Vor der Wahl: ÖVP in Umfragen klar in Führung

Sebastian Kurz
Der Wechsel an der Parteispitze brachte die Trendwende bei der ÖVP. SPÖ und FPÖ liegen knapp beieinander. Den Grünen droht die Einstelligkeit.

Die ÖVP liegt seit der Übernahme der Parteiführung durch Sebastian Kurz in den Umfragen zur Nationalratswahl weiter klar auf Platz eins - und zwar stabil mit Werten deutlich über 30 Prozent. Die FPÖ, die bis zur Personalrochade bei der nun türkisen Liste Kurz fast durchgehend die Umfragen angeführt hatte, sackte zuletzt teils auf Platz drei hinter die SPÖ ab.

Wechsel brachte Trendwende

Der Wechsel von Reinhold Mitterlehner zu Kurz an der VP-Spitze im Mai dieses Jahres hat sich in den Umfragen mit dem deutlichen Sprung der ÖVP von Platz drei auf den ersten Platz niedergeschlagen. Unter Mitterlehner lag die Volkspartei in den Umfragen noch um die 20 Prozent, nach der Kurz-Übernahme schossen die Werte auf deutlich über 30 Prozent hoch, mit Spitzen bis zu 35 Prozent.

Davor lagen die blauen seit Frühjahr 2015 ununterbrochen in Führung. Und das mit teils großem Vorsprung zu SPÖ und ÖVP, zwischenzeitlich betrug dieser sogar knapp zehn Prozentpunkte. Mit dem Personalwechsel in der Volkspartei brachen die Umfragewerte der FPÖ ein und rutschten von über 30 Prozent auf um die 25 Prozent ab.

Aufschwung auch durch Kern

Die SPÖ hatte ab Mai 2016 - nach der Designierung von Christian Kern zum neuen Parteichef - einen Aufschwung erlebt. Nachdem sie bis dahin in den Umfragen hinter der FPÖ mit der ÖVP um Platz zwei rang, konnte Kern den Abstand seiner Partei zur Volkspartei vergrößern und den zweiten Umfrage-Rang absichern. Erst nach dem Wechsel an der schwarzen Parteispitze wurde alles durcheinandergewirbelt, und die SPÖ sah sich danach in einzelnen Umfragen auch auf dem dritten Platz hinter der FPÖ wieder, mit Werten zwischen 21 und 28 Prozent der Stimmen (mit einzelnen Abweichungen nach oben auf bis zu 31 Prozent).

Die Grünen und die Unbekannte Pilz

Glaubt man den Umfragen, dann müssen die Grünen um die Zweistelligkeit bangen. Während die Sonntagsfrage bis ins Frühjahr noch stets Werte über zehn Prozent aufwiesen, kratzte die Öko-Partei seitdem an dieser Marke.

Eine recht große Unbekannte ist noch das mögliche Antreten des Grünen Peter Pilz mit einer eigenen Liste. Bisher wurden die Chancen einer solchen "Liste Pilz" erst in einer Umfrage erhoben: Laut einer aktuellen Umfrage von Österreich/Research Affairs (600 Online-Interviews) würden derzeit 5 Prozent der Wähler für Pilz votieren. Die ÖVP wäre mit 34 Prozent davon unberührt. Leichten Schaden nimmt in dieser Erhebung die SPÖ, die nur mehr auf 23 Prozent und Platz drei hinter der FPÖ (25 Prozent) kommt. Die Grünen werden in dieser Umfrage mit nur sechs Prozent ausgewiesen, die NEOS würden mit vier Prozent um den Wiedereinzug bangen (die Umfrage wurde aber noch vor Bekanntwerden des Antretens von Irmgard Griss für die NEOS erhoben).

Und laut einer für das Nachrichtenmagazin profil erhobenen aktuellen "Unique research"-Umfrage könnten sich 15 Prozent der Österreicher vorstellen, eine Liste Peter Pilz zu wählen. 61 Prozent schlossen in dieser Erhebung hingegen aus, für eine solche Liste zu stimmen.

