Orbán-Besuch weckt Erinnerungen an das Jahr 2000

Viktor Orbán, 2015 anlässlich des 70. Geburtstags Wolfgang Schüssels in Schönbrunn
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán trifft heute im Rahmen seines Besuchs bei Bundeskanzler Sebastian Kurz auch Alt-Kanzler Wolfgang Schüssel.

Im Jahr 2000 dankte Wolfgang Schüssel Ungarn für "Solidarität in schweren Zeiten". Es war das erste Jahr der ersten schwarz-blauen Koalition, die für bilaterale Sanktionen der damals 14 EU-Staaten gegen Österreich sorgte. Schüssels Dank galt im Speziellen Viktor Orbán, der den ÖVP-Kanzler im April 2000 in Budapest empfing. Dies war damals keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Kein EU-Staat hatte davor an Österreich anstreifen wollen und so war Schüssels Visite beim damaligen EU-Beitrittskandidat in Budapest erst der zweite bilaterale Auslandsbesuch, nachdem er im März den traditionellen Antrittsbesuch in der neutralen Schweiz absolviert hatte.

Heute, fast 18 Jahre später, hat ein Arbeitstreffen zwischen Viktor Orbán - wieder Ungarns Regierungschef - und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erneut symbolische Bedeutung. Wenngleich es diesmal keine Ächtung auf bilateraler Ebene in Europa gibt, nachdem die ÖVP erneut eine Koalition mit der FPÖ eingegangen ist. Aber Orbáns EU-kritischer und migrationsfeindlicher Kurs sorgt nicht nur in Brüssel für Besorgnis, während die österreichische Regierungsspitze dem ungarischen Weg in Teilen zustimmt. Das Arbeitstreffen ist erst das zweite bilaterale Treffen mit einem Regierungschef in Wien, seit Kurz Kanzler ist.

Schüssel lobte 2000 EU-Reife Ungarns

Orbán wird im Rahmen seines Besuchs heute auch auf Ex-Kanzler Schüssel treffen. Beide werden sich noch gut an das Jahr 2000 erinnern. Bei einem offiziellen Arbeitsbesuch in Budapest bekräftigte Schüssel damals Österreichs Unterstützung für einen raschen EU-Beitritt Ungarns, um die "faszinierende Zukunftsidee einer mitteleuropäischen Zusammenarbeit" umzusetzen.

Im Gegenzug für das rot-weiß-rote EU-Gütesiegel sagte Orbán damals zu den sogenannten "Sanktionen" der EU-14, Österreich sollte nach seinen Taten beurteilt werden. Er lobte ausdrücklich die Wirtschaftsreformen der schwarzblauen Bundesregierung und fügte hinzu: "Wir unterscheiden zwischen Entscheidungen und dem politischen Sturm". Ungarn hatte sich nicht den bilateralen Maßnahmen von 14 EU-Ländern gegen Österreich wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ angeschlossen.

Es gab in Budapest allerdings Befürchtungen, wonach sich ein EU-Beitritt Ungarns durch die neue österreichische Regierung verzögern könnte. Orbán hatte den Besuch des österreichischen Bundeskanzlers davor ausdrücklich vor Kritikern im eigenen Land verteidigt. Die Einladung an Schüssel sei "in jeder Hinsicht richtig gewesen", sagte Orbán.

Schüssel: "Solidarität in schweren Zeiten"

Im September 2000 sagte Schüssel im Interview mit der ungarischen Tageszeitung Nepszabadsag: "Ungarn gehört zu den ersten Ländern, denen Österreich seinen Dank für die Solidarität in schweren Zeiten aussprach."

Die Fidesz-Partei führte ab Juli 1998 bis 2002 eine rechtskonservative Koalitionsregierung unter Orbán. Fidesz entstand in den Wendejahren 1988/89 als basisdemokratische, liberale Generationenpartei der studentischen Jugend. Unter der Führung Orbáns nahm sie jedoch über die Jahre eine straffe Organisationsstruktur an, während die liberale Orientierung einer zunehmend nationalen und neo-konservativen Ausrichtung wich.

Im November 2000 trat die Partei der EVP bei, nachdem sie im September 2000 die Liberale Internationale verlassen hatte, der sie seit 1992 angehört hatte.

Im Jahr 2010 wurde Orbán erneut zum Ministerpräsidenten Ungarns gewählt. Seitdem regiert die mittlerweile EU-kritische, nationalkonservative und rechtspopulistische Fidesz mit absoluter Mehrheit. Gemeinsam mit den Christdemokraten (KDNP) hat die Regierung sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Orbán schränkte trotz Protesten aus Brüssel Pressefreiheit und Datenschutz ein. Gegen ankommende Flüchtlinge ließ er die Grenzen mit einem Zaun abriegeln.

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