Niessl über Neuwahlen: "Das ist eine Diskussion, die man führen muss"

Niessl geht davon aus, "dass SPÖ Nummer eins wird"
Roter Landeschef reklamiert Entlastung kleiner Einkommen in Nachverhandlung des Regierungspakts.

KURIER: Anfang 2016 waren Sie in der SPÖ wegen Rot-Blau im Eck, jetzt stehen Sie als Vorreiter für Kurswechsel und Öffnung zur FPÖ. Genugtuung?

Hans Niessl: Das ist die falsche Bezeichnung. Ich glaube, es waren richtige Entscheidungen, und immer mehr sind davon überzeugt. Unsere Forderungen wurden erfüllt, von Grenzkontrollen bis Assistenzeinsatz. Hat man Weitblick, den Europa übernimmt, steigt das Ansehen des Burgenlandes.

Sollen SPÖ und Republik an Burgenlands Wesen genesen?

Wir fordern nichts, was wir nicht vorleben; von Sicherheit über Rekordbeschäftigung bis zum höchsten Wirtschaftswachstum. Wenn ich jetzt einen Generalkollektivvertrag mit 1500 Euro netto und eine weitere Steuerreform über fünf Milliarden Euro für kleine Einkommen mit teilweiser Gegenfinanzierung durch moderate Vermögensbesteuerung ab einer Million Euro fordere, wird das sicher bald bundesweit diskutiert.

War Ihr Vorstoß für eine neuerliche Steuerreform mit Kanzler Christian Kern abgesprochen?

Das ist ein Vorstoß der SPÖ Burgenland, abgestimmt mit unseren Freunden in der Gewerkschaft und Vertretern von Klein- und Mittelbetrieben und Ein-Personen-Unternehmen.

Warum blieb die SPÖ in dieser Kernfrage bisher ohne Erfolg?

Wir befinden uns in einer Koalition annähernd gleich starker Parteien. Mit dem Ergebnis, dass die ÖVP soziale Gerechtigkeit verhindert.

Dann wäre für die SPÖ doch ein Versuch mit der FPÖ logisch?

Ich glaube an ein Umdenken in der ÖVP, wenn die SPÖ eine Alternative hat.

Die FPÖ als Drohkulisse wirkt aber nur ein Mal ...

Es wurde auch im Burgenland gesagt, der Niessl koaliert nach der Landtagswahl eh wieder mit der ÖVP.

Sie haben große Vorbehalte gegen die ÖVP, oder?

Sonst hätten wir nicht die Koalition mit der FPÖ.

Ist es nicht total unglaubwürdig, eine weitere Koalition mit der ÖVP nicht auszuschließen?

Unter anderen Bedingungen ist sie möglich.

Und anderen Personen?

Ich bin überzeugt, dass Sebastian Kurz früher an der Spitze steht als die Steuerreform kommt. Ich glaube, dass er 2017 Vizekanzler wird.

Hat Alexander Van der Bellens Sieg bei der Bundespräsidentenwahl die Wahrscheinlichkeit für Neuwahlen 2017 verringert?

Das hängt davon ab, was bei der Nachverhandlung des rot-schwarzen Regierungspakts herauskommt.

Werden Sie die Steuerreform da hineinreklamieren?

Natürlich. Die Bundesregierung wäre gut beraten, Bezieher kleiner Einkommen massiv zu entlasten.

Und wenn die ÖVP Nein sagt, sollte es Neuwahlen geben?

Das ist eine Diskussion, die man führen muss.

Ist die SPÖ gerüstet? Christian Kern ist als SPÖ-Chef und Kanzler mit viel Vorschusslorbeeren gestartet, aber der Lack ist ab.

Überhaupt nicht. Er hat gute Umfragewerte, und die SPÖ hat zugelegt. Man muss auch sagen, dass die Bundesregierung etwas weiterbringt. Weil aber in wichtigen Punkten keine Lösungen erzielt werden, entsteht der Eindruck, es gäbe gar keine.

Die FPÖ liegt in allen Umfragen deutlich vorn: Ist es für die SPÖ tabu, als Juniorpartner in eine blau-rote Regierung zu gehen?

Ich gehe davon aus, dass die SPÖ Nummer eins wird. Wenn wir den vom Kanzler und von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil verkörperten Kurs nicht hätten, würde ich der SPÖ deutlich geringere Chancen geben.

Sie haben Doskozil vor einem Jahr, als er noch Polizeidirektor war, als sehr politiktauglich bezeichnet. Ihr Befund nach seinem ersten Ministerjahr?

Er ist noch besser, als ich vermutet habe. Auch, weil er einer der besten Fachexperten auf seinem Gebiet ist. Für mich ist er Österreichs bester Minister. Der Kanzler und er tragen die Regierung.

Sie haben ein Luxus-Problem: Im Gegensatz zu Ihren Freunden Michael Häupl und Erwin Pröll haben Sie die Nachfolge geregelt. Aber was, wenn Doskozil im Bund unabkömmlich ist, treten Sie 2020 noch einmal an?

Da sind so viele Wenn und Aber. Ich treffe mich nach Weihnachten mit Doskozil zum Abendessen, vielleicht laden wir noch den einen oder anderen dazu. Wir werden wieder lange und intensiv reden, über Politik und die Zukunft – und über den Zustand von Austria und Rapid ( Niessl ist Violetter, Doskozil Grün-Weißer; Anm.).

Wird da die Übergabe geregelt?

Nein, das ist nicht aktuell.

Aber andere Kronprinzen brauchen sich keine Hoffnungen mehr zu machen?

Kronprinz ist eine Apfelsorte (lacht). Man soll in dieses Essen nichts hineininterpretieren. Wir sind gute Freunde und vertrauen einander.

Unter Parteikollegen einen Freund zu haben – das ist ja schon etwas Besonderes ...

Ein sehr, sehr hohes Gut.

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