Laut Experten ist aber trotz des aktuellen Umfrage-Hochs der ÖVP ein Dreikampf um Platz eins zu erwarten. Zwar sei die ÖVP nach dem Obmann-Wechsel "am besten aus den Startlöchern gekommen", sagte Polit-Berater Thomas Hofer, aber: Der Wahltermin ist noch fern. Politikwissenschafter Peter Filzmaier erklärte angesichts der vielen Unentschlossenen alle Zahlenspiele für "sinnlos".

Zwar stimmen vermutlich die in den Umfragen erhobenen aktuellen Platzierungen der Parteien, meinte Filzmaier im Gespräch mit der APA. Diese sehen die ÖVP derzeit vor den knapp beieinander liegenden Parteien SPÖ und FPÖ recht klar auf Platz eins. Allerdings gebe es zum jetzigen Zeitpunkt - gut drei Monate vor dem Urnengang am 15. Oktober - viele Unsicherheitsfaktoren: So hätten beim letzten Wahlgang im Jahr 2013 rund zehn Prozent der Wählerschaft für das Team Stronach oder das BZÖ votiert - und diese Wahlberechtigten werden im Herbst auf jeden Fall bei einer anderen Partei ihr Kreuz machen (oder ins Lager der Nichtwähler wechseln).

ÖVP-Vorsprung für Filzmaier eine "Momentaufnahme"

Von diesen Wählern hätten sich in Umfragen im Vorjahr viele noch zur FPÖ bekannt, jetzt aber tendierten viele davon eher zu ÖVP-Chef Sebastian Kurz, so Filzmaier. Das Ganze sei aber "schwer einschätzbar", auch gebe es viele Unentschlossene. Der in den Umfragen teils deutliche Vorsprung der ÖVP sei daher lediglich eine "Momentaufnahme", meinte der Politologe. Die ÖVP weise außerdem den größten Anteil an Sympathisanten auf, die die Partei "noch nicht sicher hat", Filzmaier sprach angesichts dieser unsicheren Wählerschar von "Flugsand", den es zu behalten gelte. Die FPÖ hingegen habe den größten Anteil an sogenannten "Behaltewählern" (die schon das letzte Mal FPÖ gewählt haben und das auch wieder vorhaben).

Hofer: "Drei Monate können auch noch lang werden"

Für Polit-Berater Hofer sieht es derzeit nicht so aus, dass sich am Höhenflug der ÖVP etwas ändert, aber: "Drei Monate können auch noch lang werden." Kurz habe gute Chancen, "wenn er keine groben Schnitzer macht". Freilich sei die "Flughöhe" der ÖVP derzeit eine sehr hohe, so Hofer. So könnte etwa die Gefahr eines Abwärts-Spins drohen, sollten die Umfragewerte ein wenig nach unten gehen. Es sei jedenfalls "beileibe nicht so, dass sich die ÖVP zurücklehnen kann".

Das Programm bleibt eine Unbekannte

Ein Manko der ÖVP könnte laut Filzmaier auch sein, dass man von deren Inhalte derzeit noch recht wenig wisse. So will Kurz sein Programm ja erst im September präsentieren. "Im Themenwettbewerb punktet eher (SPÖ-Chef Christian, Anm.) Kern, mit dem Plan A." Für Hofer war die SPÖ allerdings in den ersten Wochen nach dem ÖVP-Führungswechsel "strategisch von der Rolle": Die Partei habe falsche Reaktionen auf den Mitterlehner-Rücktritt gesetzt, so hätte Kern etwa "locker sagen können, das war das 'schwarze Knittelfeld'". Auch das (letztlich ins Leere gelaufene) Beharren Kerns auf Kurz als Vizekanzler sei ein Fehler gewesen.

