JUNOS: "ÖH wird von Regierung nicht ernst genommen"

JUNOS: "ÖH wird von Regierung nicht ernst genommen"
Yannick Shetty, Spitzenkandidat der JUNOS, im KURIER-Gespräch über die kommende ÖH-Wahl.

Flyer werden verteilt, Hände geschüttelt, das ein oder andere Bier getrunken. Es ist Wahlkampfzeit an den Hochschulen Österreichs. Am 16. startet die Wahl zur Bundesvertretung der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH). Studierende können entscheiden, wer sie auf Bundesebene künftig vertreten soll. Der KURIER hat mit den Spitzenkandidaten der ÖH-Fraktionen gesprochen. Wie lauten ihre Forderungen? Was sind ihre Ziele? Und: Wieso überhaupt ÖH?

Yannick Shetty, Frontmann der JUNOS, tritt für nachgelagerte Studiengebühren ein und präsentiert prominente Verbündete: Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Christian Kern.


Alle Interviews mit den ÖH-Spitzenkandidaten finden Sie hier.

KURIER: Welche Aufgabe hat die ÖH?

Yannick Shetty: Die ÖH soll Lobbyarbeit für Studierende leisten und ein ernstzunehmender Partner in den hochschulpolitischen Reformverhandlungen mit der Regierung sein. Derzeit ist das Gegenteil der Fall. Die ÖH wird von der Regierung nicht ernst genommen, viele Spitzenpolitiker wissen nicht, wer eigentlich in der ÖH sitzt.

Woran liegt diese Unbekanntheit?

Die ÖH-Exekutive hält sich lieber mit ideologischen Grabenkämpfen und Demonstrationen auf, anstatt sich mit der Regierung an den Tisch zu setzen und die Reformen, die im Raum stehen, zu diskutieren.

Passt Gesellschaftspolitik und ÖH-Arbeit zusammen?

Die primäre Aufgabe der ÖH ist, Studierende zu vertreten. Natürlich gibt es Querschnittsmaterien, wo sich die ÖH äußern kann, wie zum Beispiel der Uni-Schließung in Budapest. Aber dass einzelne Fraktionen Demo-Busse zum Anti-WKR-Ball finanzieren, für sinnlose Demos Geld rauswerfen, dafür haben wir kein Verständnis.

Vertritt die ÖH etwa nicht die Interessen der Studierenden?

Seit acht Jahren haben wir eine linke Mehrheit. Die Studienbedingungen sind katastrophal und in allen Rankings sacken wir ab. Die ÖH trägt hier eine Mitschuld, sie hat sich nicht stark genug eingesetzt. Es ist nicht alles schlecht, aber die Exekutive war viel zu leise.

Aber die ÖH alleine wird die Studienbedingungen nicht verbessern können.

Die ÖH muss sich hinsetzen und mit der Regierung verhandeln statt von vornherein alles abzulehnen. Das derzeitige System ist das unfairste. Wir haben beispielsweise in Jus eine Drop-Out-Quote von 70 Prozent.

Wie wollen die JUNOS den Status Quo ändern?

Wir haben einen freien Hochschulzugang, der eine reine Illusion ist. Wir lassen zum Studium mehr Studierende zu, als wir Plätze haben. Einzelne Professoren sagen sogar unter der Hand, dass sie Studierende in der STEOP (Studieneingangs- und Orientierungsphase, Anm.) durchfallen lassen müssen, weil es sich sonst platzmäßig nicht ausgeht.

Also Zugangsbeschränkungen?

Ja, vor dem Studium. Wir wollen, dass an verschiedenen Kriterien angeknüpft werden kann. Es kann ein Motivationsschreiben sein, ein Bewerbungsgespräch oder vielleicht auch ein Test. Der Sinn hinter den Zugangsbeschränkungen soll nicht sein, Menschen vom Studium abzuhalten, sondern ihnen eine Orientierung zu bieten. Die, die studieren wollen, sollen einen Platz bekommen.

