Osterjause, Masken, Ausflüge: Was ist erlaubt, was ist verboten?

Schutzmaßnahmen im Supermarkt während der COVID-19-Pandemie
Juristen kritisieren die zum Teil nicht eindeutigen Regelungen in der Corona-Krise. Ein Leitfaden durch den Dschungel an Verordnungen und Erlässen.

In Österreich gelten derzeit aufgrund der Covid-19-Pandemie Ausgangsbeschränkungen, Betretungsverbote und andere Regelungen, die massiv in das Alltagsleben eingreifen. Selten aber ist die rechtliche Grundlage eindeutig geklärt, in vielen Bereichen gibt es Grauzonen, wie Juristen zuletzt anmerkten.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte im Interview mit der "ZiB 2" am Montagabend wenig Verständnis für "juristische Spitzfindigkeiten" - also Kritik an der rechtlichen Umsetzung der Corona-Maßnahmen. In Zeiten der Krise sollte man nicht ein "Maximum an Verwirrung stiften", sondern alles tun, was nötig ist, um die Krise zu bewältigen, nämlich die sozialen Kontakte einschränken und somit auch auf große Osterfeiern verzichten.

In gewissen Fällen empfiehlt es sich scheinbar auch, den Hausverstand zu befragen. Ein Überblick der APA über die wichtigsten Rechtsfragen:

Aus welchen Gründen darf ich den eigenen Haushalt verlassen?

- In der Verordnung gemäß Paragraf 2 Z. 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes vom 16. März sind genau fünf Ausnahmen zum allgemeinen Verbot, den öffentlichen Raum zu betreten, angeführt: wenn im eigenen Haushalt "Leib, Leben und Eigentum" gefährdet sind, wenn es um die Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen geht, zur "Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens", für Berufsarbeit und zum Aufenthalt an öffentlichen Orten im Freien - "alleine, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren".

Gibt es zusätzliche Ausnahmen?

- Ja, denn unter die oben erwähnten Punkte lassen sich weitere Tätigkeiten und Wege subsumieren, die nicht explizit erwähnt sind. So kann ich meine Kinder zwecks Betreuung zu Schulen und Kindergärten bringen und wieder von dort abholen. Möglich ist es auch, zum Arzt zu gehen, vorher bestelltes Essen von Restaurants abzuholen, Begräbnisse, Hochzeiten und Taufen zu besuchen. All dies sind notwendige Grundbedürfnisse des Alltags.

Innenminister Nehammer: Genau das bitte nicht tun!

Dürfen zu Ostern Familienfeiern stattfinden oder Zusammentreffen von Freunden?

- Laut Regierung ist ein Außer-Haus-Gehen mit dem Ziel, andere zu treffen, nicht erlaubt, da es nicht bei den fünf Ausnahmen dabei ist. Juristen sind jedoch der Ansicht, diese Argumentation reiche nicht aus, um ein klares Verbot abzuleiten. Es gibt zudem keine Beschränkung in Bezug auf Art und Dauer der Aktivitäten im Freien, solange man sich an die Ein-Meter-Abstand-Regel hält. Niemand wird mich also davon abhalten können, zum Haus der Großmutter zu spazieren. Weil sie eher von schweren Covid-19-Verläufen betroffen sind, sollte man derzeit von Besuchen älterer Personen aber ohnehin Abstand nehmen.

Langfassung: ZIB-2-Interview mit Bundeskanzler Kurz

Darf die Polizei Osterfeiern im kleinen Kreis auflösen?

- Prinzipiell nein. Die Polizei kann im Normalfall ohne Anlass (z.B. Ruhestörung) auch nicht in privaten Wohnungen oder Häusern kontrollieren, weil das Grundrecht auf Schutz des Wohnbereiches gilt. Dieses kann nur in besonderen Fällen beim Vorliegen von triftigen Gründen gebrochen werden. Spezielle Grundlagen für "Corona-Kontrollen" in Eigenheimen gibt es nicht. Verboten ist laut Verordnung nur das Betreten öffentlicher Orte. Ratsam ist die Abhaltung von großen Feiern in diesen Zeiten freilich nicht.

Wird die Polizei in den Wohnungen kontrollieren?

Darf ich ohne Mund/Nasen-Schutz einkaufen?

- Unter Umständen ja. Der Erlass der Regierung von letzter Woche galt nicht den Endverbrauchern, sondern dem Lebensmittelhandel, der dafür sorgen tragen sollte, Mund/Nasen-Bedeckungen zu beschaffen und diese gratis an die Kunden zu verteilen. Wenn nicht genug vorrätig sind, "gehe ich ohne Maske ins Geschäft", sagt der Anwalt Florian Horn. Am Montag wurde angekündigt, dass der Mund/Nasen-Schutz ab 14. April neben Supermärkten auch in allen übrigen Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln verpflichtend sein soll. Es können auch einfache Tücher und Schals verwendet werden. Entsprechende Rechtsgrundlagen werden derzeit ausgearbeitet.

Darf ich meinen Zweitwohnsitz erreichen, wenn er in einem anderen Bundesland liegt?

- Ja, es sei denn, der Zweitwohnsitz ist wegen lokaler Quarantänebestimmungen derzeit nicht erreichbar. Streng genommen dürfte die Anreise aber nicht mit "Massenbeförderungsmitteln" erfolgen, die sind für die bekannten Ausnahmen reserviert.