Die SPÖ werde nun wohl die soziale Frage in den Mittelpunkt rücken und die ÖVP der "sozialen Kälte" bezichtigen, so die Erwartung Hofers. Auch könnte das Bild von Kurz als "Ziehsohn" von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel gezeichnet werden. Insgesamt habe Kern die SPÖ stabilisiert, aber solange es Kurz gelingt, deutlich im FP-Wählerteich zu fischen, "dann wird es schwer, die ÖVP deutlich zu überholen".

Hofer: FPÖ muss auf einen Fehler von Kurz hoffen

Für die FPÖ sieht Filzmaier die Situation zwiegespalten: Zwar habe sich mit der ÖVP-Übernahme durch Kurz die Chance der Blauen auf Platz eins verringert, die Möglichkeit, Teil der kommenden Regierung zu sein, aber erhöht. "Die FPÖ ist diejenige Partei, die sagt, sie kann mit beiden (SPÖ und ÖVP, Anm.)". Gleichzeitig schließt Filzmaier weder eine Neuauflage von Rot-Schwarz noch eine schwarz-rote Koalition gänzlich aus. "Verwunderlich" war für ihn, dass es bei der FPÖ auf die "erwartbare Entwicklung" des ÖVP-Obmannwechsels "keine vorbereitete Reaktion" gegeben habe. Hofer sieht die FPÖ ein wenig in die passive Rolle gedrängt, sie müsse derzeit auf einen Fehler von Kurz "oder auf ein Ende des Hypes" hoffen. Für Strache spreche, dass zur Zeit nicht das "Drohpotenzial" im Raum stehe, er könnte Kanzler werden. "Vielleicht kann er so aus dem Windschatten heraus einiges bewegen."

Filzmaier: "Dreierwahlkampf um den Kanzler"

Fix ist für Filzmaier lediglich, dass es zu einem "Rennen von drei Parteien um den ersten Platz" kommen wird. Dabei sei es ein Novum, dass es einen "Dreierwahlkampf um den Kanzler" geben wird. Zwar haben 1999 schon einmal drei Parteien die Chance auf Platz eins gehabt, aber damals hätten nicht alle drei Spitzenkandidaten den Kanzleranspruch gestellt. Dieses Szenario führe "zu einer enormen Personalisierung".

Diese Zuspitzung stelle gleichzeitig eine Gefahr für die kleineren Parteien dar, denn deren Wähler könnten aus taktischen Gründen zu den größeren Parteien ausweichen, sollte deren Einzug in den Nationalrat unsicher erscheinen, so Filzmaier. Dies drohe etwa auch den NEOS, wobei diese Gefahr durch das Antreten von Ex-Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss ein wenig abgemindert sein dürfte. Auch Hofer sieht für die Pinken eine "ganz zähe Ausgangsposition". Ein Momentum könnte die Kandidatur von Griss werden, allerdings habe diese mittlerweile "schon einiges an Strahlkraft" verloren.

Ähnliche Probleme sehen die Experten für die Grünen - wenngleich Filzmaier ein grünes Scheitern an der Einzugs-Hürde von vier Prozent praktisch ausschließt. Hier gilt Peter Pilz als die große Unbekannte: Derzeit wisse man nicht, ob er antritt, und wenn ja, mit welchem Programm. Wenn Pilz seine Liste ähnlich wie die der Grünen positionieren sollte, dann könne ein "Kannibalisierungseffekt" eintreten, so Filzmaier.

Grundsätzlich sieht der Politikwissenschafter für eine mögliche Liste Pilz Potenzial für den Nationalrats-Einzug, Neueinsteiger hätten beim Wähler durchaus Chancen. Dass es sich bei Pilz um einen etablierten Politiker handelt, stehe dem nicht entgegen. Filzmaier verwies etwa auf erfolgreiche Beispiele wie jene Fritz Dinkhausers oder Hans Peter Martins. Auch Polit-Berater Hofer hält Pilz für einen "absolut ernst zu nehmenden Kandidaten" - aus Sicht der Grünen und der SPÖ sei dies "keine frohe Kunde".

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