"ELGA ist sicherer als jedes Konto"

Alois Stöger
Minister Stöger verteidigt die Elektronische Gesundheitsakte.

Es gibt Schneewittchen; es gibt Rotkäppchen; und dann gibt es ein neues Märchen: ELGA, die "Elektronische Gesundheitsakte".

Ist es angebracht, das größte gesundheitspolitische Projekt der vergangenen Jahre mit den Überlieferungen der Gebrüder Grimm zu vergleichen?

Geht’s nach Eva Raunig vom Hausärzteverband, dann ja – wer ELGA für nützlich halte, der glaube an das "Märchen des Jahres".

Schafft ELGA nicht mehr Transparenz? Hilft sie nicht, dass Ärzte und Patienten den Überblick bewahren – bei all den Befunden und Medikamenten verschiedener Spitäler und Ordinationen?

Nicht, wenn es nach Raunig geht. Gemeinsam mit der ARGE Daten schicken sich die Interessenvertreter morgen an zu erklären, warum sie und auch die Patienten gegen ELGA sein müssen.

Die Veranstaltung markiert eine weitere Eskalationsstufe im Kampf der Wiener Ärzte gegen das Prestigeprojekt von Gesundheitsministerium und Sozialversicherungen. Wie berichtet, mobilisiert die Wiener Ärztekammer seit Montag durchaus offensiv gegen die Vernetzung der Gesundheitsdaten. Mit "Info-Boxen" wird Patienten in den Ordinationen erklärt, wie sie aus dem Projekt herausoptieren können.

Klare Mehrheiten

Gesundheitsminister Alois Stöger gibt sich betont gelassen. Er vertraut auf jüngste Umfragen, wonach neun von zehn Patienten vom Nutzen ELGAs überzeugt sind (Grafik).

"ELGA ist sicherer als jedes Konto"
Und er ist sicher, dass die Patienten in der Praxis von den Vorzügen der Vernetzung überzeugt sein werden. "Die Patienten wissen, dass ihnen ELGA großen Nutzen bringt, weil den behandelnden Ärzten erstmals alle Befunde zur Verfügung stehen und auch sie selbst auf die Befunde zugreifen können", sagt der Gesundheitsminister zum KURIER.

Er verstehe zwar, dass manche Ärzte skeptisch sind, weil Standeskollegen ihre Arbeit sehen können. "Allerdings bin ich überzeugt, dass sich die guten Ärzte, die wir in Österreich haben, der Kritik ihrer Kollegen sehr gerne stellen werden."

Das Argument, wonach ELGA ein datenschutzrechtliches Risiko sei, kann Stöger so gar nicht nachvollziehen: "Wir haben einen neuen Straftatbestand für allfällige Begehrlichkeiten geschaffen. Wenn jemand Gesundheitsdaten begehrt oder einsieht, der dazu nicht befugt ist, so macht er sich strafbar. Das ist neu."

Hinzu komme, dass dank ELGA genau dokumentiert werde, wer auf Daten eines Patienten zugreift. Stöger: "Bei Ihrem Konto wissen Sie nicht, welcher Bank-Mitarbeiter Kontostand und Kontobewegungen ansieht. Bei ELGA kann man das als Patient dank Zugriffsprotokoll nachvollziehen. ELGA ist sicherer als jedes Bankkonto."

Stögers Gelassenheit beruht wohl auch auf der breiten politischen Zustimmung. Denn alles andere als zufällig rückten die mitgliederstarken Pensionistenverbände von SPÖ und ÖVP gestern aus, um wortstark gegen die "Panikmache" rund um ELGA zu protestieren. www.elga.gv.at

Die elektronische Gesundheitsakte

Wie funktioniert ELGA? Das System ermöglicht ab 2015, dass die wichtigsten Teilnehmer des Gesundheitssystems (Spitäler, Ärzte etc.) via eCard auf Patienten- daten (Befunde, Medikamente) zugreifen. Die Idee: Arzt und Patient haben online einen Überblick über Befunde und Krankengeschichte. Man kann sich von ELGA abmelden.

Nach dem KURIER-Artikel vom Montag, wonach Jungärzte lieber ins Ausland gehen als in Österreich zu bleiben, reagieren nun Ministerium und Ärztekammer.

Es werde wieder über eine Neuregelung der Ausbildung "intensiv" verhandelt, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Die Gespräche wurden im vergangenen Jahr abgebrochen, weil sich die Verhandler in mehreren Punkten nicht einigen konnten. Kern der geplanten Reform ist, dass die Ausbildung 42 statt 36 Monate dauern soll.

Eine Verbesserung könnte es für Peripherie-Spitäler geben, da diese künftig ein wenig attraktiver für Mediziner in der verpflichtenden Turnus-Ausbildung werden könnten. Ungelöst sei weiterhin das Problem der Ausbildung in Lehrpraxen, also bei niedergelassenen Ärzten: Denn für die Jungärzte will nach wie vor niemand zahlen. Dennoch zeigten sich beide Seiten, Ministerium und Kammer, "optimistisch".

Das Problem, erklärt Gesundheitsexperte Ernest Pichlbauer gegenüber dem KURIER, sei, dass letztlich nur "schöne Worte" von der seit vielen Jahren angekündigten Reform übrig bleiben werden, so sie überhaupt noch kommt. Denn alle Spitäler seien nach wie vor auf die Tätigkeit von Turnusärzten angewiesen. Ein Turnusarzt verdiene pro geleisteter Arbeitsstunde derzeit weniger als eine diplomierte Pflegekraft, weshalb kein Spital ohne sie auskomme.

Für die Jungärzte bleibe die Ausbildung aber auch aus einem anderen Grund wenig interessant: "Derzeit machen die Turnusärzte zu etwa 95 Prozent Routinearbeiten wie Blutabnahmen oder Aufnahmegespräche, und werden nur zu fünf Prozent tatsächlich ausgebildet", schätzt Pichlbauer.

Wünschenswert wäre aber ein Verhältnis von 50:50, dazu ein klares Ausbildungsschema und Fachärzte als Mentoren für die auszubildenden Ärzte.

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