Tests schrecken vor allem Personen aus bildungsfernen Schichten ab.

Wenn sie so gestaltet sind wie die Medizinaufnahmetests, für die man ein Jahr lang lernen muss und nicht selten Tausende Euro investiert, dann schreckt das ab. Und dann entscheidet sich an dem einen Testtag, ob du einen Platz bekommst oder nicht. Das wollen wir nicht.

Sagen wir, eine Person lässt sich von den Zugangsbeschränkungen nicht abschrecken und bekommt einen Platz an der Uni. Dann sieht er sich plötzlich mit Studiengebühren konfrontiert, die die JUNOS fordern.

Nein, wir sind für nachgelagerte Studiengebühren. Man zahlt erst, wenn man im Berufsleben steht und gut verdient.

Was bedeutet gut verdient?

Bis 1.100 Euro Nettogehalt zahlt man nichts. Wer über diesen Freibetrag liegt, zahlt acht Prozent der Differenz. Bedeutet: Bei 1.200 Euro ist die Differenz 100 Euro, der Absolvent zahlt acht Euro monatlich retour. Wer nie über den Freibetrag kommt, muss auch nie zahlen. Der Staat übernimmt die Ausfallshaftung. Das ist auch gerecht so. Warum sollen Studierende für eine fundierte Ausbildung, die sie erhalten, nicht auch einen Beitrag leisten? Jemand, der zu einer Meisterprüfung antritt, muss das auch.

Ihr fordert nachgelagerte Studiengebühren und plakatiert Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Er ist ein Verbündeter. Er hat 2013 gesagt, er sei immer schon für Studiengebühren gewesen (Anm.: "Ich war immer schon für Studiengebühren [...] Aber Studiengebühren allein machen das Kraut nicht fett für die Unis. Sie bräuchten viel mehr Geld." © Van der Bellen). Bundeskanzler Christian Kern hat sich zwar noch nicht für Studiengebühren ausgesprochen, aber ich erkenne in der SPÖ einen Trend zur Vernunft. Es kann nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich Kern für Gebühren ausspricht. Wenn ich mit Studierenden rede, verstehen sie die Forderung. Sie sind auch bereit, einen Beitrag zu leisten. Aber: Nachgelagerte Studiengebühren sollen erst eingeführt werden, wenn es eine fixe Zusage von der Regierung gibt, dass zwei Prozent des BIP in den Hochschulsektor gesteckt werden.

Ich habe mir einige Hochschulbeschlüsse der JUNOS durchgelesen. Sieht sehr nach einem Businessplan aus. Studierende sind „Kunden“, schreibt ihr.

Wenn der Studierende Gebühren zahlt, hat er den Status eines Kunden. Dadurch, dass alles gratis ist, werden Forderungen der Studierenden oft nicht gehört. Ich bin bei Pflichtlehrveranstaltungen am Boden gesessen. Und das nicht nur einmal, das war das ganze Semester lang so. Mit Studiengebühren würde sowas nicht mehr passieren.

Mit wem würden die JUNOS nicht koalieren?

Wir sind weltoffene Menschen und wollen mit allen Fraktionen reden, aber wir schließen definitiv eine Koalition mit dem rechten und linken Rand aus. Mit kommunistischen Fraktionen, die teilweise Stalin verherrlichen und mit dem RFS, bei dem es personale Schnittmengen mit den Identitären gibt, möchten wir nichts zu tun haben.

Wie hoch ist euer Wahlkampfbudget?

Zwischen 50.000 und 60.000 Euro. Uns ist Transparenz sehr wichtig. Wir legen alle Finanzströme auf unserer Homepage offen, jede Wurstsemmel und jede Tankrechnung findet sich dort.


Zur Person: Yannick Shetty ist Spitzenkandidat der JUNOS. Er studiert an der Uni Wien Rechtswissenschaften und Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuni Wien (WU).

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