Panzer statt Blumen? "Schande für Österreich"

Der erste Eindruck: Im Sommer wurde die Willkommenskultur von der Staatsspitze vorgelebt
Die Militärpräsenz und die neue Stimmung macht Flüchtlingshelfern Sorgen – und sogar Angst.

Die Bilder von Not leidenden Flüchtlingen an der Grenze oder am Wiener Westbahnhof haben in den vergangenen Monaten viele Österreicher ermutigt, sich zu engagieren, zu helfen. Jetzt schickt die Bundesregierung militärische Spezialeinheiten mit Knüppel, Pistolen und Räumpanzern an die Grenze. Wie sehen die ehrenamtlichen Helfer diese Trendwende? Entmutigt sie die neue Symbolik?

"Wir wollten Menschen in Not helfen. Und wir hatten eine Regierung, die vorgab, dies als unsere Aufgabe zu sehen", sagt die Psychologin Barbara Reisel, die sich seit letztem Sommer in der freiwilligen Flüchtlingsarbeit – beim Train of Hope und in Asylnotunterkünften des Roten Kreuzes – engagiert. "Mittlerweile ist die ,Willkommenskultur‘ zum Schimpfwort geworden. Die Bilder von Panzern und von Soldaten lösen ganz andere Botschaften aus. Als hätten wir es nicht mehr mit Menschen in Not zu tun, sondern als wären genau diese Menschen zur Gefahr für unsere Gesellschaft geworden, die es – ohne Rücksicht – zu bekämpfen gilt. Das macht mir Angst."

Als freiwilliger Flüchtlingshelfer lebe man heute in zwei Welten: "In einer, die nach wie vor von Menschlichkeit und Humanität getragen ist; und in einer ganz anderen, in der man selbst Sorge haben muss, von Teilen der Gesellschaft als Bedrohung angesehen zu werden. Ich würde mir eine Regierung wünschen, die mir versichert, dass sie auch hinter mir steht. Im Moment bin ich mir da nicht sehr sicher."

Nicht weniger entsetzt ist Anahita Tasharofi vom Verein "Flucht nach vorne": "Was zurzeit passiert ist eine Schande für Österreich. Menschen, die so eine lange Flucht überlebt haben, versuchen wir jetzt einfach abzublocken. Dabei ist Asyl ihr gutes Recht."

Wenn ein Land das Recht habe, überfordert zu sein, dann Griechenland, sagt Tasharofi. "Österreich darf das nicht."

Unmenschlich

Statt konstruktive Lösungen zu suchen, schiebe die Regierung die Verantwortung auf andere. "Die Innenministerin spricht von einem Dominoeffekt oder einer Kettenreaktion der Vernunft. In Wahrheit ist es eine Kettenreaktion der Unmenschlichkeit." Es sei furchtbar, dass Österreich jetzt Panzer einsetze. "Die Flüchtenden kommen aus Regionen, wo es Panzer gab, die auf sie geschossen haben, und die ihre Verwandten, Nachbarn und Freunde getötet haben. Und jetzt kommen sie zu uns, und haben wieder Panzer vor sich."

Es habe ja niemand gesagt, dass es leicht werde, erklärt auch Julian Pöschel, einer der Initiatoren des "Train of Hope" am Westbahnhof. "Ich bin aber entsetzt, dass wir jetzt Panzer an die Grenze schicken. Die Politik setzt politische Beziehungen und Menschenleben bewusst aufs Spiel. Das wollten wir doch eigentlich verhindern." Es sei einfach die Pflicht zu helfen. "Das soll wohl ein politisches Kalkül sein, um Österreich für Flüchtende unattraktiv zu machen. Aber das wird nicht klappen, weil die Menschen kommen ja nicht, weil es bei uns so schön ist, sondern weil sie in ihrer Heimat nicht mehr überleben können."

Beunruhigt

Saskia Sautner kam im Sommer gerade mit dem Zug aus dem Kroatien-Urlaub, als die Flüchtlingskrise am Wiener Westbahnhof virulent wurde. Sautner entschied sich spontan zu bleiben – und hilft seither, wann immer sie kann, mit Übersetzungen oder indem sie einfach Lebensmittel ausgibt.

Die neue Symbolik, sprich: an der Grenze auffahrende Räumpanzer, und insbesondere die Stimmung im Land machen der Helferin heute große Sorgen. "Es ist einigermaßen beunruhigend, wenn man plötzlich als Helfer das Gefühl bekommt, man müsse sich dafür rechtfertigen, dass man sich um in Not geratenen Mitmenschen kümmert. Das ist für die Gesellschaft insgesamt ein problematischer Zustand."

Wie geht Sautner damit um, dass Österreich den kolportierten Flüchtlingsandrang möglicherweise nicht bewältigen kann? Ist das für sie nicht auch ein Argument für ein schärferes Auftreten? "Ich habe mit Menschen zu tun, die in Not sind, die ein Bett zum Schlafen, Kleidung zum Anziehen und Nahrung zum Essen benötigen. Die internationale Politik ist eine andere Ebene. Aber aus meiner Sicht muss ich klar sagen: Selbstverständlich könnten wird das schaffen! Und das sehen, soweit ich das beurteilen kann, de facto alle so, die tagtäglich mit der echten Flüchtlingshilfe zu tun haben und sich engagieren."

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