: Im Sozialministerium warnt man, dass mit Schellings Vorschlag eine Pensionskürzung um bis zu ein Drittel drohen würde.

Das sagt der Experte:Schellings Vorschlag sei "undurchdacht", befindet Marin: Beiträge – vor allem der Jungen – würden "stark abgewertet. Die Aufwertungsfaktoren sind sinnvoll und sollten nicht nachträglich widerrufen werden."

Pensionen: "Wir müssen etwas tun"
honorarfrei - Bernd Marin

Ist das Antrittsalter zuletzt gestiegen oder gesunken? Soll es angehoben werden? Braucht die Pensionsformel dazu eine "Automatik"?

Das sagt die ÖVP: Schelling verweist darauf, dass das faktische Antrittsalter zuletzt gesunken sei – wenn man die Bezieher des Reha-Geldes einrechne. Bei den Schwarzen forderte man "Stabilitätsfaktoren" – das muss aber nicht eine automatische Kopplung von Lebenserwartung und Antrittsalter sein.

Das sagt die SPÖ: Die Kanzlerpartei lehnt eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters strikt ab. Auch von einer "Pensionsautomatik" hält man nichts. Sozialminister Stöger pocht darauf, dass das faktische Antrittsalter zuletzt gestiegen sei – und zwar auch inklusive Reha-Geld.

Das sagt der Experte: "Ein bisschen ist es gestiegen, aber bei weitem nicht wie nötig", sagt Marin. Bis 2025 sei es nicht nötig, das gesetzliche Pensionsalter anzuheben (außer für Frauen). Als Signal – das auch mehrere hundert Millionen Euro bringen würde – könnte man aber ein paar Jahre um je ein Monat hinaufgehen: "Im März statt im Februar in Pension zu gehen tut niemandem weh, hilft aber sehr", sagt Marin. Er gibt weiters zu bedenken: "Ohne Autopiloten geht gar nichts."

Soll man das Frauenpensionsalter rascher anheben?

Das sagt die SPÖ: Nein.

Das sagt die ÖVP: Ebenfalls Nein – mittlerweile.

Das sagt der Experte: Ja – und zwar "so rasch wie möglich, Österreich ist EU-Schlusslicht". Die Regierung plant, eine Angleichung von 2024 und 2034. Zu spät, sagt Marin: Spätestens 2018 sollte man beginnen – und zwischen 2025 und 2028 fertig sein. "Heute schon ist die durchschnittliche Mittelschichtsfrau 31 Jahre in Pension, bis 2034 würden es 35 Jahre sein – das ist ja abartig", sagt Marin.

Was ist die langfristige Pensions-Perspektive?

Darüber reden die Regierungsparteien derzeit nicht wirklich. Marin geht davon aus, dass man das gesetzliche Pensionsalter aus demografischen Gründen zwischen 2025 und 2050 auf cirka 70 Jahre anheben muss. Das Pensionssystem wird mittelfristig stark unter Druck geraten: Bis 2034 gehen – Stichwort Babyboomer – 750.000 Menschen in Pension, das sind innerhalb von nur 18 Jahren mehr als in den vergangenen 60 Jahren. Der Altenquotient (das Verhältnis von Über-65-Jährigen und jenen von 15 bis 64) wird dramatisch steigen: Von 27 (2014) auf 41 (2034). Das Verhältnis von Einzahlern in die Pensionskasse und Beziehern daraus droht zusätzlich durch die steigende Arbeitslosigkeit geschwächt zu werden.

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