ÖGB scheut Aufruf zu CETA-Volksbegehren

KPÖ, FPÖ und Grüne werben für das Volksbegehren, die SPÖ ist gepalten
Gewerkschafts-Abgeordnete fürchten Zwickmühle bei Behandlung im Nationalrat

ÖGB-Präsident Erich Foglar ersucht die Öffentlichkeit um Verständnis: Ob er das Volksbegehren gegen das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada unterschreibe, sei seine Privatsache. Er wolle weder die eine noch die andere Seite beeinflussen.

So strikt neutral wie der Präsident gibt sich der ganze ÖGB. Auf der Homepage wird zwar informiert, dass die Eintragungswoche läuft, aber einen Aufruf, sich daran zu beteiligen, verkneift sich der ÖGB.

Die größte Teilgewerkschaft, die der Privatangestellten (GPA), verhält sich ebenso neutral. Info ja, Empfehlung nein. Dabei hatte die GPA im vergangenen September noch zur Groß-Demo aufgerufen.

Ungewöhnlich zurückhaltend ist auch Bau-Holz-Gewerkschafter Josef Muchitsch. "Ich habe keine Ahnung, ob ich unterschreiben werde", sagt er zum KURIER. Auch will der SPÖ-Abgeordnete keine Empfehlung abgeben: "Mir wäre am liebsten, wenn jeder den Vertrag liest und sich dann selbst eine Meinung bildet. Ich bin gegen Empfehlungen."

Diese Form der Empfehlung erscheint allerdings wenig hilfreich: Der Vertrag ist nämlich laut Experten, die ihn gesehen haben, etwa einen halben Meter dick, und nicht einmal der Verfassungsdienst im Kanzleramt verfügt über ausreichend Fachpersonal, um jedes Detail darin zu prüfen. Der Grund: Die Zuständigkeit für Freihandelsabkommen wurde an die EU-Kommission abgetreten. Deswegen muss auch Großbritannien erst wieder einen einschlägigen Beamtenstab aufbauen und alle Abkommen bilateral neu verhandeln.

Kehrtwende

Grund für die Zurückhaltung der Gewerkschafter ist die Kehrtwende der SPÖ beim Thema CETA. Hatte Kanzler Christian Kern seine Partei im vergangenen Sommer noch auf Anti-CETA-Kurs getrimmt, schwenkte er im Herbst um und stimmte im EU-Rat dem Abkommen zu.

Irgendwann wird CETA auch im österreichischen Nationalrat zu ratifizieren sein. Und dort sitzen prominente Gewerkschafter wie GPA-Chef Wolfgang Katzian, Metaller-Chef Rainer Wimmer und Muchitsch. Für die Ratifizierung gibt es zwar keinen Zeitdruck, bis alle EU-Staaten zugestimmt haben, werden Jahre vergehen.

Peinlich kann jedoch die parlamentarische Behandlung des Volksbegehrens werden. Wenn es nämlich mehr als 100.000 Wahlberechtigte unterschreiben, muss sich der Nationalrat mit dem Begehren befassen. Innerhalb eines Monats muss ein Ausschuss die Beratungen darüber beginnen, nach weiteren vier Monaten muss der Ausschuss dem Nationalrat eine Empfehlung vorlegen, sagt Parlamentarismus-Experte Werner Zögernitz. Der Ausschuss kann die Abstimmung im Plenum insofern entschärfen, als er lediglich eine Nacherzählung über den Diskussionsverlauf verfasst. Aber auch dieses stille Begräbnis müsste mit den Stimmen der SPÖ im Ausschuss stattfinden.

Kein Wunder, dass viele in der SPÖ über Landeshauptmann Hans Niessl verärgert sind. Niessl wirbt mit seiner Unterschrift für das Volksbegehren – und vergrößert damit die Bredouille der SPÖ.

Kommentare