Darf ich zu Aktivitäten im Freien mit dem Bus oder mit dem eigenen Auto anreisen?

Für die Ausnahme 5, und darunter fallen Aktivitäten im Freien, ist nicht die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln vorgesehen. Eine Anreise mit dem eigenen Fahrzeug zum Spazierengehen (alleine, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben oder mit Haustieren) ist nach dem Text der Verordnung nicht ausdrücklich verboten. Es wird aber immer wieder von Regierungsvertretern auf Bundes- und Landesebene darauf hingewiesen, dass man keine längeren Strecken zurücklegen soll, um sich am Zielort die Beine zu vertreten.

Darf ich meinen Partner/Partnerin sehen, wenn kein gemeinsamer Haushalt geführt wird?

- Ja. "Das Führen einer Beziehung ist ein Grundrecht, das jeder Mensch hat", betont Anwalt Horn. Argumentieren kann man allenfalls, dass auch dies im Punkt "Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens" enthalten ist.

Jurist Horn: "Rechtslage unerfreulich"

Dieser Dschungel an Erlässen und Verordnungen ist aus der Sicht von Juristen nicht unproblematisch. Vor allem dann, wenn die Regierung damit tief in Grund- und Menschenrechte eingreifen will. "Die gesamte Rechtslage ist nicht erfreulich", sagte der Wiener Anwalt Florian Horn zur APA.

Wenn man die Grundrechte beschränken will - und bei einem Ausnahmezustand ist das prinzipiell zulässig, wenn die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist - bräuchte es klare Regeln in Form von Gesetzestexten. "Da muss für die Bürger Rechtssicherheit gelten, was gilt und was nicht", erklärte Horn im Gespräch mit der APA. Derzeit versuche die Regierung aber eher, drastische Einschnitte kommunikativ-rhetorisch zu vermitteln anstatt die erforderlichen rechtlichen Grundlagen zu schaffen. So entstünden zahlreiche Missverständnisse.

"Es ist nicht konkret untersagt, sich in anderen privaten Haushalten aufzuhalten", sagte Horn etwa über das Thema Familientreffen, das bis dato in keiner Verordnung und keinem Erlass explizit geregelt ist. In der Verordnung zum ersten COVID-19-Maßnahmengesetz vom 16. März ist lediglich das Betreten öffentlicher Orte verboten. "Ein derartiges Verbot wäre auch verfassungswidrig. Ich glaube, deswegen hat man den Weg gewählt, das eher schwammig und undeutlich zu formulieren."

Auch an der "Maskenpflicht" lässt Horn kein gutes Haar. Diese entspringt einem Erlass, also de facto einer Weisung des Gesundheitsministeriums an die Länder, über die Hygiene im Einzelhandel. Für den Bürger habe dieser interne Akt der Verwaltung per se keine Konsequenzen. "Da wurde der Einzelhandel angewiesen, Masken zur Verfügung zu stellen und die auszugeben. Wenn das den Geschäften wirklich so vorgeschrieben werden kann, komme ich ohne Maske hin. Wenn es dann dort keine Maske für mich gibt, gehe ich ohne Maske ins Geschäft."

Von einer Pflicht für den Einzelnen könne man also nicht sprechen, meinte Horn. "Man versucht hier, über die öffentliche Meinung irgendetwas zu bewirken, das nicht in den Gesetzen enthalten ist. So an der Rechtslage vorbei zu kommunizieren, das halte ich für problematisch". Aus dem Gesundheitsministerium hieß es am Montag, dass die entsprechende Rechtsgrundlagen derzeit vorbereitet und rechtzeitig in Kraft treten würden, ehe der Mund/Nasen-Schutz am 14. April auch in anderen Geschäften verpflichtend wird.

Verfassungsjurist Mayer: "Regierung fehlt wohl "der Mut"

Auch Mayer vermisst bei der Regierung den Hang zu eindeutig formulierten Normen. "Man sagt ständig, die Kinder dürfen die Oma nicht besuchen, dann traut man sich aber nicht, das deutlich zu sagen", betonte der emeritierte Professor der Universität Wien. "Das, was sie wollen, ist okay und wird auch notwendig sein, aber irgendwie fehlt der Mut."

PK "CAUSA ALIYEV: DIE KONSEQUENZEN DER AKTUELLEN GERICHTSBESCHLÜSSE": MAYER

Heinz Mayer

Quasi sinnbildlich sei in dieser Hinsicht der mittlerweile zurückgezogene "Oster-Erlass" des Gesundheitsministeriums. Darin erging die Anweisung, größere Zusammenkünfte "in geschlossenen Räumen" zu untersagen - heraus kam bei den Menschen vor allem Konfusion. Mayer sagte, der Erlass sei "schwammig formuliert" gewesen, und ergänzte: "Das, was sie wollen, geht mit einem Erlass nicht. Wenn sie wollen, dass keine Oster-Essen stattfinden, dann müssen sie das in einer Verordnung festlegen." Seine Erklärung für das Treiben der Ministerialbürokratie dieser Tage: "Die stehen einfach irrsinnig unter Druck."

Das Ministerium von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) entgegnete dazu Folgendes: "Klarzustellen ist, dass sich ein Erlass an die Landeshauptleute (und in weiterer Folge an die Bezirksverwaltungsbehörden) richtet und in einer juristischen Sprache abgefasst ist, die dementsprechend komplex ist. In weiterer Folge hat die Textierung leider zu diversen Missverständnissen geführt."

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