Notre-Dame: Einfach nur zum Weinen

Die Zerstörung der Kathedrale ist nicht nur eine Tragödie für Paris, sondern für die ganze Welt.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Um 19.13 Uhr kam die erste Meldung: Notre-Dame brennt. Von Minute zu Minute wurde es schlimmer, ein Turm stürzte ein, das Dach brach zusammen, das Feuer breitete sich unaufhaltsam aus, bald war es traurige Gewissheit: Eines der wichtigsten Kulturdenkmäler ist großteils zerstört, die berühmten Glocken sind verstummt.

Über Agenturen konnten schockierte Menschen die Nachrichten verfolgen, auch im Internet und über soziale Medien – im ORF wurde brav die „Millionenshow“ gesendet und im anderen Programm eine alte Folge der „Vorstadtweiber“. Auch ARD und ZDF reagierten sehr spät live, was es nicht besser macht.

Man war an 1992 erinnert, als die Hofburg in Flammen stand (zum Glück wieder vollständig aufgebaut). Mancher dachte vielleicht an die viel kleineren Sofiensäle, die 2001 niederbrannten. Nun wäre es dumm, Katastrophen gegeneinander aufzuwiegen. Dennoch muss der Autor dieser Zeilen gestehen: Die Katastrophe von Paris zu Beginn der Karwoche ist zum Heulen! Wer diese Kathedrale besuchte oder nur an ihr vorbeispazierte, war beeindruckt. Notre-Dame prägte die Kulturmetropole wie der Eiffelturm.

Gebeutelt

Die Pariser haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Tragödien miterlebt. Vom Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo bis zu den Terrorattacken im Umfeld des Fußballspiels Frankreich gegen Deutschland samt Attentat in der Konzertarena Bataclan – die Stadt an der Seine war die meistbetroffene vom islamistischen Terror. Auch die Proteste der Gelbwesten stießen bei den Parisern zuletzt auf Empörung, weil sich diese politisch nur kurz einem Ziel verpflichtete und mittlerweile anarchistische Gruppe verselbständigte und fast jeden Samstag Spuren der Verwüstung hinterlässt. Dennoch ließen sich die Menschen nicht einschüchtern und versuchten so rasch wie möglich, ein normales, optimistisches, zukunftsorientiertes Leben zu führen.

Das wird nach der Katastrophe auf der Île de la Cité auch irgendwann der Fall sein. Es kommt die Zeit, da wird die Kirche (oder was von ihr noch übrig blieb) in altem Glanz erstrahlen. Oder in neuem Gewand. Paris liebt die Moderne, viel mehr als Wien.

Nun ist aber Zeit für Trauer, nicht nur in Paris und in Frankreich, nicht nur in der EU – die ganze Welt muss um diese Kathedrale weinen. Die Menschheit, nicht nur das Christentum, hat bis auf weiteres einen der größten Schätze verloren, ein Architekturwunder ersten Ranges. Passiert ein solches Desaster in Paris, denkt man zunächst an Terror, was nicht der Fall gewesen sein dürfte. Möglicherweise war es wirklich ein scheinbar banaler Unfall bei Renovierungsarbeiten, der sich so folgenschwer auswirkte.

Aber bei einer solchen Zerstörung ist die Ursache fast schon egal, die Wirkung das Schlimme. Und jene Trolle, die sich noch am Abend spöttisch als unbetroffene Atheisten gerierten, mögen die Gosch’n halten.

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