Öffentliches Leben, öffentliches Sterben

Man bangte mit ihr, ahnte zuletzt aber, dass sie den Kampf verlieren würde. Sabine Oberhauser hatte aus ihrer Krankheit kein Geheimnis gemacht, informierte offen über Behandlungsschritte. Ein Regierungsmitglied, das seinen Krankheitsverlauf fast bis zum bitteren Ende publik machte: Das gab es in dieser Form noch nie in Österreich. Auch wenn die genaue Krebsdiagnose (wie in den USA üblich) nicht preisgegeben wurde.

Zur allgemeinen Nachahmung empfohlen? Nein, sicher nicht. Weil jeder Schwerkranke seinen eigenen Weg finden muss. Zu Oberhauser passte diese Öffentlichkeit auf vielfältige Weise. Erstens: Sie war ein ungemein extrovertierter Typ.

Zweitens: Sie war politisch zuständig für das System, das sie unfreiwillig von innen betrachten musste. Mehr noch als bei jedem anderen Regierungsmitglied wäre die Flüsterfront aktiv und – angesichts der harten Auseinandersetzungen in diesem Bereich – womöglich auch gehässig gewesen. Daher war der offene Umgang vernünftig.

Hund und Wetterbericht

Drittens: Oberhauser gewährte auf Facebook nicht nur Einblick in ihre berufliche Tätigkeit, wie es viele Politiker (bzw. häufig eher ihre Mitarbeiter) tun, was viel (Langweiliges) über politische Strategie, aber wenig über den Menschen aussagt. Bei Oberhauser schimmerte auch immer ihr sympathisches, privates Persönlichkeitsprofil durch. Ihren Hund kannte ganz Österreich, ihr morgendlicher Wetterbericht war ein Markenzeichen. Man hätte angesichts der Diagnose Verständnis für ihren Rückzug aus dem sozialen Medium gehabt, aber das wäre nicht Oberhauser gewesen. Ganz sicher gab ihr die Unterstützung von Tausenden Facebook-Freunden auch viel positive Energie zurück.

Es gibt kein generelles Rezept, wie man mit Schicksalsschlägen umgeht. Es mit allen besprechen oder mit sich allein ausmachen? Für den einen ist es Therapie, über Leid, Ängste und Hoffnungen sprechen zu können. Andere meiden das Thema aus Sorge, dann womöglich nur noch mitleidig betrachtet zu werden. Beides ist legitim. Und beruflich? War Oberhauser Vorbild, indem sie unerschütterlich an ihrer Funktion festhielt? Jein. Vielen Kranken fehlt die Kraft dafür, oder sie wollen sich lieber auf ihre Heilung konzentrieren. Das ist ein gutes Recht in einer humanen Gesellschaft. Andere wiederum hält der geliebte Job vielleicht am Leben, weil er ihre Kräfte mobilisiert.

Arbeiten oder auskurieren

Freilich muss man einräumen, dass das in privilegierten Jobs einfacher ist. Welcher "normale" Arbeitnehmer kann sich auf ein Ministerbüro und Sektionschefs stützen, die die Tagesarbeit erledigen? Auch hier sind generelle Lösungen schwierig: Wie viel Arbeitsplatzschutz gebührt dem Kranken? Wie sehr muss man gleichzeitig auch auf die Firma achten, die das vielleicht nur schwer schultern kann?

Die Regierung hat im November hier einen wichtigen Schritt mit der Wiedereingliederungsteilzeit nach längerem Krankenstand gesetzt. Gegen den Begriff "Teilzeitkrankenstand" hatte sich die Ministerin und Gewerkschafterin Oberhauser übrigens heftig gewehrt. Nach einer schweren Krankheit sei es oft besser, zunächst weniger Stunden zu arbeiten und das Pensum langsam zu steigern, als gleich wieder voll einzusteigen, sagte sie damals. Ihr persönlich war das leider nicht mehr vergönnt.

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